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Damwild wirft immer noch Fragen auf: Wie nutzt es seinen Lebensraum? Wo steht es in der Brunft? Wo stecken die alten Hirsche? NORMAN STIER und OLIVER KEULING von der Technischen Universität Dresden haben Damwild besendert und interessante Antworten gefunden.

Von 1999 bis 2009 wurden im Rahmen der Studie 70 Stück Damwild gefangen oder narkotisiert und anschließend gekennzeichnet (47 männliche und 23 weibliche Stücke). 31 davon erhielten Telemetriesender. Das Untersuchungsgebiet im Südwesten von Mecklenburg Vorpommern umfasst eine Fläche von 22 330 Hektar und gehört zum Großteil zur Hegegemeinschaft Boize-Schaale. Auf der Fläche wurden in den zurückliegenden Jahren zwischen 500 und 700 Stück Damwild erlegt. Mit 72 Prozent prägen landwirtschaftliche Flächen das Gebiet. 25 Prozent sind bewaldet, wobei die Kiefer die Hauptbaumart darstellt (57 Prozent). Das langjährige Forschungsprojekt wurde im Auftrag der Obersten Jagdbehörde von Mecklenburg-Vorpommern bearbeitet und durch die Stiftung „Wald und Wild in Mecklenburg-Vorpommern“ sowie aus Mitteln der Jagdabgabe finanziert. Ähnlich wie von MAHNKE (2000) für den Serrahn-Teil des Müritz-National-parks und von NITZE ET AL. (2006) im Forstamt Colditz (Sachsen) beschrieben, war das gesamte telemetrierte Damwild in den einmal gewählten Einständen sehr standorttreu. Da in allen drei Untersuchungen diese Gebietstreue bereits bei Schmaltieren und Schmalspießern festgestellt wurde, ist davon auszugehen, dass Damwild seinen Aktionsräumen bis ans Lebens ende die Treue hält.  Selbst bei Drückjagden verließen die markierten Stücke ihre langjährigen Aktionsräume nicht.
Waldgeister: Die Untersuchungen zeigten, dass nur etwa die Hälfte der an den Brunftplätzen anwesenden Hirsche in Anblick kommen.
Hinsichtlich der saisonalen Aktionsraumgrößen (Sommer-, Winter- und Brunfteinstände) von Hirschen und Tieren ergaben sich kaum Unterschiede. Sie lagen fast alle zwischen 100 und 400 Hektar. Die Gesamtaktionsräume der Hirsche waren jedoch mit durchschnittlich 1 467 Hektar deutlich größer als die der Tiere (321 Hektar). Auslöser sind größere Distanzen zwischen den saisonalen Hirsch einständen. Die größten Entfernungen zwischen Sommereinstand und Brunftgebiet lagen bei den Hirschen bei etwa acht Kilometern.

Bei männlichen Stücken, die mehrere Jahre besendert waren, zeigte sich zudem, dass junge Hirsche ihr Brunftgebiet kontinuierlich verkleinern. Im Alter von ein bis vier Jahren ziehen die Hirsche zwischen den Brunftplätzen umher, um sie kennenzulernen. Ab dem fünften Lebensjahr besetzen sie eigene Brunftplätze. Das Abwandern aus den Sommereinständen erfolgt unterschiedlich. Ist dort kaum Wald vorhanden, ziehen die Hirsche im Juli und August während der Erntezeite zunächst in ihre Wintereinstände. Andere Hirsche wandern direkt aus ihren Sommere inständen ins Brunftgebiet. Dieser Wechsel sorgt in vielen Hegegemeinschaften für Verwirrung. Am 1. September beginnt die Jagdzeit auf Damhirsche, aber im Sommereinstand sind sie nach Aussagen der Jäger nicht mehr und in den Brunftgebieten noch nicht angekommen. Die Hirsche scheinen zu dieser Zeit wie „vom Erdboden verschluckt“. Vom Aufgang der Jagdzeit bis zum Einstandswechsel Mitte bis Ende September sind die Hirsche folglich schwer zu bestätigen. Die Telemetriedaten zeigen aber, dass die überwiegende Anzahl der männlichen Stücke in dieser Zeit in ihren angestammten Einständen steht. Die ersten Geweihten kommen normalerweise ab Anfang September, die meisten in der zweiten und dritten Septemberwoche, die letzten gegen Ende des Monats im Brunftgebiet an.

Ein Schaufler besetzt nur selten über mehrere Jahre denselben Brunftplatz. Die Lage der Brunftkuhle hängt in erster Linie vom Alter und der körperlichen Verfassung des Hirsches ab. Frühestens mit vier, oft erst mit fünf Jahren schaffen es die Schaufler, erstmalig einen eigenen Platz zu behaupten. Stärke und körperliche Verfassung erlauben es aber nur sechs bis achtjährigen Hirschen, einen zentralen Platz auf einem der wenigen Großbrunftplätze zu erkämpfen. Ab dem neunten Kopf sinken die Chancen rapide, weshalb man wirklich alte Hirsche nur am Rand der großen Brunftplätze oder auf Einzelplätzen bestätigt. Diese bieten jedoch weniger Möglichkeiten, Kahlwild zu beschlagen. Danach ziehen sie wieder umher wie die jungen Hirsche, aber immer noch in ihrem traditionellen Brunftgebiet. Es wird zwar immer wieder beschrieben, dass alte Hirsche kleinere, deckungsreiche Brunftplätze bevorzugen. Doch es ist falsch, dabei von einer Bevorzugung zu reden. Denn nur auf solch kleinen, nachrangigen Plätzen haben sie überhaupt noch eine Chance.
Neben vielen kleinen Einzelbrunftplätzen liegen im Untersuchungsgebiet ein großer (Schildfeld) und zwei kleinere Hauptbrunftplätze (Eichen und Kogel). Am Hauptbrunftplatz Schildfeld war zu erkennen, dass die Hirsche zur Hochbrunft enger zusammenrücken und auch mehr Platzhirsche registriert wurden. Die Telemetriedaten zeigten, dass vor allem Schaufler aus der näheren Umgebung (300 bis 400 Meter) des Hauptbrunftplatzes merkten, dass sie an ihren Standorten chancenlos sind, da sich kein Kahlwild an diesen Einzelplätzen einstellt. Von ihnen erkämpften sich einige am Anfang der Hochbrunft eine eigene Arena auf dem Großbrunftplatz und hielten diese auch bis zum Ende. Andere wechseln in dieser Phase regelmäßig zwischen ihrem alten und neuen Platz. Auf dem Hauptbrunftplatz Schildfeld werden während der absoluten Hochbrunft bis zu 60 Platzhirsche bestätigt, die sich auf einer Fläche von nur etwa 150 bis 200 Meter Durchmesser verteilen. Die einzelnen Plätze haben im Kern einen Durchmesser von zehn Metern und liegen ebenso weit auseinander. Im Randbereich sind die verteidigten Bereiche einzelner Schaufler größer und liegen auch weiter auseinander. Ab Anfang Oktober ziehen die Platzhirsche regelmäßiger zu ihren Kuhlen, werden aktiver und melden vereinzelt. Mit Beginn der Hochbrunft besuchen sie auch an- dere Brunftkuhlen oder wechseln innerhalb ihres Brunftgebietes auf andere Plätze. Trotz nahezu permanenter Anwesenheit von Jägern und Wildbiologen während der Brunft wurden am gut einsehbaren Hauptbrunftplatz Schildfeld nie alle anwesenden besenderten Stücke beobachtet. Es zeigte sich, dass von den per Telemetrie auf dem Platz nachgewiesenen Stücken durch die Jäger in der Regel jeweils weniger als die Hälfte gesichtet wurde. Das zeigt, dass unter Umständen einzelne gesuchte Hirsche zwar anwesend, aber nicht sichtbar sind.

Nicht jagdliche Abgänge von Schauflern während oder kurz nach der Brunft spielen in vielen Damwildpopulationen Deutschlands eine bedeutende Rolle. Brunftbedingtes Fallwild wurde im Untersuchungsgebiet zwischen 30. Oktober und 14. November registriert, wobei ein deutlicher Schwerpunkt in den ersten Novembertagen nach Ende der Hochbrunft zu verzeichnen war. Etwa die Hälfte der verendeten Hirsche wurde im Brunftgebiet gefunden, die andere Hälfte war bereits in den Wintereinstand gezogen und verendete dort. Ohne die Telemetrie wären viele Stücke nie entdeckt worden. Auch die Todesursache hätte nicht festgestellt werden können. Man kann annehmen, dass die Ausmaße der Brunftmortalität mindestens doppelt so hoch sind, wie die gefundenen Stücke vermuten lassen.
Bisher wurde angenommen, dass das so genannte Fettlebersyndrom, das auch bei Haustieren und anderen Schalenwildarten bekannt ist, für die Brunftmortalität verantwortlich ist. Die Einlagerung von Feist ist jedoch ein normaler Prozess, damit die Damhirsche die Brunft ohne zu äsen überstehen. Gesunde Stücke sind auch in der Lage, überschüssigen Feist wieder abzubauen. Kommt es zu einer übermäßigen Einlagerung, kann es zu gesundheitlichen Problemen kommen, weil Organe, wie die Leber, nicht mehr normal arbeiten und die Hirsche unter extremer körperlicher Belastung schwer erkranken oder verenden.

Für detailliertere Untersuchungen zum Auftreten dieser Brunftmortalität wurden weitergehende pathologische Analysen am Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin vorgenommen. Beim Verfettungsgrad der Lebern ergaben sich keine Unterschiede zwischen den Todfunden und den erlegten Hirschen. Etwa die Hälfte (49 Prozent) wies eine mittel- bis hochgradige Leberzellverfettung auf. Nur sehr wenige Individuen hatten eine geringe Einlagerung. Extreme Leberverfettung ist also nicht die Ausnahme, sondern die Regel.

Dann stellt sich jedoch die Frage, warum einige Schaufler verenden, andere aber selbst die höchsten Verfettungsgrade überleben? Interessant ist, dass nur Hirsche im Alter von fünf bis neun Jahren betroffen sind, die auch eigene Brunftplätze besetzen. In 46 Fällen konnte mittels Telemetrie oder Beobachtung festgestellt werden, auf welchen Brunftplätzen sich diese fünf- bis neunjährigen Hirsche aufgehalten hatten und ob sie verendeten. In sieben von 18 Fällen (39 Prozent) verendeten die Damhirsche, die die Brunft auf dem Großbrunftplatz verbrachten. Im Gegensatz dazu wurden nur drei von 28 Damhirschen (11 Prozent) verendet gefunden, die auf kleineren Brunftplätzen und an Einzelkuhlen standen. Von diesen waren zwei bereits neun Jahre alt.
Der größte Teil der Todfunde stammt vom Hauptbrunftplatz oder der näheren Umgebung. Nur durch die Telemetrie konnte auch bei den im Wintereinstand verendeten Individuen der Bezug zu diesem Brunftplatz hergestellt werden. Die Beobachtungen aus anderen Damwildgebieten Deutschlands belegen die Häufung von Todfunden im Umfeld von Großbrunftplätzen. An solch großen Brunftarenen müssen sich die Hirsche bereits ab der Ankunft im September verausgaben, um gute Positionen zu erkämpfen. Während der Hochbrunft verlassen die zentralen Hirsche auf diesem Platz ihre Positionen nie, weil sie sonst riskieren, sie zu verlieren. Bedingt durch die Nähe zu den Nachbarn bleibt auch ohne die Anwesenheit von Kahlwild kaum Zeit zum Ruhen.

Der derzeitige Kenntnisstand lässt dank Untersuchungen am IZW Berlin den Schluss zu, dass das Fettlebersyndrom, in Kombination mit erhöhter Brunftbelas tung, den Gesundheitszustand der Platzhirsche schwächt. Dies bereitet anderen Todesursachen, wie Lungenentzündungen oder schwer nachzuweisenden bakteriellen Infektionen, den Weg. Um hier aber entscheidend weiterzukommen, müssten noch größere Stichproben an frischen Todfunden analysiert werden. Die Ergebnisse liefern für die Jagdpraxis deutliche Hinweise. Denn immerhin fallen im Untersuchungsgebiet jährlich mindestens etwa zehn Prozent der Altersklasse 3 (3 bis 7 Jahre) und etwa 20 Prozent der Altersklasse 4 (ab 8 Jahren) dieser Ursache zum Opfer (siehe Tabelle). Je nach Häufigkeit sollten die Abschusszahlen für die Altersklasse 3 um mindestens zehn, besser 20 Prozent verringert werden. Denn vor allem das mittelalte Segment der männlichen Teilpopulation wird regelmäßig übernutzt. So ist das Fehlen alter Hirsche oft die Folge zu intensiven Eingreifens in der mittleren Altersklasse. Man ruiniert seinen Hirschbestand daher meist selbst. Um der erhöhten natürlichen Sterblichkeit der Hirsche generell gerecht zu werden, sollten die Abschüsse in einem Geschlechterverhältnis von 40:60 (zu Gunsten der Hirsche) geplant und umgesetzt werden, was in vielen Damwildhegegemeinschaften bereits der Fall ist.
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