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Huhn in Ruh

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JAGDWILD REBHUHN

Vielen Jägern ist bewusst: Um das Rebhuhn ist es schlecht bestellt. Wie kritisch die Lage aber wirklich schon ist, zeigt Simon Obermeier.

Rebhuhn
Foto: Jens Krüger

Die Rebhuhnjagd gehört selbst in ehemals guten Revieren weitgehend der Vergangenheit an. „Noch vor sechzig Jahren waren Dichten von 30 Brutpaaren im Frühjahr und Herbstbesätze von mehr als 300 Stück auf 100 Hektar (ha) keine Seltenheit“, sagt der Wildbiologe Dr. Heinrich Spittler. Heute werden selbst in Schutzprojekten Brutpaardichten von etwa einem Paar auf 100 ha nur noch selten erreicht. Wie kaum eine andere Art ist das Rebhuhn invom Sterben in der Feldflur betroffen. Europaweit sind die Besätze in den vergangenen drei Jahrzehnten um etwa 90 Prozent eingebrochen. Streckenmäßig rangierte das kleine Feldhuhn einst an Platz zwei hinter dem Hasen – Ende der 1950er rund 800 000 Hühner im Jahr. Mittlerweile beträgt die Jahresstrecke nur noch etwas mehr als 4 200 Stück. Rund die Hälfte davon ist Fallwild. Dieser dramatische Abwärtstrend der Besätze und Strecken findet allerdings nur wenig Beachtung. „So unscheinbar es ist, so sang- und klanglos verschwindet es“, beklagte Guido Dalüge, Mitarbeiter der Wildforschungsstelle Baden-Württemberg, auf einem Symposium Ende Juni in Stuttgart. Unweigerlich steht die Frage im Raum: Jagd vorbei beim Rebhuhn?

Rebhuhn
Ohne entsprechende Habitate, wie lichte, flächige Blühstreifen (Huderstelle, u.), und eine intensive Jagd auf Raubsäuger… Foto: Fabian Neubert
Rebhuhn
… ist das Aussetzen von Rebhühnern (o.) sinnlos. Foto: Fabian Neubert

Wo wird es überhaupt noch jagdlich genutzt?

In vielen Bundesländern, wie Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen, wird in den meisten Jägerschaften freiwillig auf die Jagd verzichtet. In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern etwa ist es ganzjährig geschont. „Die besten Besätze mit rund sechs bis acht Paaren pro 100 ha Offenland sind nach wie vor etwa in der Kölner Bucht, am Oberrhein oder am Main, also in warm-trockenen Regionen“, sagt Dr. Thomas Gehle, Niederwild- Experte der Wildforschungsstelle in Bonn. Vor allem in Westdeutschland gebe es noch eine ganze Reihe von Revieren mit einem Herbstbesatz von mehr als 200 Hühnern.

Aber selbst in guten Rebhuhn-Regionen ist die Lage heikel. Eine Schlecht-Wetter-Phase reicht, und es wird brenzlig. Heftige Niederschläge im Mai und Juni 2013 sowie das nasskalte Wetter haben etwa die meisten Bruten im Landkreis Würzburg am Main ausfallen lassen. Die Besätze seien weiter geschwächt worden, sagt der Vorsitzende der bayerischen Kreisgruppe Ochsenfurt, Gerhard Klingler. Ein einzelner Abschuss mal hier mal da – mehr ist meist nicht mehr drin. Ein bis fünf Abschüsse seien vertretbar, wenn auf 100 ha Feldfläche im Herbst zwischen dreißig und fünfzig Rebhühner lebten. Eine reguläre Bejagung im Rahmen von Suchjagden sei dagegen erst dann machbar, wenn im Herbst auf einer Revierfläche von 1 000 ha mehr als 1 000 Hühner vorkommen, betont Dr. Spittler. Die Jagd sei nur sinnvoll, wenn der Ausgangsbesatz über mehrere Jahre stabil sei und bei mehr als drei Brutpaaren pro 100 Hektar liege, sagt Dr. Astrid Sutor vom Deutschen Jagdverband. Überdies dürften im Herbst maximal 25 Prozent des Besatzes entnommen werden. Britische Wissenschaftler setzen die Mindestgrößen teils sogar noch höher an. Lebensraumverbessernde Maßnahmen und eine intensive Raubwildjagd, empfehlen sie, sollten sich flankierend von selbst verstehen. Hierzulande sind solche Besatzgrößen mittlerweile aber meist ohnehin ein Wunschtraum. Von einer jagdlichen Nutzung könne in Deutschland keineswegs mehr die Rede sein, so Dr. Spittlers Resümee.

Was sind die Verlustursachen?

„Strukturmangel in großen Schlägen, intensive Bodenbearbeitung sowie Nahrungsmangel in einem Frühling und Sommer ohne Insekten durch den hohen Pestizideinsatz machen dem Rebhuhn schwer zu schaffen“, sagt Ulrike Kay-Blum von der Wildland-Stiftung Bayern. Bruthabitate wie Feldraine gehen mehr und mehr verloren, Pflanzenschutzmittel verdrängen Insekten und Unkrautsamen, die Nahrungsgrundlage für Küken und erwachsene Exemplare, Getreideschläge werden immer dichter. Noch vor sechzig Jahren seien parzellierte Flächen in vielen Regionen die Regel gewesen, das Nahrungs- und Deckungsangebot entsprechend höher, betont auch Dalüge.

Wie wichtig Grenzlinien für die Hühner sind, zeigte das baden-württembergische Projektgebiet Gondelsheim. Verteilt auf 160 ha wurden auf einer Gesamtlänge von 15 Kilometern Habitatstreifen für das Rebhuhn angelegt, ein Berufsjäger hielt das Raubwild kurz. Innerhalb von drei Jahren etablierten sich dort neben den bisherigen drei elf weitere Brutpaare. Als ein Jahr später die Streifen entfernt wurden, sank die Brutpaardichte wieder auf ihr ursprüngliches Niveau von drei Paaren.

Bereits Ende der 1980er-Jahre machte das Salisbury-Plain-Experiment in England deutlich, dass selbst in strukturreicheren Revieren die Raubwildjagd von enormer Bedeutung ist: Die Rebhuhndichte vervielfachte sich mit instensiver Raubwildjagd in wenigen Jahren. Blieb sie aus, sank die Dichte ebenso schnell wieder ab. Prädation spielt bei Rebhühnern eine große Rolle. Im Rebhuhnschutzprojekt Landkreis Göttingen sind fast alle Todfunde auf Räuber zurückzuführen. Insbesondere bei den Hennen gehen vier Fünftel auf das Konto von Raubsäugern – meist Füchse –, bei den Hähnen rund zwei Drittel, der Rest jeweils auf Greife, hebt Dr. Eckhard Gottschalk von der Georg- August-Universität Göttingen hervor.

Flächige, mindestens zehn Meter breite Blühstreifen als Brut- und Aufzuchtsort sollen den Hühnern dort unter anderem helfen. Deutlich wird: Die Misere des Rebhuhns ist ein Cocktail verschiedener Faktoren. Als Schlüssel gilt bei vielen die Landwirtschaft. Schutzprojekte wie die „Allianz fürs Niederwild“ des Landesjagdverbandes Baden-Württemberg versuchen daher, alle Landnutzer mit ins Boot zu holen. Einzelinitiativen hätten bisher nicht den gewünschten Erfolg gebracht, sagt LJV-Mitarbeiter Klaus Lachenmaier.

Rebhuhn
Keine Trendwende in Sicht: Binnen zehn Jahren sind die Jahresstrecken von 25 000 auf unter 5 000 gefallen. Foto: Michael Breuer, Quelle: Deutscher Jagdverband

Ist Aussetzen eine Hilfe?

Aussetzen ja oder nein – eine Frage, an der sich die Wissenschaftler scheiden. Die Göttinger lehnen das grundsätzlich ab, solange noch ein Besatz vorhanden ist. Hauptprobleme seien das mangelnde Feinvermeidungsverhalten gezüchteter Exemplare und das Einschleppen von Krankheiten. Sie wären zudem körperlich schlechter an das Leben in Freiheit angepasst, ihre Sterblichkeit demnach viel höher. Daher warnt auch Sutor davor, Hühner aus Volierenzucht, etwa aus Holland oder Osteuropa, auszuwildern. Grundsätzlich sei ohnehin immer das Erhalten des autochthonen Besatzes anzustreben. Dr. Francis Buner, Wissenschaftler des britischen Game and Wildlife Conservation Trust (GWCT), hat einen Leitfaden für das Auswildern von Rebhühnern entwickelt. In Revieren, in denen über zwei Paare pro Quadratkilometer vorhanden sind, sollte es grundsätzlich ausbleiben. Der bisherige Besatz könne sich noch erholen. Ob Aussetzen oder nicht, ohne vorbereitende und begleitende Hege gehe in beiden Fällen nichts, so Buner. Die Habitate müssen großflächig, gegebenfalls revierübergreifend geeignet sein oder entsprechend verbessert werden. Raubwild, Raubzeug, Krähen und Elstern sollten intensiv bejagt werden – sofern erlaubt mit Schwerpunkt im Februar bis Juni. Pro Paar müssten ein bis zwei Fütterungen vorhanden sein.

Auch Dr. Thomas Gehle ist vorsichtig optimistisch, sofern das Revier über einige Jahre richtig vorbereitet wurde. Grund zur Skepsis würden aber Beispiele aus anderen Teilen Europas geben, in denen sich kein Erfolg einstellte.

Rebhuhn
Besonders in der Brut- und Aufzuchtzeit fallen Hennen Prädatoren zum Opfer. Foto: Jens Krüger

Wie bewerten Sie die Zukunft der Rebhuhnjagd?

„Die Zukunft des Rebhuhns, und zwar nicht nur als Jagdwild, sondern generell als prägende Leitart der Feldflur, ist in Deutschland als hoffnungslos zu bezeichnen. Es ist davon auszugehen, dass es im Prinzip flächendeckend aussterben wird“, prognostiziert Dr. Spittler. Letztlich hapere es auch am flächendeckenden Engagement sowie den zeitlichen und finanziellen Mitteln im Niederwildbereich. „Die meisten Niederwildjäger haben das Rebhuhn schon abgeschrieben“, sagt auch Dr. Gehle. Projekte in der französischen Picardie
würden aber durchaus Grund zur Hoffnung geben. Dort wurden durch gezielte Hege bei konventioneller Landwirtschaft 2008 noch Brutpaardichten von bis zu 80 Paaren pro 100 ha erreicht. „Würde man im Rahmen des Greenings beispielsweise festschreiben, dass nur dann gefördert wird, wenn generell kein Saum- und Randbiotop gespritzt, gemulcht, gefräst oder gemäht wird, blieben dem Rebhuhn bis zu zehn Prozent des Offenlandes erhalten“, betont Gehle.

Auch Kay-Blum ist verhalten optimistisch: „Wir können Bereiche schaffen, um es auch in Zukunft jagdlich nutzen zu können. Dazu braucht es aber großes Engagement der Revierinhaber.“ Das Rebhuhn besitze zwar ein enormes Reproduktionspotenzial, die Weichenstellungen der EU-Agrarpolitik würden allerdings in den kommenden Jahren nicht die geeigneten Rahmenbedingungen erwarten lassen, sagt Lachenmaier und fügt hinzu: „Abgesehen von lokalen Einzelerfolgen ist keine Trendwende und somit keine jagdliche Perspektive zu erwarten. Ein Aufhalten der flächendeckenden Talfahrt wäre bereits ein Erfolg.“


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