ANZEIGE

MAGYAR VIZSLA Der Rote aus der Puszta

69317

Sehr langsam nur erobert der Ungarische Vorstehhund auch deutsche Reviere. Viele meinen, er sei zu weich. Seine Anhänger sagen, wer die intensive Führerbezogenheit zu nutzen weiß, hat den idealen Jagdgefährten. Interessant ist die Rasse auf jeden Fall, denn ihre Geschichte liest sich wie die Geschichte Europas in zwei Teilen – einem kurzhaarigen und einem drahthaarigen.

FOTOS: TONNIE NIESSING (2), CHRISTINE STEIMER

Ingeborg Caminneci
Die Anfänge des Magyar Vizslas – oder des Ungarischen Vorstehhundes, wie er offiziell genannt wird – lassen sich weit zurückverfolgen. Die großen Völkerwanderungen in Europa waren abgeschlossen, die germanischen und slawischen Stämme sesshaft geworden, als
die Magyaren 896 n. Chr. aus den Weiten der russischen Steppe über die Karpaten in
das Donaubecken strömten. Ein anonymer Schreiber des Königs Adelbert III. von Ungarn
(1235-1270) erzählt in Berichten von der Herkunft und den Wanderungen der Magyaren, und dass diese, wenn sie sich nicht der Viehzucht widmeten, traditionell ausgiebig jagten. Zu dieser Zeit besaßen sie Lagerhunde, Wachhunde, Hütehunde, Zughunde und die gelben Vizslas für die Jagd. Nach übereinstimmender Meinung ungarischer Gelehrter war es ein Vogelhund, den die Magyaren in die Ebenen Ungarns brachten. Zweifelsohne wurde dieser Ur-Vizsla mit anderen Hunderassen, auch Jagdhunden gekreuzt. Offensichtlich jedoch wurden diese Kreuzungen zurückgezüchtet, denn alle anderen Jagdhunde haben einen schwarzen Nasenschwamm, nur der des Vizslas ist fleischfarben. Damit ähnelt er sogar heute noch in der Farbe und im Haarkleid den helleren Windhunden der russischen Steppen. Mehr als ein halbes Jahrhundert später mit der Besetzung Ungarns 1526 durch die Türken waren es wieder Windhunde, die den Magyar Vizsla beeinflussten. Im Geleit
der Heerscharen befanden sich Sloughis, eine sandfarbene Windhundrasse. Sie verliehen
den bis dahin vielfach zur Wachteljagd eingesetzten Vogelhunden mehr Schnelligkeit.
Ungefähr in der Zeit von 1860 bis 1914, als der Wildbesatz und damit die  Jagdmöglichkeiten durch die zunehmende Zivilisation und Bevölkerung geschmälert wurde,
führte die ungarische Aristokratie Damwild und Fasanen ein, um den damals gefrönten
„Jagdsport“ zu verbessern. Englische und mährische Jagdherren wurden zur selben Zeit in Ungarn jagdlich heimisch. Die ausländischen Jäger brachten ihre eigenen Jagdhunde mit, die mit dem gelben Vizsla gekreuzt wurden. Aber auch ungarische Jäger und Züchter wollten durch gezieltes Einkreuzen gerade die Vorsteheigenschaften des Vizslas verbessern.
Zoltan Hamvay importierte hierfür 1880 Pointer ein anderer, Julius Barczy de Barczyhaza,
kaufte Irische Setter. Diese Hunde wurden mit Vizslas gekreuzt, die Welpen an ihre Freunde abgegeben. Diese beiden Männer führten das erste, nahezu vollständige Zuchtbuch der Vizslas. Die Nachkommen dieser Hunde sind die unmittelbaren Ahnen unserer heutigen Ungarischen Vorstehhunde. Gemeint sind damit kurzhaarige Vizslas, denn die drahthaarige Variante ist ein Produkt der neueren Geschichte. Im November 1916 wurde der österreichische Kaiser Karl I. von Habsburg zum letzten ungarischen König gekrönt (Karl IV. von Ungarn). Im gleichen Jahr rief der Vizsla-Registrator Tubo Thuroczy in dem ungarischen Jagdmagazin „Nimrod“ dazu auf, den reinblütigen Vizsla vor dem Aussterben zu retten. Thuroczy erinnerte daran, dass in der Vergangenheit in jedem
Herrschaftshaus Vizslas lebten, aber durch die Vorliebe für fremdartige Dinge, der
Hund im dritten Viertel des 19ten Jahrhunderts mit zu vielen fremden Blutlinien gekreuzt worden sei. Dieser Artikel bewirkte eine Rückbesinnung vieler ungarischer Jäger, die damals bei den englischen und deutschen Hunden nicht die Eigenschaften fanden, die bei den traditionellen Jagdbedingungen nötig sind. Viele Jäger erinnerten sich an die Lobreden ihrer Väter über die Leichtführigkeit und den sicheren Gehorsam, gerade bei der damals so beliebten Beizjagd mit dem Falken auf Wachteln und Hühner. Im selben Jahr gründete die Vereinigung ungarischer Jäger eine Abteilung für Hunde, die die Federführung bei der Rettungsaktion des Vizsla übernahm. Ab 1917 führte diese Organisation ein vorläufiges
Stammbuch ein und suchte landesweit nach Vizslas, die denen auf alten Zeichnungen
am meisten ähnelten. Keine leichte Aufgabe, befand sich Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg an der Seite des deutschen Kaisers, und viele ungarische Jäger dienten an der Front. Aber selbst der Krieg und die Wirren in den Anfängen der noch jungen ungarischen
Republik (1918) konnten die Anhänger einer gezielten Vizsla-Zucht nicht von deren Vorhaben abbringen. Am 29. Mai 1920 wurde die Vereinigung der ungarischen Magyar-Vizsla-Züchter von Dr. Kalman Polgar, Graf Laszlo Esterhazy, Elmar Petocz und ihren Freunden gegründet. Sie gelten als Gründer der heutigen Vizsla- Zucht. Doch ihr Bemühen sollte bereits drei Wochen später einen spürbaren Dämpfer erhalten. Als am 20. Juni der Vertrag von Trianon in Kraft tritt, verliert Ungarn zwei Drittel seines Staatsgebietes und ein Drittel seiner Bürger, drei Millionen Ungarn verbleiben außerhalb der Landesgrenzen.
Doch die Freunde des gelben Hundes machten engagiert weiter: Die Züchtergemeinschaft erstellte 1920 den ersten Standard und ergänzte diesen 1935. Danach wurde der Ungarische Vorstehhund (Kurzhaar) 1936 vom kynologischen Weltverband (FCI)
offiziell anerkannt. Bis zur Übernahme der Macht durch die Deutschen im Jahre 1944 waren in Ungarn 5 000 kurzhaarige Vizslas registriert.

Als Vollgebrauchshund ist der Vizsla für alle Arbeiten nach dem Schuss einzusetzen. Doch nicht seine Fähigkeiten, sondern seine Eleganz machen ihn auch bei Nichtjägern beliebt
Der Ungarische Vorstehhund wurde mehr als ein Mal mit Windhunden gekreuzt, um die Schnelligkeit zu verbessern

Während der sowjetischen Besatzungszeit in Osteuropa wurden etwa 80 Prozent der Vizslas in alle Himmelsrichtungen zerstreut. In dieser Zeit und noch bis in die 50er Jahre hinein bemühten sich die Züchter verzweifelt, die Zucht fortzuführen. Unter den vielen Ungarn, die ihr Vaterland in dieser Zeit verließen, war Jeno Dus, der letzte Vorsitzende des Magyar Vizsla Vereins. Der Legende nach vervielfältigte er vor seiner Flucht das Zuchtbuch und die Sitzungsprotokolle, vergrub die Original-Dokumente und schlug sich über die österreichische Grenze in die Freiheit durch. Die Originale sind aber bis heute nicht wieder aufgetaucht. Während der Nachkriegszeit und dem Wiederaufbau wurden viele herrenlose Vizslas von Tierfreunden aufgenommen. Aber ohne Zuchtbuch war es unmöglich, sie zu identifizieren. Eine der Bedingungen zur Aufnahme ins Zuchtbuch war ein Foto des Hundes,
das zusammen mit einer genauen Beschreibung des Tieres ins Zuchtbuch kam. Vizslas unbekannter Herkunft, die ein „sehr gutes“ Erscheinungsbild und eine „sehr gute“ Nase hatten, wurden registriert. Diese wurden wechselweise mit Hunden, die einen Stammbaum über zwei bis drei Generationen nachweisen konnten, eingekreuzt und dann wiederum mit einem Hund unbekannter Abstammung. Die Welpen wurden genauestens beobachtet.
Konnte in einem Wurf kein rassenfremder Bluteinschlag bemerkt werden, wurden die Elterntiere direkt ins Zuchtbuch aufgenommen. Die Welpen wurden ebenfalls registriert. So entstand die Grundlage für die heutigen Vizslas. Parallel zu den Bemühungen, den kurzhaarigen Vizsla in seiner Reinform zu erhalten, entwickelte sich Mitte der 30er Jahre
des letzten Jahrhunderts bei einigen Züchtern der Wunsch, Hunde mit etwas mehr Härte zu züchten, ohne dabei die so typische wie außergewöhnliche Färbung des Vizslas zu verlieren. In Folge dessen wurden drahthaarige Deutsche Vorstehhunde mit den Ungarischen Vorstehhunden gepaart. Den Kreuzungen folgten bald Reinzuchten sowohl in Ungarn als auch in der damaligen Tschechoslowakei. In Österreich bildete sich schon Mitte der 50er Jahre eine interessierte Anhängerschaft. Sie importierten von 1955 bis 1957 die ersten fünf drahthaarigen Magyar Vizslas in den Westen und gründeten 1962 unter der Federführung von Baron Albert Stefan von Bornemissza einen eigenen Rasseklub. In seinem Zwinger fiel 1957 auch der erste reine drahthaarige Wurf ungarischer Vorstehhunde. In der Zeit von 1973 bis 1978 wurden sechs drahthaarige Vizslas nach Deutschland importiert – einer aus Österreich und die anderen aus dem Ursprungsland Ungarn. Die deutsche Zucht baut sich im Wesentlichen auf drei so genannte Pilotprojekte auf, die durch die Initiative vom Gründer des Vereins, Josef Rauwolf, genehmigt wurden. Eine Ungarisch-Kurzhaarhündin aus Italien wurde von dem DD-Rüden „Attila vom Nüchler Dörn“ belegt. Durch weitere Importe aus der Slowakei und Ungarn entstand in Verbindung mit diesen Hunden die Zuchtbasis in Deutschland. Zu diesem Zeitpunkt war die Drahthaar-Variante bereits als eigene Rasse vom FCI anerkannt. Der internationale Kynologen-Verband nahm 1963 den drahthaarigen Magyar Vizsla auf. Man hatte also mit Erfolg einen
Vorstehhund herausgezüchtet, der durch seine Jacke widerstandsfähig gegen Kälte und Wasser ist. Wobei die gewünschten Eigenschaften des ursprünglich kurzhaarigen Vizslas erhalten blieben. Damit sind nicht nur das Exterieur, sondern vor allem seine  Wesenseigenschaften gemeint. Was war wohl nun der Inhalt dieser Lobreden über den Vizsla, den die Altforderen ihren Söhnen übermittelt hatten? Warum hielten gerade die Adligen und Bessergestellten diese Hunderasse und überließen sie nicht, wie gewohnt den Bediensteten? Warum erwarb Königin Elena von Italien zwei Vizslas, ebenso Kardinal Pacelli, der noch mit ihnen jagte, als er Papst Pius XII. geworden war. Auch Louis II., Prinz
von Monaco, erwarb zwei Vizslas. Der Rüde gewann den ersten Preis bei der  internationalen Rivierasuche 1938, und die Hündin wurde die Beste bei einer Pariser
Ausstellung der Gebrauchshunde 1939. Wir können heute nur vermuten, welche Gründe es gab. Wer jedoch einmal mit einem Vizsla gejagt hat, ihn kennt oder nur bei der ihm eigenen Jagdausübung beobachtet hat, kann sich schon denken, worum es bei diesen Überlieferungen ging. Es ist bestimmt nicht nur seine elegante, ansprechende Erscheinung und seine Ausstrahlung, wenn die bernsteinfarbenen Seher hingebungsvoll seinen Führer anäugen. Es ist auch bestimmt nicht seine perfekte Veranlagung zum Vorstehen oder seine
hervorragende Nase. Es kann auch nicht seine Freude an der schnellen Suche oder sein ausgeprägter Finderwille sein. Die ihm angewölfte Apportierfreudigkeit und seine schnelle Auffassungsgabe werden auch nicht die Gründe für diese Aussagen gewesen sein, denn das sind Eigenschaften, die auch andere kontinentale Vorstehhunde vorzuweisen haben.
Der Vizsla besitzt einen fast angewölften Gehorsam, und bei entsprechender Zuwendung
schließt er sich seinem Führer bedingungslos an. Seine Anhänglichkeit und enge Bindung zum Führer sorgen dafür, dass er mit ständiger Anlehnung an seinen Herrn jagt und durch ständigen Blickkontakt sich problemlos mit Handzeichen führen lässt. Er zeigt oft ein ausgesprochen körperliches Kontaktbedürfnis, das sogar manchmal fast etwas aufdringlich wirken kann. Er ist ein sehr intelligenter, neugieriger und lernwilliger Partner. Und daher
muss man, um einen Vizsla führen zu können zu der bedingungslosen Partnerschaft
Hund-Mensch bereit sein. Der Vizsla ist ein Hund, der unbedingt die Familienzugehörigkeit fühlen und erleben will, nur dann kann er seine außergewöhnlichen Fähigkeiten entwickeln. Wird mit ihm gearbeitet, wird er beschäftigt, so macht ihn seine Unterordnungsbereitschaft
bei Aufzucht und Ausbildung lernwillig und leichtführig.

Das Vorstehen vor Federwild in vollkommener Anspannung
Der große Führerbindung des Magyar Vizslas übertrifft die anderer Rassen deutlich. Wer sie zu nutzen weiß, kann einen zuverlässigen und leicht führigen Jagdhund herausbilden

Das ist auch der Grund, warum der Vizsla vielleicht den Ruf hat, zu sensibel zu sein. Er ist nun mal empfindlich gegenüber jedweder Art von grober Behandlung, grobem Zwang oder Schlägen. Man benötigt dererlei normalerweise auch nicht bei seiner Erziehung und Ausbildung, denn er fordert von seinem Führer bei der Ausbildung nicht Härte, sondern deutliche Führungshinweise und Konsequenz in der Ausbildung. Keine  Jagdhundeausbildung ist ohne gewissen Druck erfolgreich, aber der ungarische Vorstehhund vermerkt sehr schnell positiv, wenn nach Abschluss einer intensiv absolvierten Arbeitslektion Lob gespendet wird oder eine spielerische Pause folgt. Man muss diese Hunderasse sehr früh an seine spätere Aufgabe heranführen. Der Magyar Vizsla ist kein Draufgänger, sondern zeigt seinem Führer an, wenn ihm irgendetwas nicht ganz geheuer ist. Dann muss man ihn mit der für ihn fremden Sache spielerisch vertraut machen und eine positive Verknüpfung herstellen. Die Frühprägung der Welpen ist beim Vizsla unbedingt erforderlich. Wenn man sich diese Zeit nimmt und ganz gezielt im Welpenalter
mit ihm beginnt zu arbeiten, hat man später einen Jagdhund und Kameraden,
auf den absoluter Verlass ist.

Der Vizsla verfügt von seinen Erbanlagen her über ausreichend Wildschärfe sowie auch eine gewisse Schärfe im Rahmen seiner Beschützerinstinkte, aber sucht man einen ausgesprochen scharfen Hund, sollte man auf andere Hunderassen zurückgreifen.
Die absolute Stärke des Vizslas im jagdlichen Gebrauch ist seine Zuverlässigkeit. Eine
ständige Führernähe, die einem das beruhigende Gefühl gibt, dass nach der Jagd der Hund wieder bei einem ist, und nicht mühsam im Nachbarrevier gesucht werden muss. Bei unseren „bevölkerten“ Revieren mit vielen stark frequentieren Straßen, die oft ein Verhängnis für weit jagende Hunde sein können, kann man stressfrei jagen und die Arbeit seines Hundes genießen, weil er nicht als Fernaufklärer unterwegs ist. Klar war er früher der reine Vogelhund und der Begleiter der Falkner, die mit dem Beizvogel auf der Hand zu Pferde jagten und den Vizsla als Begleiter nicht missen wollten. Durch gezielte Zuchtauslese seit Gründung des Vereins Ungarischer Vorstehhunde ist es gelungen, heute einen vollwertigen Vorstehhund für alle Aufgaben zu züchten und weiterzuentwickeln.
Seine Stärken liegen mit Sicherheit in seiner Ruhe und Leistungsbereitschaft und eben dieser unabdingbaren Führerbezogenheit. Aber als Führer eines Magyar Vizslas muss man unbedingt zur der kompromisslosen Partnerschaft Führer-Hund stehen, sonst kann er seine Fähigkeiten nicht voll entfalten.


ANZEIGE
Aboangebot