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Mein Limesbock

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AUS DEM WILD UND HUND-TESTREVIER
Die Gehörne sind zurück von der Trophäenschau und werden den Erlegern innerhalb der Redaktion übergeben. Auch ich bekomme den Bock zurück, der mir meine bisher aufregendste Jagd bescherte. Ingo Tesch

So begann die Blattjagd im Buchenjungbestand – minimal getarnt, aber gut ausgestattet auf einer Rückegasse. Fotos: Ingo Tesch

Er zieht spitz durch den dichten Buchenbestand auf mich zu. Deutlich über Lauscher sehe ich seine Stangen nur kurz aufblitzen. Die Waffe steht an den Baum gelehnt, das Glas hängt um meinen Hals, und die Videokamera ist auf dem Pirschstock montiert. Wonach greifen? Ich entscheide mich für das Fernglas. Bereits als ich es anhebe, springt der Bock ab. Vom ersten Fiepen bis zu meinem erstaunten Glotzen dauerte die Situation nur wenige Sekunden. Es war das erste Mal, dass ich vom Boden aus geblattet hatte. Auf solch eine Geschwindigkeit war ich nicht vorbereitet. Er musste in unmittelbarer Nähe des Limes gestanden haben, keine 150 Schritt von meinem improvisierten Schirm entfernt. Der römische Grenzwall verläuft hier mitten durch den Bestand und ist heute kaum noch als historische Grenze auszumachen. Die vielen Plätzstellen hatten mich hierher geführt.
Fasziniert von diesem Erlebnis, der Energie und den scharfen Sinnen dieses Bocks, widmete ich die folgenden zehn Tage, meine gesamte Freizeit, der Jagd auf ihn. Ich wollte es besser machen.
In dem Buchenbestand blatte ich noch fünfmal an derselben Stelle. Zweimal springt er, aber beide Male ist er schlauer als ich. Einmal stehe ich bereits 40 Minuten. Ich lehne an einem Brennholzstapel, als ein Stück auf 50 Schritt schnell anwechselt. Obwohl ich hinter dem Schirm stehe, bekommt es mit, wie ich nach der Büchse greife, und sucht sein Heil in der Flucht. Ein andermal verhofft der Bock hinter einem Baum, als ich bereits in Anschlag bin. Für eine gefühlte Ewigkeit bewegt er sich keinen Zentimeter. Das verleitet mich dazu, ein wenig nach links zu rutschen. Das hält er nicht aus: Er sucht das Weite. Dabei kann ich seinen Hauptschmuck bewundern und die folgenden Nächte schlecht schlafen.
Entnervt versuche ich es an anderen Stellen. Jetzt mit neuer Taktik – ohne Glas, ohne Videokamera. Ansprechen nun direkt durch das Zielfernrohr. Aber aufs Blatten springen dort nur junge Zukunftsböcke, die unbedarft anwechseln und einfache Beute gewesen wären. In der Hochbrunft, rund um den 4. August, lässt sich kein Bock mehr locken. Aber ich bin mir sicher, dass der Gesuchte seine Brunft immer noch in

Von einem Kollegen mit diesem tragbaren Schirm ausgerüstet, war endlich der perfekte Platz vorm Waldrand gefunden. Foto: Ingo Tesch
Ansitzplatz in einem alten Heuschuppen, von dem aus sich die lange Seite des Einstands am Limes uüberblicken lässt. Foto Ingo Tesch

dem neun Hektar kleinen Waldstück am Limes genießt. Dort suche ich ihn an den angrenzenden Feldflächen. In einem alten Schuppen, von dem ich die lange Waldkante des Bestandes beobachten kann, beziehe ich Stellung. Im Vorbeifahren hatte ich hier zwei Böcke in der späten Dämmerung treiben sehen. Ansprechen war nicht möglich. Nur dass beide deutlich über Lauscher hoch auf hatten, war zu erkennen. Schon beim ersten Ansitz kommen auf 150 Meter eine Ricke mit ihren beiden Kitzen und kurz darauf ein Bock in Anblick. Ob es der Gesuchte ist? Sie ziehen am Waldrand entlang. Das Fadenkreuz liegt auf dem Blatt eines starken Sechsers. Aber mit meinem 6-fach-Glas will ich den Schuss auf die Entfernung nicht riskieren. „Ich muss näher ran“, beschließe ich.
Fünf Meter vom Waldrand ist ein zugewachsener Weg. Dort baue ich am nächsten Tag in der Mittagspause meinen Schirm auf, damit ich am Abend unbemerkt zum Ansitz gelange. Zur gleichen Zeit wie am Vorabend wechseln die beiden Kitze über den Weg aufs Feld, und ich weiß genau, es kann sich nur noch um Minuten handeln, bis Ricke und Bock folgen. Also mache ich mich fertig und warte. Es raschelt links im Bestand, mein Puls geht ins Unermessliche. Da kommt ein Traktor aufs Feld gefahren, und die beiden Kitze springen ab.
Es ist Donnerstag, der 9. August. Meine Kollegen, die mittlerweile fast alle einen Mehrjährigen erlegt haben, nennen mich schon neckisch spottend „Blattjagd-Ingo“. Ich entschließe mich, es am Freitagmorgen ein letztes Mal zu versuchen. Zur Dämmerung sitze ich wieder im Schirm des Vorabends, aber der Wind bläst stark, und kein Wild zieht aus. Also beschließe ich, ein letztes Mal meinen Rottumtaler zum Einsatz zu bringen. Ich pirsche an den Ort, an dem am 31. Juli alles begann. Diesmal ohne Schirm, ohne Kamera, ohne Glas. Nur mit Büchse und Pirschstock. Ich setze mich auf einen Stubben und fange an zu blatten. Schon nach zehn Minuten huscht ein braunes Etwas durch die armstarken Buchen.
Das Gewehr liegt bereits in der Gabel des Pirschstocks, und ich verfolge die Bewegung durch das Zielfernrohr. Für Sekundenbruchteile sehe ich den starken Wildkörper. Es ist ein Sechser, deutlich über Lauscher, kein Junger. Als er mit dem Haupt hinter einem Stamm auf 30 Meter verhofft, habe ich mich bereits entschieden.

Endlich Waidmannsheil: der Autor und sein Limesbock Foto: Ingo Tesch

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