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Hirsche als Helfer – Interview mit Gunther Brinkmann

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Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr untersteht den Bundesforsten. WILD UND HUND sprach mit dem Leiter GUNTHER BRINKMANN über den Umgang mit dem Rotwild.

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Gunther Brinkmann: Direktor und Leiter des Geschäftsbereichs „Bundesforst“ bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in Bonn, Jahrgag 1957.
WuH: Welche Motivation hatte der Bundesforst, dem Rotwild in Grafenwöhr in Form einer Telemetriestudie so viel Aufmerksamkeit zu schenken?
Brinkmann: Als Bundesforstverwaltung haben wir auf Truppenübungsplätzen wie Grafenwöhr die Aufgabe, Wald und Offenland für die Erfordernisse der militärischen Nutzung naturnah zu gestalten. Dabei beziehen wir das Rotwild als Charakterart dieser Landschaft in unsere Naturraumgestaltung ein. Um die Verjüngung und Erhaltung naturnaher Wälder auch im Hinblick auf betriebswirtschaftliche Aspekte sicher zu stellen, müssen wir dabei das Verhalten des Rotwildes berücksichtigen, sonst kann es sehr kostenaufwändig werden.
WuH: Haben die Forschungsergebnisse dafür neue Erkenntnisse geliefert?
Brinkmann: Ja, zum Beispiel, dass Rotwild unerwartet kleine Streifgebiete bewohnt, die es auch nach Störungen in kurzer Zeit wieder aufsucht. Das bedeutet: Um Waldkomplexe planmäßig natürlich zu verjüngen, reicht es, den Wildbestand auf begrenztem Raum und eben nicht auf großer Fläche vorübergehend stärker zu reduzieren. Dazu kann die jeweilige Gebundenheit an Wald oder Offenland für die Waldbewirtschaftung nutzbar gemacht werden, indem man die Raumnutzung des Rotwildes durch kluge Bejagungsstrategien gezielt lenkt. Rotwild in der Offenlandschaft ist auf Truppenübungsplätzen sehr willkommen.
WuH: Im Bericht heißt es, die Ergebnisse würden innerhalb der Bundesforste aufbereitet und diskutiert. Wie sah das aus?
Brinkmann: Nach Auswertung der Untersuchungsergebnisse habe ich alle Kollegen, die für das Bejagen größerer Rotwildbestände verantwortlich sind, zu einem dreitägigen Symposium in Grafenwöhr zusammengerufen. Dort wurden die Ergebnisse durch Herrn Maushake, seine Kollegen und die verantwortlichen Wissenschaftler dargestellt und in der Runde diskutiert. „Wild auf Verjüngung“ war der Arbeitstitel der Tagung. Das spiegelt wider, dass für uns die Bejagung des Rotwildes im Kontext der Landschaftsgestaltung, der Waldbewirtschaftung und insbesondere der Waldverjüngung steht. Wir nehmen eine ganzheitliche Betrachtung vor.
WuH: Kritiker monieren immer wieder, dass die Gegebenheiten von Grafenwöhr ja nicht auf andere Gebiete übertragbar seien. Haben Sie auch das intern diskutiert?
Brinkmann: Die Erkenntnisse der Telemetriestudie sind tatsächlich nicht „eins zu eins“ von Grafenwöhr auf die übrigen Truppenübungsplätze mit Rotwild zu übertragen. Die Herausforderung besteht darin, Gesetzmäßigkeiten im Verhalten des Rotwildes zu erkennen. Diese lassen sich dann sehr wohl auf die spezifischen Verhältnisse anderer Regionen übertragen und in adäquate Jagdstrategien umsetzen, was ich auch von meinen Betriebsleitern erwarte. Sie können sich vorstellen, dass wir diese Thematik sehr engagiert diskutiert haben!
WuH: Mit der Herangehensweise, Rotwild weniger als Schad- denn als steuer- und nutzbaren Einflussfaktor zu betrachten und zu managen, übernehmen die Bundesforste eine Pionierrolle in der Forstwirtschaft. Sie sehen Rotwild durchaus auch als einen Akteur im Kontext des Naturschutzes.
Brinkmann: Der Bundesforst betreut unter anderem großräumige, ökologisch sehr wertvolle Naturlandschaften auf Truppenübungsplätzen in ganz Deutschland. Neben der naturnahen Waldbewirtschaftung geht es darum, strukturreiche Offenlandschaften zu erhalten, die oft auch NATURA2000-Gebiete sind. So kommt der Rothirsch auf einigen Flächen des Nationalen Naturerbes vor. Er kann uns unterstützen, denn diese Landschaften sind seine ursprünglichen Lebensräume. Im Naturschutz wird die Offenhaltung von Flächen manchmal mit Maschinen und unter hohem Kostenaufwand betrieben. Auch gibt es zahlreiche Projekte mit Großvieharten. Uns interessiert, ob das nicht auch das heimische Rotwild schaffen könnte. Das funktioniert freilich nur dann, wenn wir die natürlichen Bedürfnisse dieser Wildart kennen und berücksichtigen, ihre Lebensraumnutzung durch intelligente Jagdstrategien konsequent lenken und in ein ganzheitliches Naturraummangement integrieren.
Bundesforst:
Der Geschäftsbereich „Bundesforst“ an der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben bewirtschaftet und betreut rund 590 000 Hektar Geländeliegenschaften in ganz Deutschland. Davon sind etwa 500 000 Hektar Bundesliegenschaften, überwiegend militärisch genutztes Gelände. Die übrigen 90 000 Hektar sind Liegenschaften des Nationalen Naturerbes, die sich zu großen Teilen in Fremdbesitz befinden (Deutsche Bundesstiftung Umwelt, DBU).
Die Bundesforste betreuen diese Flächen naturschutzfachlich. Die Gesamtfläche unter Betreuung der Bundesforste besteht aus rund 360 000 Hektar Wald und 230 000 Hekar Offenland und Wasserflächen. Auf ungefähr 250 000 Hektar kommt Rotwild vor.
vk

 

 

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