Die Berichte über Linsenvorfälle vor allem bei Terriern häufen sich. Anlaß genug, diese Krankheit einmal genauer zu beleuchten.
Krähen apportieren, Füchse sprengen, Sauen aus der Dickung bringen – der Jagdterrier kann alles. Doch einen Schwachpunkt haben die kleinen Rabauken: Die Aufhängefasern ihrer Linsen sind manchmal zu schwach |
von Dr. Stephan Neumann
Vererbbare Krankheiten sind das Grauen jeder Zucht; denn oft sind es gerade bestimmte Zuchtziele, wie Wuchs oder Statur, die mit ungewollten Eigenschaften wie HD oder anderen Erbkrankheiten gepaart sind.
Neben einigen altbekannten Krankheiten, werden durch eine verbesserte Zuchtüberwachung immer mehr neue Krankheiten entdeckt, die erblich sind oder die in dem Verdacht stehen, vererbt zu werden. Diese müssen früh erkannt und durch eine gezielte Selektion ausgemerzt werden, bevor sie im Erbgut der Linie fest verankert sind.
Eine Erbkrankheit, die besonders bei Terriern an Bedeutung gewinnt, ist die Linsenluxation (LL).
Der Weg des Lichts durchs Auge
Die Linse ist bekanntlich ein Teil der Augen. Sie ermöglicht das Scharfsehen. Vergleichbar mit der Linse in einer Kamera, bündelt sie das in das Auge einfallende Licht, um auf der Netzhaut ein scharfes Bild zu erzeugen.
Um die Bedeutung der Linse besser einschätzen zu können, wollen wir den Weg des Lichts durch das Auge verfolgen. Nach außen wird das Auge von der durchsichtigen Hornhaut begrenzt. Ihr folgt nach innen die vordere Augenkammer, ein mit klarer Flüssigkeit gefüllter Raum.
Die hintere Begrenzung der vorderen Augenkammer ist die Linse. Auf ihr liegt die sogenannte Iris oder Regenbogenhaut. Beide zusammen bilden die Pupille, durch die das einfallende Licht gebündelt wird. Der Linse schließt sich der Glaskörper an, über den das Licht auf die Netzhaut gelangt.
Manche Terrier neigen zum Linsenvorfall
Die Linse wird durch Fasern, die sie fest mit dem Augapfel verankern, in ihrer Lage gehalten. Dies ist in zweierlei Hinsicht sinnvoll.
Zum einen ist das scharfe Sehen nur möglich, wenn der Abstand zwischen der Linse und der Netzhaut immer der gleiche ist. Zum anderen kann eine verlagerte Linse den Abfluss des Kammerwassers, das zwischen den Aufhängefasern der Linse gebildet wird, verhindern.
Die Folge wäre ein erhöhter Druck im Auge, ein Phänomen, das auch als „Grüner Star“ bekannt ist.
Zerreißen die Aufhängefasern der Linse, dann wird diese nicht mehr in ihrer Lage gehalten. Nun sprechen wir von einer Linsenluxation. Der häufigste Grund dafür ist ein Unfall. Besonders Autounfälle, aber auch heftige Auseinandersetzungen mit wehrhaftem Wild können derartige Folgen haben.
Unglücklicherweise wird bei den Terriern immer wieder eine angeborene Schwäche der Aufhängefasern beobachtet. Und damit können schon vergleichsweise harmlose Unfälle zu einer Verlagerung der Linse führen.
Kleiner Unfall
Die gefährlichste Komplikation nach einer Verlagerung der Linse ist ein Austritt des sogenannten Kammerwassers, der Flüssigkeit, die sich in der vorderen Augenkammer befindet.
Der Druckanstieg in der vorderen Augenkammer ist ausgesprochen schmerzhaft und führt innerhalb weniger Tage zur Erblindung des Vierläufers. Für den Hundeführer ist die Luxation kaum zu erkennen, wohl aber die Folgen des Druckanstieges. Die Terrier zeigen sich lichtscheu, haben einen starken Tränenfluss und tun sich schwer, ihre Augenlider überhaupt zu öffnen.
Eine sichere Diagnose kann aber nur der Tierarzt mit Hilfe von Spezialinstrumenten stellen.
Eine Schwäche der Aufhängefasern der Linse ist vererbbar und damit auch die Neigung zur Linsenluxation. Diese Vererbung ist jedoch nicht „direkt“, sie erfolgt also in der Regel nicht von einer Generation auf die andere (z. B. Hündin an ihre Welpen).
Es ist aber durchaus möglich, dass z. B. ein bestimmter Hund den Fehler seiner Großeltern weiter vererbt. Es ist deshalb besondere Vorsicht und eine Überprüfung der Vorfahren geboten, wenn man eine Erkrankung des eigenen Hundes vermeiden will.
Was getan werden kann, um die Neigung zur Linsenluxation speziell bei den Terriern einzudämmen, ist allen verantwortungsbewussten Zuchtverbänden bekannt. Solche Erbfehler kann man nur über konsequente Selektionszucht über viele Generationen bekämpfen.
Es gibt vergleichbare Beispiele – wie bei der Hüftgelenksdysplasie (HD) – die belegen, dass man nur durch Ehrlichkeit und strikte Kontrolle erfolgreich versuchen kann, eine Linie von Erbkrankheiten zu befreien. Voraussetzung hierfür ist zunächst die konsequente Dokumentation aller auftretenden Fälle, ohne jede Beschönigungen.
Sind die Vererber erkannt, müssen sie in jedem Fall – auch wenn sie Spitzenleistungen bringen – von der Zucht ausgeschlossen werden, was jeder verantwortungsbewusste Züchter sicherlich ohne Zögern tun wird.
Man sollte sich jedoch nicht der Illusion hingeben, die Linsenluxation auf diesem Wege mit Sicherheit für alle Zeit ausmerzen zu können. Wie das Beispiel der HD zeigt, kann auch bei großer Sorgfalt der Züchter nur eine Reduktion erreicht werden, wahrscheinlich aber keine hundertprozentige Tilgung.
Aber steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein, und nur das liebevolle Bemühen kann den Terriern und letztlich auch den Jägern eine Hilfe sein.