Das außergewöhnliche Geruchsvermögen der vierläufigen Jagdhelfer ist eine besondere Betrachtung wert.
Mittels ihrer feinen Nase sind nicht nur Schweißhunde in der Lage, aus unserer Perspektive „Übermenschliches“ wahrzunehmen und zu leisten |
Von Gerd Schmucker
Der Mensch fühlt sich keinem Tier so verbunden wie dem Hund. In allen Teilen der Erde hat er sich das gelehrige Tier für seine ganz persönlichen Bedürfnisse dienstbar gemacht und lebt mit ihm zusammen. Der Mensch kennt aber von seinem vierläufigen Gefährten lediglich gewisse Eigenschaften, seinem eigentlichen „Innenleben“ ist er selbst im Laufe von Jahrhunderten nur recht bedingt nähergekommen. Dabei ist besonders das außergewöhnliche Geruchsvermögen der Hunde es wert, einmal näher unter die Lupe genommen zu werden.
Viele Tiere, die man von einem bestimmten Standort weggebracht hat, versuchen durch ihren Orientierungs- oder Richtungssinn wieder zurückzufinden. Beim Hund beruht die Fähigkeit des Sich-Zurecht-Findens auf seinem außerordentlich feinen Geruchssinn. Das überfeine Geruchsorgan des Hundes ermöglicht es ihm, sich an bestimmten Wittrungen noch nach Tagen zu orientieren.
Das Auge ist des Menschen vollkommenstes Sinnesorgan. Es nimmt ständig Bilder auf und vermittelt diese dem Sehnerv. Wir nehmen ohne Mühe gleichzeitig eine Menge Farben in allen ihren Abstufungen wahr und beurteilen danach, was wir sehen oder wo wir uns befinden. Ähnlich müssen wir uns die Anwendung des Geruchssinnes beim Hund vorstellen.
Der Hund zergliedert Gesamtgerüche in eine Vielzahl von Einzelwahrnehmungen verschiedenster Geruchsstoffe. Unsere Nase ist für solche Wahrnehmungen nicht geeignet. Der Hund riecht gewissermaßen in Bildern, die der Geruchsnerv in seinem Gehirn so zerlegt wie die Augen des Menschen das von ihm optisch Erfasste.
Der Mensch ist in der Lage, (durch seine Augen) optisch Wahrgenommenes vor seinem geistigen Auge zu reproduzieren. Der Geruchssinn des Hundes übertrifft diese Möglichkeit der Vergegenwärtigung bei weitem. Er empfindet Geruchseindrücke auf Entfernungen, in die unser Sehvermögen nicht reicht. Er sieht sozusagen von einem bestimmten Standort aus kraft seiner Nase durch Wände und Wälder, über Berge und Städte.
Man ist davon überzeugt, dass er auch gelernt hat, Gerüche auf ihre jeweilige Entfernung abzuschätzen, so wie der Mensch durch seinen Gesichtssinn Weiten und Entfernungen einzuschätzen vermag. Für einen Hund ist ein für ihn fremder Ort nicht unbedingt ein Buch mit sieben Siegeln. Er vermag dort gegebenenfalls durch Geruchseindrücke Ortungen vorzunehmen, die für die Augen des Menschen nicht möglich sind. Jede Gegend hat einen anderen Geruch, den selbst wir Menschen gelegentlich riechen – wie einen Wald, einen Sumpf oder die Abgase im Straßenverkehr.
Wird ein Hund in einem lichtundurchlässigen Behälter viele Kilometer von seiner Heimat fortgebracht, so benimmt er sich danach in der Regel folgendermaßen:
Er umkreist in weiter werdenden Bögen den Platz, an dem er freigelassen wurde. Dabei senkt er den Kopf zur Erde, nimmt dann wieder die Nase hoch, holt sich Wind, ortet etwas Bestimmtes und läuft dann „der Nase nach“ seinem Heimatstandort zu. Ihm ist das Umfeld nicht so unbekannt, wie es uns ergehen würde, wenn wir zum erstenmal in eine fremde Gegend kommen. Man stelle sich das Abgelaufene folgendermaßen vor:
Der Vierläufer benutzte schon während der Fahrt seine feine Nase. Mit ihr nahm er unterbewusst wahr, wie die ortsständigen Düfte schwanden und durch andere ersetzt wurden. Diese „gestaffelten“ Wahrnehmungen ließen ihn nach der Befreiung in umgekehrter Reihenfolge den zuvor gewonnenen Geruchsempfindungen nacheilen. Viele hierüber angestellten Versuche belegen diese Tatsache.
Wie der Blinde von der Farbe…
Ähnlich ungegenständlich wie ein Blinder dem Begriff der Farbe gegenübersteht, begegnen wir dem Rätsel des Geruchssinnes beim Hund. Ein Mensch kann den Verlust seines Riechvermögens ohne besondere Probleme ertragen. Beim Hund sieht das ganz gravierend anders aus. Verliert er seinen Geruchssinn, dann verändert sich sein Wesen. Er ist nicht mehr er selbst, wird desinteressiert und apathisch.
Was eine Hundenase als reizvoll und begehrenswert empfindet, ist für die Menschennase oft geradezu abstoßend – und sicher auch umgekehrt. Denken wir zum Beispiel nur an Parfum oder Aas. Über die Behauptung, ein Hund sei in der Lage, den nahenden Tod z. B. eines Familienmitglieds vorauszuempfinden, wird kontrovers diskutiert und ist schon viel Tinte vergossen worden.
Fest steht, dass manche Hunde tatsächlich ihr Verhalten ändern, wenn ein Lebenslicht zur Neige geht. Er scheint tief traurig zu sein, heult in der Nacht, nähert sich dem Sterbenden nur ungern und schleicht mit eingeklemmter Rute baldmöglichst wieder davon. Offensichtlich vermittelt ihm sein empfindliches Geruchsorgan Ausdünstungen, die dem Ende eines Lebens vorausgehen.
Man kennt auch Schilderungen von Begebenheiten, bei denen Hunde ihrem toten Herrn bis auf das Grab folgten. Sie blieben dort in fast grenzenloser Anhänglichkeit bis sie eingingen. In solchen Fällen ist die Bindung an eine Person stärker als der Selbsterhaltungstrieb.
Welche Bedeutung man der Tatsache beimisst, dass manche Hunde auf bestimmte Menschen auffällig aggressiv oder sehr zutraulich reagieren, bleibt offen. Aber manchen Personen scheinen individuelle, unterschiedliche Reaktionen auslösende Duftnoten anzuhaften, die sicher nicht durch Geruch von guter oder schlechter Kleidung ausgehen.