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Schönschrift statt Sauklaue

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Die Nachsuche auf krankes Wild ist eine Aufgabe, für die es viel Vorbereitung und Erfahrung braucht. Wie eine Fährte sauber und konzentriert gearbeitet wird, durften WuH-Bande-Terrier „Otto“ und sein Führer auf einem Seminar der Schweißhundestation Südschwarzwald erfahren. – Michael Woisetschläger

„Eine einfache Totsuche kann fast jeder Hund“, so hört man es bei vielen Jägerstammtischen. Doch was ist, wenn es komplizierter wird? Um auch komplexere Zusammenhänge bei der Nachsuche deuten und seinen Hund lesen zu können, ist intensives Üben und Wissen um das eigene Können und das des Vierläufers notwendig. Was riecht der Hund auf der Fährte? Jeder Schritt des Wildes oder Abruck des Fährtenschuhs erzeugt eine Bodenverwundung – ganz gleich,

Hund Otto
Foto: Lisa Buck

ob diese auf feuchtem Boden gut sichtbar oder auf trockenem Boden mit dem bloßen Auge kaum wahrnehmbar ist. Es werden winzige Pflanzen zerdrückt, deren Säfte einen Geruch verströmen. Mikroorganismen beginnen mit der Zersetzung, das Erdreich wird minimal aufgewühlt. Den Geruch eines gepflügten Ackers kennt jeder. Eine Bodenverwundung wird vom Vierläufer ähnlich wahrgenommen. Ein weiteres Geruchsmerkmal sind die Trittsiegel: Die Zwischenklauendrüsen beim Schalenwild sondern Duftstoffe ab und geben Auskunft über das Wohlbefinden des Stückes – gesund oder krank? Diese Informationen erfährt die Hundenase im Handumdrehen. Auch die Individualwittrung jedes Stückes ist verschieden – ist der Vierläufer erst einmal auf der Fährte und kreuzt diese eine andere, kann er wohl entscheiden, welche die ursprüngliche Zielfährte ist, und dieser bis zum Ende folgen. Auch Pirschzeichen sind ein wichtiger Hinweis, obwohl diese als Bestätigung für den Hundeführer wichtiger sind als für den vierläufigen Helfer. Das A und O der Fährtenarbeit ist das Üben. Nach den ersten Anfängen mit Futter- oder Wildschleppen, die schon im Welpenalter spielerisch geübt werden können und stets mit einer positiven Belohnung, wie Futter oder einem begehrten Spielobjekt, am Schleppenende abgeschlossen werden, geht es zur Kunstfährte. Das Handwerkszeug des Hundeführers zur Fährtenarbeit ist überschaubar. Benötigt werden:

  • Schweißleine
  • 
Schweißhalsung oder Geschirr
  • ein Paar Fährtenschuhe
  • Spritzflasche
  • Wildschweiß
  • Markierungsband oder Kreide
Weimaraner
Der Weimaraner-Rüde war an der Schweißhalsung zunächst zu heftig. Mit Geschirr und Nierenschlaufe lernte er, dass auch langsames Suchen zum Erfolg führt. Foto: Lisa Buck

Mit dem Fährtenschuh, einem Paar Schalen vom Schwarz-, Rot- oder Damwild, werden dann zunächst einfache gerade Fährten getreten und mit der Spritzflasche Schweiß getropft. „Wichtig ist, dass der Fährtenverlauf genau markiert wird“, erläutert Seminarleiter Stefan Mayer. „Nur wenn der Beim Anlegen einer Fährte werden verschiedenste Gerüche freigesetzt, die vom Vierläufer wahrgenommen werden. Die vom Wind verwehte menschliche Duftwolke kann dazu führen, dass der Hund zwar vermeintlich dem Fährtenverlauf folgt, aber nicht wie gewünscht sauber die Schalenabdrücke arbeitet. Hundeführer genau weiß, wo er Stunden oder am Tag zuvor entlanggegangen ist, kann er seinen Vierläufer auch lesen lernen oder korrigierend eingreifen.“ Bei der Markierung greifen die Experten der Schweißhundestation Südschwarzwald zu Straßenmalkreide für Kinder. „Am besten benutzt man die dicken Jumbokreiden, die in jedem Supermarkt mit Spielzeugabteilung für kleines Geld erhältlich sind“, erklärt Hubert Kapp. Damit werden die Bäume markiert, an denen die Fährte vorbei führt. Je exakter der Hundeführer dem gelegten Verlauf folgen kann, desto besser kann er beim Nacharbeiten mit dem Hund erkennen, ob dieser auf oder neben der Fährte arbeitet. Der Vierläufer soll sich fast ausschließlich auf die Fährtenschuhabdrücke konzentrieren und nicht die anderen Hilfestellungen wie menschliche Gerüche nutzen. So lernt er sozusagen die Schönschrift. „Fährtenarbeit ist ein Gehorsamsfach“, sagt Stefan Mayer. „Unsere Vierläufer erkennen doch genau, dass wir selbst die Fährte getreten haben und es sich um eine Übung handelt, bei der es nicht hinter einem Stück Wild hergeht.“ Das saubere Ausarbeiten ist somit auch eine Frage des Gehorsams. Am Ende sollte daher auch stets eine zum Hund passende Belohnung stehen. Für den einen ist es der besonders schmackhafte Leckerbissen, für den anderen das Spiel mit einem begehrten Spielzeug. Im Fall von Terrier „Otto“ ist das die Reizangel, bestückt mit Fuchslunte oder Hasenbalg. „Die Hunde lernen schnell, dass es sinnvoll ist, die Fährte ordentlich auszuarbeiten, weil am Ende etwas sehr Positives geschieht“, so Mayer.

Das ordentliche Ausarbeiten stellt den einen oder anderen Teilnehmer des Seminars vor Schwierigkeiten. Besonders zwei Weimaraner, die beide bereits jagdlich geführt und bei Nachsuchen geschnallt wurden, stechen auf den ersten Übungsfährten durch vehementes Zerren an der Halsung bei hoher Nase hervor. Um das abzustellen, lässt der erfahrene Nachsuchenführer zunächst die Schweißhalsungen gegen Geschirre wechseln: „Oft behindert die Halsung bei heftigen Hunden die Atmung, was dazu führt, dass sie noch vehementer zerren und ziehen“. Doch die beiden Grauen geben so schnell nicht klein bei. Haben sie doch in der Vergangenheit gelernt, dass sie nur fest genug zerren müssen, um vom Hundeführer geschnallt zu werden und dann ungehindert ihren Jagdtrieb ausleben zu können. Doch auch dafür hat Mayer eine Lösung parat: Der Schweißriemen wird vom Rücken des Vierläufers in einer Schlinge um die Lenden geführt. „Mit dieser Nierenschlinge bekommt der Führer die Kontrolle zurück. Der Hund reguliert sich selbst.“ Und tatsächlich, sowohl die Hündin als auch der Rüde werden sofort langsamer, nachdem sie merken, dass bei Zug ein unangenehmer Druck um die Lenden entsteht. Und wie von Zauberhand wandern die Nasen nach unten zu den Schalenabdrücken. Immer konzentrierter arbeiten die beiden, und den Hundeführern ist die Freude über diese Veränderung deutlich anzusehen. Auch Terrier „Otto“ darf sich an diesem Wochenende an der Schweißleine beweisen. Mehr als ein paar Schleppen und kurze Fährten hat er bisher noch nicht absolviert. Doch schon beim Anlegen des Geschirrs scheint er zu wissen, dass nun Arbeit verlangt wird, und zittert vor Aufregung wie Espenlaub. Am Anschuss angesetzt, arbeitet er die am Vortag getretenen Schalenabdrücke gut aus.

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Unverzichtbarer Ausrüstungsbestandteil des Hundeführers bei der Einarbeitung des Hundes auf der Fährte ist ein Fährtenschuh. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle auf dem Markt. Bewährt hat sich das teure, aber hochwertige und langlebige Modell „Suchenheil“(Bild 1). Dieser Schuh verfügt über ein Gelenk in der Sohle, kann in der Länge dem Träger gut angepasst werden und ist mittels durchdachter Spannmechanismen schnell anzu legen.

 

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Wichtig beim Tragen in unwegsamen Gelände ist der griffige Randbereich des „Suchenheil“, der auch an Steigungen sicher Halt bietet. Einfache Modelle wie der abgebildete geschlossene Fährtenschuh (Bild 2), der nur die halbe Fußsohle bedeckt, sind zum Treten von Prüfungsfährten zum einen oft nicht zugelassen, zum ande- ren bieten sie weniger Komfort beim Gehen. Auch birgt die glatte Unterseite potenziell Rutschgefahr.

Die Zuschauer, bestehend aus Kameramann und anderen Teilnehmern, die hinter uns durch das Unterholz tapsen, lenken ihn zwar immer wieder ab. Und besonders zieht es ihn zu Kameramann Lukas, der ihn in der Redaktion regelmässig krault, dennoch lässt sich der junge Vierläufer jedes Mal gut auf die Fährte zurückschicken. Ich lerne, ihn immer besser zu lesen.

Bei einer etwa 250 Meter langen Fährte rät Stefan Mayer, an einem genau markierten Wegstück auf das Tropfen von Schweiß zu verzichten. „Wir selbst üben sehr oft gänzlich ohne Schweiß, nur mit dem Fährtenschuh“, bestätigt auch Hubert Kapp. „Die Hunde sollen lernen, dass sie die Schalenabdrücke zu suchen haben, die wir mithilfe des Fährtenschuhs erzeugen.“ Beim Treten der Fährte hinterlässt der Mensch eine Vielzahl von Gerüchen:

Beim Anlegen einer Fährte werden verschiedenste Gerüche freigesetzt, die vom Vierläufer wahrgenommen werden. Die vom Wind verwehte menschliche Duftwolke kann dazu führen, dass der Hund zwar vermeintlich dem Fährtenverlauf folgt, aber nicht wie gewünscht sauber die Schalenabdrücke arbeitet. Grafik: Claudia Westermann

Der menschliche Individualgeruch, ein Hauch Aftershave oder Duschgel schwebt in der Luft, die Kleidung gibt Duftstoffe ab. All diese Komponenten liegen wie eine Wolke auf oder – je nach Wind – neben der eigentlichen Fährte.

So kann man üben: Verweiserpunkte (blaue Kreuze), wie Deckenfetzen oder Knochensplitter, dann (rot) zwei Verleitungen, die der Fährtenleger durch Überqueren der Fährte ohne Fährtenschuhe angelegt hat. Sind die entsprechenden Punkte gut markiert, kann der Hundeführer das Verhalten des Vierläufers gut interpretieren. Grafik: Claudia Westermann

Gerade Vierläufer, die mit hoher Nase neben der Zielfährte her- oder immer wieder darüberlaufen, folgen eher dieser Komposition aus verschiedenen Gerüchen oder gar dem Eigengeruch des Führers. Daher greifen die Profis auch zu Tricks: Etwa dem Mostschen Fährtenkreuz. Bei dieser Übung werden zwei Spuren gelegt, die rechtwinklig so gegeneinander laufen, dass sie sich berühren. Nun muss der Hund die Zielfährte arbeiten, ohne sich von der Verleitspur ablenken zu lassen.

Nach und nach lernt er dadurch, immer sicherer auf der Fährte zu bleiben. Im Übungsrevier im Südschwarzwald ist viel Rehwild unterwegs. Wir kommen an frischen Fege- und Plätzstellen vorbei, die Parson-Russell-Terrier „Otto“ sauber anzeigt, um dann weiterzuarbeiten.

Er ist in einem guten, nicht zu schnellen Tempo unterwegs. Als wir uns der Kreide-Markierung nähern, die anzeigt, dass nun kein Schweiß mehr getropft wurde, schaue ich gespannt auf den kleinen Weißen. Doch unbeirrt überläuft er diesen Punkt und macht in der Arbeit ohne sichtbare Veränderung weiter. Für die weitere Praxis sehe ich das als großen Vorteil, ermöglicht mir dieser Einblick doch, auch immer mal wieder ohne Schweißspritzen oder Tupfen trainieren zu können. Flexibel und ohne große Vorplanung spontan zu üben, das passt auch in einen vollen Terminkalender. Und noch eine weitere Überraschung halten die Schwarzwälder für die Seminarteilnehmer bereit: „Was glaubt ihr, wie alt die Schwarzwildschalen am Fährtenschuh sind?“ Von ein paar Tagen bis zu ein paar Wochen variieren die Antworten der Hundeführer. Mayer lacht: „Die Schalen sind sicher schon vier Jahre am Schuh. Einmal aufgetaut, dran gebaut und nach der Arbeit in der Sonne und im Wind trocknen lassen.

Das Mostsche Kreuz legt der Fährtenleger an. Zusätzlich zum getretenen Fährte geht er eine Verleitung ohne Fährtenschuh (rot). So kann der Hundeführer prüfen, ob der Hund dem Menschen oder den Schalenabdrücken folgt.  Grafik: Claudia Westermann

Die Hunde wissen doch sowieso, dass wir eine Übungsfährte arbeiten, da könnt ihr euch den Aufwand mit immer frischen Schalen sparen.“ In „Ottos“ letzter Fährte des Tages habe ich einige Verweiserpunkte eingebaut: An markierten Punkten sind in kleinen Döschen mit gelochtem Schraubverschluss Deckenfetzen versteckt. Dadurch ist es mir möglich, den Terrier beim Verweisen gut zu lesen. Beim Auffinden des Döschens freut er sich, berührt es mit der Nasenspitze und Pfote, die angespannte Rute wedelt, er sucht Blickkontakt. Ich weiß nun, so will er mir etwas zeigen. Im nächsten Schritt lerne ich, nichts zu erwarten, sondern einfach nur auf den Hund zu achten: An einem liegenden Baumstamm, den die Fährte überquert, habe ich zuätzlich zum getropften Schweiß einen gut sichtbaren, großen Schweißfleck angebracht. Als wir uns der Stelle nähern, warte ich gespannt darauf, dass „Otto“ mir diesen anzeigt. Doch kurz zuvor hält er inne, macht kehrt und geht zu einem Farnblatt. „Oh nein, er ist von der Fährte runter“, ist mein spontaner Gedanke. Stefan Mayer lacht leise hinter mir: „Schau mal, der zeigt dir ein kleines Schweißtröpfchen auf dem Farn. Das hattest du nicht erwartet, oder?“

Reizangel
Motivation ist die halbe Miete – „Ottos“ größte Freude am Ende einer Fährte ist das gemeinsame Spiel mit der Reizangel. Foto: Lisa Buck
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