Dogbase – Programm der Zukunft? Jagdhunde werden geprüft, beurteilt, vermessen. Merken kann sich diese Fülle an Daten niemand mehr. Vor mehr als 30 Jahren begann in Gießen ein Pilotprojekt, das heute in der elektronischen Verarbeitung von Zucht- aber auch Prüfungswerten Maßstäbe setzt. Es geht nicht um den vollkommenen Hund, sondern um Transparenz – und das für Jedermann. Von Markus Wörmann.
Die erste Datenbank der Hundezucht
Die Zahlen und Merkmale, die Anfang der 70er Jahre herangezogen wurden, spiegelten damals bereits mehr als 25 Jahre Zucht- und Prüfungsarbeit des Deutschen Jagdterrier-Clubs wider. Alles, was seit 1945 geprüft und begutachtet wurde, fand sich in der ersten Datenbank der Hundezucht wieder.
Der Verein für Deutsche Wachtelhunde wickelt als erster Zuchtverein sein Prüfungswesen über DOGBASE ab. |
Servicedienstleister für die Zuchtverbände
Was mit dem Deutschen Jagdterrier anfing, hat sich inzwischen zu einem tagesfüllenden Job für fast ein Dutzend Personen beim TG-Verlag – Verlag für Tierzucht und angewandte Genetik – in Gießen ausgedehnt. Das im Jugendstil erbaute Herrenhaus lässt kaum vermuten, dass sich dahinter eine der größten Datenbanken der Tierzucht verbirgt. Mehr als 70 Hunde- und Pferderassen betreut der Verlag inzwischen – darunter zehn Jagdhunderassen. Dr. Reiner Beuing erläutert mir die eigentliche Geschäftsidee: „Wir sind heute Servicedienstleister für die Zuchtverbände“. Dass sich hinter dieser allgemeinen Aussage eine ganze Reihe von Punkten verbergen, wird sehr schnell deutlich. Es reicht von der kompletten Zuchtbuchführung und Mitgliederverwaltung bis hin zur externen Durchführung von Zuchtwertschätzungen. „Die einzelnen Vereine bestimmen, welche Aufgaben sie von uns abgenommen haben möchten“, erklärt Beuing. Wobei die Zuchtwertschätzung und die dafür notwendige Verarbeitung der einzelnen Prüfungs- und Zuchtdaten die Hauptaufgabe darstellt.
- Schweiß,
- Spur,
- Nase,
- Wasserarbeit,
- Suche,
- Vorstehen,
- Führigkeit,
- Arbeitsfreude,
- Wesen,
- Hüftqualität,
- Laut,
- Schulterhöhe.
Pro Jahr werden im Schnitt etwa 1 000 Kleine Münsterländer gewölft. Ohne EDV wäre mit der Fülle an Daten nicht umzugehen. |
Weder negative noch positive Ausreißer bestimmen das Bild
„Je mehr Verwandte für den Zuchtwert eines Merkmals herangezogen werden können, desto aussagekräftiger ist diese Zahl“, bringt der Gießener Wissenschaftler es auf den Punkt. In der Datenbank des TG-Verlages werden die Linien soweit zurückverfolgt, wie Datenmaterial vorliegt. Die Deutschen Jagdterrier als Vorreiter können dabei auf Zahlen ab 1945 zurückgreifen. Bei den Kleinen Münsterländern sind es inzwischen zehn bis zwölf Generationen. Dabei werden nicht nur Eltern, Großeltern, Urgroßeltern und so weiter einbezogen, auch Geschwister, Tanten/Onkel und die eigene Nachkommenschaft, wie Kinder, Enkelkinder, sind ausschlaggebend für den Zuchtwert. Wobei „ausschlaggebend“ die falsche Wortwahl sei, entgegnet Beuing, denn je mehr Daten man aus der Linie hinzuziehe, desto unbedeutender werde jeder einzelne Hund. Das heißt: Weder negative noch positive Ausreißer bestimmen das Bild.
Offensiver Umgang
Auf der anderen Seite gibt es Verbände, wie den der Kleinen Münsterländer, Wachtelhunde oder Deutschen Jagdterrier, die offensiv mit den erhobenen Werten umgehen. Karl Heinz Sachau, Zuchtwart bei KlM, begründet diese Vorgehensweise in einem Telefonat mit der Redaktion: „Letztlich gibt die Zuchtleitung die Parameter vor, ab dann muss sich die Zucht selbst helfen.“ Für die Züchter der Kleinen Münsterländer bedeutet dies nicht nur mehr Freiheit bei der Anpaarung, sondern im Umkehrschluss auch mehr Verantwortung. Da die Daten für alle Mitglieder des Verbandes einsehbar sind, könne sich hinterher auch niemand beklagen, er hätte von einem höheren oder niedrigeren Risiko für das Merkmal nichts gewusst. Allein gelassen werde der Besitzer einer Zuchthündin mit seiner Entscheidung aber nicht, erläutert Karl Heinz Sachau. Den Zuchtwarten in den Landesgruppen stünden immer die aktuellsten Informationen zur Verfügung. „Auf Wunsch helfen sie gerne bei einer Anpaarung“, erklärt er weiter. Seit der Einführung der Zuchtwertermittlung zeichne sich bei den KlM auch eine gewisse Trendwende ab: Früher wurden so genannte „Spitzenrüden“ aufgrund eigener Prüfungsergebnisse überdurchschnittlich oft von den Züchtern ausgewählt. Dies hatte zur Folge, dass in einem Jahrgang die Mehrzahl der Welpen von nur wenigen Rüden stammte. Heute verteilen sich die Würfe auf eine größere Anzahl von Vätern, beziehungsweise werden diese gleichmäßiger frequentiert. Die daraus resultierende breitere Zuchtbasis wird von den Verantwortlichen natürlich im KlM-Verband geschätzt. Erlaubt sie es doch in Zukunft, auf eine größere Anzahl unterschiedlicher Hunde mit spezifischen Anlagen zurückzugreifen.
Der Verein für Jagdteckel bedient sich ebenfalls der Zuchtwertschätzung. Es sollen vor allem Erbfehler wie Generalisierte Progressive Retina-Atrophie und Teckellähme bekämpft werden. |
Das Programm „DOGBASE“
Zwei Mal im Jahr werden die Kleinen Münsterländer „upgedatet“, das heißt alle Werte werden auf den neuesten Stand gebracht. Zucht- und Leistungsprüfungen, die in dem halben Jahr abgehalten wurden, fließen mit ein. Der Verlag verschickt die aktualisierte Fassung als CD, von der sich interessierte Hundeleute die neusten Daten auf den PC herunterladen können. Für zwei CDs im Jahr bezahlt der Abonnent 60 Euro. Für diesen Preis bekommt man beispielsweise die Daten von mehr als 38 000 Kleinen Münsterländern!
Vorteile in der Prüfungspraxis
Das Programm DOGBASE scheint wirklich in vielen Dingen der Zuchtbuch- und Vereinsführung sowie in der Prüfungspraxis Vorteile zu bringen. Stellt sich die Frage, warum „erst zehn“ Vereine aus dem Jagdgebrauchshundlager damit arbeiten. „Es gehört eine intensive Vorbereitung dazu“, erklärt Dr. Reiner Beuing. In vielen Vereinen dauern solche Entscheidungsprozesse oft Jahre, weil es gelte, die Mitglieder von einem Zuchtprogramm zu überzeugen. Viele Züchter hätten Vorbehalte, weil jeder Vereinskollege sehen kann, wie seine Hunde auf Prüfungen und Zuchtschauen abgeschnitten haben. Die Transparenz durch DOGBASE lässt keine „Schönfärberei“ mehr zu. „Allerdings sollte zu diesem Schritt jeder Züchter bereit sein, weil es fairer gegenüber den Kollegen und auch dem zukünftigen Hundeführer ist“, geht Beuing auf eventuell ablehnende Haltungen ein. Denn das Programm unterstütze schließlich nichts anderes als die vom Verein festgelegte Zuchtordnung. Und zu dieser gemeinsamen Strategie hätten sich alle Vereinsmitglieder verpflichtet. „Letztlich geht es doch darum, gesunde und gut veranlagte Hunde für die Jagdpraxis zu züchten. Persönliche Eitelkeiten sollten dabei keine Rolle spielen“, fasst Dr. Reiner Beuing die Motivation seines Handelns zusammen.