Schloss-Besichtigung

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Fürst Friedrich v. HohenzolleRn und sein Stutzen:
Von alten Jagdwaffen geht eine besondere Faszination aus: Ein Hauch von Nostalgie und natürlich auch von Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“ spiegelt sich in matt glänzenden Läufen und Schäften wieder. Michael Schmid hat auf Schloss Sigmaringen ein besonderes Kleinod entdeckt.

 

Einen Hauch von Nostalgie vermittelt die Vitrine auf Schloss Sigmaringen, in der man die fürstliche Ausrüstung bewundern kann

Hunderte Rehkronen und Gamskrickel, gewaltige Hirschtrophäen, Keilerwaffen und Wildpräparate zieren die hohen Wände. „Die Hubertushalle“, erläutert unsere Führerin mit einer ausholenden Armbewegung. Kümmerlich, schießt es mir beim Gedanken an meine eigene Trophäenwand durch den Kopf, und als die junge Dame noch in einem Nebensatz hinzufügt – „alles von Fürst Friedrich v. Hohenzollern erlegt“, zuckt das kleine Teufelchen Jagdneid gewaltig in meiner Brust.

Die Glasvitrine in der Hubertushalle

Was für eine Wildbahn und was für Möglichkeiten müssen diesem Jäger offen gestanden haben – hier konnte wirklich jemand aus dem Vollen schöpfen. Da zuckt das Teufelchen schon wieder: Na ja, Feudaljagd, Gatterrevier oder von Jagdknechten zugetrieben – flüstert die schwarze Seele. Aber auch hier korrigiert die junge Dame: Der Fürst war Zeit seines Lebens ein waidgerechter Jäger, der die anstrengende Pirsch und die Einzeljagd über alles liebte. Eine unscheinbare Glasvitrine in der Hubertushalle, mit den Jagdutensilien des Fürsten, unterstreicht diesen Satz. Steirischer Janker, Jägerhut, Hirschfänger, Pless-Horn, zwei Schwarz-Weiß-Fotos – ein sympathischer, älterer Herr in Jagdkleidung und der gleiche Mann nur ein paar Jahre jünger auf einem erlegten Braunbären – und ein schlichter, aber hoch interessanter Mauser-Stutzen davor.

Mensch und Waffe, Fürst Friedrich und sein Stutzen – beides ließ mich in den nächsten Tagen nicht mehr los und ein weiterer Ausflug nach Sigmaringen war programmiert.

Sonnenschein, der steil abfallende Rand der schwäbischen Alb, das silbrige Band der Donau und das malerische Hohenzollernschloss auf weißem Felsen – schon der Auftakt für meine zweite Schlossbesichtigung hatte es in sich. Peter Kempf, der Leiter der Hofbibliothek und der fürstlichen Sammlungen, zeigte Verständnis für mein Interesse. Er erwies sich als profunder Kenner hohenzollernscher Geschichte, als Hüter einer umfangreichen jagdliterarischen Fundgrube und zuguterletzt als Herr über den Schlüssel zu der begehrten Vitrine in der Hubertushalle. Beim Gang durch das Schloss, dessen Anfänge ins 12. Jahrhundert zurückreichen, erfuhr ich viel über die Geschichte der Hohenzollern.

Überwältigende Eindrücke in der Schlossbibliothek

Die Ursprünge der letzten deutschen Kaiser liegen nicht, wie so oft vermutet, in Preußen, sondern im heutigen südlichen Baden-Württemberg. Von hier ausgehend beginnt 1192 der „preußische Weg“ als Friedrich I, Graf zu Zollern, durch Heirat die Burggrafschaft Nürnberg zufällt und dieses Geschlecht 1415 die Markgrafschaft Brandenburg übernimmt. Die schwäbischen Linien bleiben als die Häuser Hohenzollern-Sigmaringen, -Hechingen und -Haigerloch erhalten. Der Kreis schließt sich 1849 wieder, als sich die kleinen Fürstentümer in einem Staatsvertrag in die preußische Verwaltung eingliedern. Als Landesbezeichnung verschwand Hohenzollern erst 1953 bei der Gründung des Bundeslandes Baden-Württemberg von der Landkarte. Allen Reformen zum Trotz sind die „Preußischen Schwaben“ Lokalpatrioten geblieben, und das kann ich als Revierförster auf der Zollernalb aus eigenen Erfahrungen bestätigen: „Du sollst Gott loben und preisen (Preußen) – von den Württembergern steht nichts in der Bibel“, lautet ein bezeichnendes Sprichwort in unserer Region.

Überwältigend sind die Eindrücke in der Schlossbibliothek, Bücher soweit das Auge reicht. Hier geben Jagdtagebücher, historische Fachliteratur und Streckenlisten Einblick in das Waidwerk vergangener Tage.

Fürst Friedrich – ein passionierter und großzügiger Jäger

Speziell für mein Interessengebiet hatte Peter Kempf ein besonderes Schmankerl ausgewählt: „Jagdfahrten im Herzen Europas“, damals im Verlag Paul Parey erschienen. Es sind die Erinnerungen des Franz Frhr. v. Hallberg zu Broich, dem Oberjägermeister des Fürsten Friedrich. Was sich einem hier auf knapp 150 Seiten an Reisen, Waidwerk und Abenteuern bietet, ist ein jagdlicher Streifzug durch das eng verwobene Leben des Fürsten und des Verfassers.

1891 in Heiligendamm (Mecklenburg) geboren, wuchs Friedrich von Kindesbeinen an mit der Jagd auf. Große Besitzungen der Familie auf der schwäbischen Alb, in Oberschwaben, in der Neumark, in Pommern, im badischen Umkirch und eine Pachtjagd in den Tiroler Bergen boten ausreichend Raum für jagdliche Erfahrungen. Bereits im Alter von 14 Jahren, in der damaligen Zeit durchaus nicht unüblich, schoss Fürst Friedrich seinen ersten Bock, und schon kurze Zeit später, im Jahr 1907, berechtigte ihn der erste Jagdschein zur selbständigen Pirsch. Hier beginnt auch die Geschichte des Mauser-Stutzens aus der Hubertushalle. Die Datumsangaben 30. 8. 1907 und 30. 8. 1957 stehen eingraviert in zwei Messingplättchen auf der linken Kolbenseite der Büchse. „50 Jahre Jäger“ markieren diese Schilder, und noch etliche Jahre darüber hinaus, bis zu seinem Tod im Jahr 1965, hat Friedrich der Büchse die Treue gehalten. Kaum vorstellbar in unserer heutigen, kurzlebigen Zeit, in der selbst Jäger mit wenig Praxis ständig neue „Wunderwaffen“ mit sich herumtragen. In den „Jagdfahrten“ wird Fürst Friedrich als passionierter und großzügiger Jäger beschrieben, der auch modernen Ideen gegenüber aufgeschlossen war. Seine besondere Liebe galt den Hunden, hier vor allem den im fürstlichen Haus schon traditionell geführten Dackeln. Der von ihm geführte Kurzhaarteckel „Buschi“ ist im Donautal Legende, und so mancher Jäger verdankt seine Beute dem fürstlichen „Sauhund“.

Zwei Umdrehungen mit dem Schlüssel, und die Glastür öffnet sich zum eigentlichen Ziel meines Besuches. Nur knapp einen Meter lang, vermittelt das Gewehr einen kompakten Eindruck, energiegeladen, gepaart mit der unvergleichlichen Führigkeit alter Mauser-Büchsen. Der seitlich – im Bereich des Abzuges – abgeflachte Ganzschaft und der für die frühen Stutzen übliche runde Pistolengriff ordnen den 98er eindeutig in die Produktionszeiträume vor dem ersten Weltkrieg ein. Die fünfstellige Seriennummer 24222 datiert die Fertigung auf das Jahr 1908, also doch etwas später als auf dem Jubiläums-Messingschild vermerkt.

Die klassische Mauserlinie

Schlossbesichtigung Teil 2: Auch nach 94 Jahren präsentiert sich die Büchse mit butterweichem Schlossgang, makellosem Lauf und drückjagdtauglichem Druckpunktabzug, gepaart mit einem hauchfein justierten deutschen Stecher. Keine Frage, mit der Waffe könnte man sofort ins Revier. Deutsche Backe, ein Schnabel in der Mitte des Vorderschaftes, Edelholzabschluss und eine handgeschnittene Fischhaut am Kolbengriff perfektionieren die elegante Schäftung. Das 98er System ist tiefschwarz brüniert, Flügelsicherung, der dickwandige Lauf und der geschlossene Magazinkasten unterstreichen die klassische Mauserlinie.

Prädestiniert für die Jagd auf Hochwild

Im Kaliber 8×57 I verließ der Stutzen die Waffenfabrik in Oberndorf am Neckar. Die Entscheidung spricht sowohl für den jagdlichen Weitblick des Fürsten, als auch für den seiner Berater, war doch damals das Kaliber und das System 98 in Jägerkreisen immer noch als „Kilometerbüchse“ verschrieen. Damaligen Kommentaren in der jagdlichen Presse zufolge verleitet die „hochrasante“ Patrone zu unverantwortlichen Weitschüssen und führt somit zu einem Verfall der jagdlichen Sitten. Allen Unkenrufen zum Trotz etablierte sich die 8×57 – in der späteren S-Version – als die universelle deutsche Jagdpatrone schlechthin.

Der Erste Weltkrieg, an dem Friedrich unter anderem als Kommandeur des 5. Reserve-Gebirgsjäger-Batallions teilnahm, machte der 8×57 I im liebgewonnen Stutzen ein frühes Ende. Der Friedensvertrag von Versailles reglementierte und reduzierte die Anzahl der Militärwaffen und der dazugehörigen Munition. In Privathand befindliche Gewehre im gängigen deutschen Infanteriekaliber (I und IS) wurden in diese Regelung ebenfalls mit einbezogen und, um dem Militär eine ausreichende Zahl an Waffen zu erhalten, verboten. Durch die Entwicklung neuer Munitionssorten konnten die Einschränkungen, die sonst zum Einzug der Gewehre geführt hätten, umgangen werden. Der Stutzen wurde auf die aus der Not geborene, neu kreierte 8×60 eingerichtet. Dazu musste lediglich das Patronenlager aufgerieben werden. Die daraus resultierende, nicht unerhebliche Leistungssteigerung prädestiniert das Gewehr für die Jagd auf Hochwild, die bei Friedrich zunehmend an Bedeutung gewann.

Vor allem in den fürstlichen Forstämtern der Neumark und in Pommern jagte Friedrich, der seit 1927 die Leitung des Familienbesitzes übernommen hatte, auf Rot- und Schwarzwild. Jagdreisen führten den Fürsten in der Zeit zwischen den Kriegen unter anderem nach Schweden zur Elchjagd und in die rumänischen Karpaten auf Rotwild, Gams und Braunbär.

Hochwertige Büchsenmacherarbeit

Die Zeit hinterlässt ihre Spuren und das nicht nur bei Menschen. Kratzer und Druckstellen im Schaft weisen auf dauerhaften Gebrauch und schonungslosen Einsatz des fürstlichen Stutzens hin. Auch die technische Entwicklung spiegelt sich in der Waffe. Der Stutzen wurde im Zeitraum von 1908 bis 1965 mehrfach umgebaut. Ursprünglich mit einem aufklappbaren Jagddiopter im Kolbenhals ausgestattet, wurde die Büchse später mit zwei Zielfernrohren nachgerüstet. Die beiden vorderen Montagebasen der Suhler-Einhakmontage lassen sowohl ein kleines Tageszielfernrohr als auch ein Glas mit großem Objektivdurchmesser vermuten. Aufwändig mit Laufring und großflächiger Lötfläche befestigt, zeugen die Montagen von hochwertiger Büchsenmacherarbeit.

Zusätzlich zu den optischen Hilfsmitteln bietet der Stutzen eine Offene Visierung mit Messing-Perlkorn und Klappkimme. Die 100 Meter-Einstellung ist als Fluchtvisier gearbeitet, das aufklappbare zweite Kimmenblatt ist eng gefasst und auf präzise Schüsse bis 150 Meter Entfernung ausgelegt. In Anlehnung an die im militärischen Bereich verwendeten, aufschiebbaren Nachtvisiere, ist Fürst Friedrichs Stutzen mit Messing-Schwalben-schwänzen ausgestattet. Ob hier groß dimensionierte Drückjagd-, oder gar reflektierende Visiere zum Einsatz kamen, lässt sich leider nicht mehr rekonstruieren. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die beiden ausklappbaren Anstreichbügel im Vorderschaft der Büchse.

Ende der Jagd für den Mauser Stutzen

Repressalien während des Dritten Reiches, die Unterbringung der französischen Vichy-Regierung auf Schloss Sigmaringen in den letzten Kriegsmonaten und der Verlust aller Besitzungen jenseits der Oder-Neiße Linie haben den Fürsten schwer getroffen. Unermüdlich hat er sich für die hohenzollerischen Forst- und Jagdbeamten aus den Ostgebieten eingesetzt und vielen von ihnen im süddeutschen Restbesitz eine neue Existenz verschafft. Nach dem Tod seiner Frau, der ältesten Tochter des letzten Sachsenkönigs und seines Zwillingsbruders in den Jahren 1962 und 1964 zog es Friedrich noch mehr als bisher hinaus in den Wald. Hier, bei den Bäumen und „seinem“ Wild, fand er die ersehnte Ruhe.

Mit dem Tod des Fürsten 1965 endete die Jagd auch für den Mauser-Stutzen. Als Zeitzeuge in der Hubertushalle auf Schloss Sigmaringen hat das Gewehr einen neuen Platz gefunden. In Verbindung mit der herrlichen Landschaft des Oberen Donautals Grund genug für eine Schlossbesichtigung in zweifacher Hinsicht.

Zwei Bügel sollen das Anstreichen des Stutzens an Bäumen erleichtern

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