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Selbst ist der Mann

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Tipps rund ums Einschiessen:
Ein unerklärlicher Fehlschuss, die Büchse war umgefallen, neue Munition wurde gekauft oder ein Laborierungswechsel steht an. Was tun, wenn der Weg zum nächsten Schießstand weit und jener wiederum unter der Woche geschlossen ist? Wolfram Osgyan hat hier einige Abhilfen parat.

 

Von Wolfram Osgyan

Vor der einzigen Anschuss-Scheibe herrscht großes Gedränge. Jeder möchte noch einmal seine Büchse zur Kontrolle schießen, bevor es um Ringe und Punkte nach dem DJV-Reglement geht. Nun ist mein Vordermann an der Reihe. Seelenruhig stellt er seine Munition parat, richtet sich die Auflage her, prüft die Scheibe und aktiviert sodann per Knopfdruck die Seilzug-Anlage. Nachdem die Scheibe ihre Endposition erreicht hat, visiert er sorgfältig und schießt. Weil der weiße Spiegel keinen Einschlag zeigt und augenscheinlich auch keiner der „weißen“ Ringe gelöchert wurde, muss der Schuss wohl im Schwarzen sitzen. Neun oder Acht, hoch, tief , rechts oder links verrät indes das Zielfernrohr nicht. Also Scheibe hereingefahren, Treffersitz festgestellt, Scheibe ausgefahren und das Ganze noch einmal. Nach erfolgter Absehenkorrektur das Procedere erneut … und zur Sicherheit – na was wohl?

Am besten visiert es sich mit dem A4

In der Warteschlange macht sich darob Unmut breit, denn schließlich sind die Startzeiten festgelegt, und die Spanne dorthin schwindet rapide. Dem Schützen allein die Schuld für die Verzögerung in die Schuhe zu schieben, ist freilich nicht ganz fair. Denn wer seine Waffe über die allgemein verbreitete Jagdscheibe (10er Ringscheibe) mit ihrer fünf Zentimeter messenden weißen Zehn und ihrer ebenfalls fünf Zentimeter starken schwarzen Umrandung (Neun und Acht) an- oder einschießt und kein Scheibenfernrohr zur Verfügung hat, muss deren Unzulänglichkeiten in Kauf nehmen.

Nicht nur des Zeitdrucks wegen wähle ich ein verkürztes Verfahren: Zwischen der Vier und der Drei, dort also, wo selten eine Kugel die Scheibe löchert, klebe ich überlappend zwei schwarze Schusspflaster auf. Diese lassen sich mit der Stachelspitze des Absehens eins und hoher Vergrößerung oder wie in meinem Fall mit einem Absehen vier in der zweiten Bildebene (Deckmaß des Fadenkreuzes im Millimeterbereich) gut anvisieren. Der erste Schuss sitzt – wie bei meiner Matchhornet üblich und auf weißem Hintergrund gut zu erkennen – zwei Finger breit tief, der zweite offenkundig im Pflaster und auch der dritte bleibt unsichtbar. Damit erübrigt sich eine Korrektur, und ich kann die Scheibe einfahren sowie verpflastern. Weil das alles kaum mehr als drei Minuten beansprucht hat, ernte ich beim Räumen des Standes das anerkennende Nicken meines Hintermannes.

Mit dem Absehen vier in der ersten (Objektiv-)Bildebene wäre ich allerdings so nicht zu Rande gekommen. Anders als bei Absehen in der zweiten (Okular-)Bildebene vollziehen hier nämlich die Balken und Fäden jeden Vergrößerungswechsel mit. Damit sie wiederum bei niedriger Vergrößerung noch sichtbar bleiben, müssen sie entsprechend stark dimensioniert sein. Und so kommt, je nachdem, ob es sich um ein Draht-, ein Glas- oder ein Folienabsehen handelt, ein Deckmaß von zwei und mehr Zentimetern auf 100 Meter heraus. Der Schnittpunkt der Fäden deckt somit einiges der Zielfläche ab und erschwert auf diese Weise exaktes Anhalten. Am besten visiert es sich mit dem A 4, wenn der Schütze auf einen quadratischen weißen Spiegel mit mindestens vier Zentimetern Kantenlänge zurückgreift, dessen schwarzer Rahmen nicht stärker als ein Zentimeter sein sollte. Bei einem halben Zentimeter Breite wiederum bleibt er immer noch gut sichtbar und lässt zudem meistens noch das Schussloch durch das Zielfernrohr erkennen, wenn es sich im Schwarzen befindet.

Scheiben nach Hausmacherart

Punktabsehen decken in der Regel drei und mehr (bis acht!) Zentimeter auf 100 Meter ab. Sauberes Abkommen bedingt hier einen entsprechend dimensionierten Kreis. Dann liefert die weiße Korona zwischen Absehen und schwarzem Spiegelrand den richtigen Anhalt. Weil sich auf 200 Meter selbstredend die Deckmaße verdoppeln, lässt sich mit zu kleinen Spiegeln nicht mehr viel Staat machen. Unter Bierfilzgröße läuft dann zumeist kaum mehr etwas.

Kommerzielle Anschuss-Scheiben blicken oft auf eine lange Tradition zurück und berücksichtigen nicht selten die Belange der offenen Visierung. Ein weißes Dreieck auf ansonsten dunklem Hintergrund, eine weiße Pfeilspitze oder auch ein schmales, stehendes Rechteck wollen daher unter diesem Aspekt bewertet sein. Zudem sind die Tunnel der Einschießer großer Waffenfirmen gut ausgeleuchtet, und selbstverständlich gehört ein justiertes Scheibenfernrohr dort zur Grundausstattung. Andere Scheiben dienen dem Wettbewerb sowie seinen besonderen Regeln und sind weniger für die sofortige Information des Schützen konzipiert.

Für den schnellen Kontrollschuss im Revier dominieren gewöhnlich Scheiben nach Hausmacherart. Die meisten greifen auf Karton zurück und kritzeln mit dem Kugelschreiber einen mehr oder minder großen Punkt darauf. Andere wiederum wählen ein Quadrat als Spiegel. Doch gibt es auch Zeitgenossen, die ihre Zielscheibe noch mit Hilfslinien aller Art versehen. Die Praxis lehrt jedoch, dass von ihnen aufgrund der Absehensdeckmaße meist nichts mehr zu sehen ist, sobald man durch das Zielfernrohr visiert.

Praxisgerechte Kopiervorlage

Um den WILD UND HUND-Lesern die Suche nach einer praxisgerechten Anschuss-Scheibe zu ersparen, hat der Autor in Zusammenarbeit mit der Redaktion eine Kopiervorlage entworfen, die einerseits den Besonderheiten der gängigsten Absehen Rechnung trägt, zum anderen viele Informationen bereits über das Zielbild liefert. Der weiße Punkt in der Mitte mit seinem Durchmesser von 15 Millimeter bietet Zielstachel, Absehen in der zweiten Bildebene und Fadenkreuz den optimalen Anhalt, während das weiße Quadrat mit einer Kantenlänge von 45 Millimeter vom Absehen vier gut erfasst wird. Der Kreis mit einem Durchmesser von neun Zentimetern (Bierfilz!) repräsentiert die tödliche Zone in der Kammer des Rehs. Er entspricht (mit Umrandung) auf die Ringscheibe übertragen deren Acht und dient den Punktabsehen als Spiegel, ansonsten als Haltepunkt für die offene Visierung oder wenn die Büchse deutlich jenseits der 100-Meter-Marke an- oder eingeschossen werden soll.

Wem allerdings einmal der Sinn nach einem 300-Meterschuss steht, der tut gut daran, die einfassenden Skalen mit schwarzem Marker entsprechend dick nachzuziehen. 16 Zentimeter Kantenlänge des Spiegels sollten dann eigentlich ihren Zweck erfüllen.

Die horizontale Vierzentimeterlinie verrät beim Anschießen auf 100 Meter auf einen Blick, wieviel noch zum empfohlenen (Günstigste Einschieß- Entfernung-)Hochschuss von vier Zentimetern fehlt oder ob sich bereits zuviel des Angestrebten eingestellt hat. Die Skalen zusammen mit der Zentimeter-Rastung zeigen schon beim ersten Hingucken den notwendigen Verstellweg nach Höhe und Seite an.

Sie kennen das Problem, dass der Wind mitunter die Scheibe just in dem Moment umpustet, in dem Sie Ihre Schießposition eingenommen haben oder der erste Treffer das Ziel flach legt?

Wählen Sie doch einfach einen Schuh- oder sonstigen Paketkarton, füllen Sie etwas Sand, Erde oder ein paar Steine zum Beschweren ein, kleben Sie dann die WuH-Scheibe auf, und Ihre mobile Anschussscheibe fürs Revier ist fertig. Keine Angst, sie widersteht so dem Beschuss selbst dickster Kaliber, es sei denn, sie würde ausgerechnet im Bodenbereich getroffen.

Führhand gehört nicht auf das Lauf oder Zielfernrohr

Dass bei der Platzwahl für das Anschießen die Sicherheit ganz oben rangiert, versteht sich von selbst. Dazu gehört ein geeigneter Kugelfang. Steile Böschungen, Erdwälle oder Sandhaufen sind dafür prädestiniert. Wenn zudem eine hindernisfreie Geschossflugbahn gewährleistet ist und soviel Umfeld eingesehen werden kann, dass einem Überraschungen erspart bleiben, bedarf es nur noch einer geeigneten Auflage.

Wohl dem, der über einen festen Anschusstisch samt Sitzbank in einer aufgelassenen Sand- oder Kiesgrube verfügt. Andernfalls muss eben das Auto herhalten. Ob man nun aus dem Gefährt heraus, über die Motorhaube oder über das Dach visiert, hängt vom Wagentyp, der Anatomie des Schützen und seinen Gewohnheiten ab. Der stehende Anschlag verträgt den meisten Rückstoß und empfiehlt sich wärmstens bei „tretenden“ Kalibern. Rucksack, zusammengelegte Decke, der eingerollte Mantel oder gar das luftgefüllte Sitzkissen ergeben jedoch keine gute, da zu schwammige Auflage. Weitaus besser eignen sich dafür mehrere Sandsäcke oder sandgefüllte Ohrensäcke aus Leder. Mit ihrer Hilfe stellen wir eine Zweipunktauflage her und zwar so, dass das Absehen ohne unser Zutun auf dem Zielpunkt ruht, sobald die Waffe gebettet ist. Desgleichen will der Unterarm der Schießhand ausreichend abgestützt sein. Dass die Führhand nicht auf Lauf oder Zielfernrohr gehört, weil sie auf diese Weise das Schwingungsverhalten der Waffe negativ beeinflussen kann, wird leider viel zu wenig beachtet. Aufzupassen gilt es ferner, dass die Laufmündung genügend Abstand zum Dach einhält und dass die Riemenbügel keinen Kontakt zum Lack bekommen, sonst gibt es hässliche Kratzer. Weil es sich mit verdämmten Ohren weitaus angenehmer und gesünder schießt und der Schussknall als solcher gar nicht selten zum Mucken animiert, greifen wir beim An- oder Einschießen tunlichst auf Gehörschutzkapseln zurück.

Geeigneter Anschusstisch

Und auch dem Rückstoß, die zweite Ursache für die verbreitetste Schützenkrankheit, können wir wirksam begegnen, indem wir die Schießschulter mit einer dünnen Hartgummiplatte, einem mehrfach gefalteten Stück Karton, einem Stück von einer Styroporplatte, einem nicht zu dicken Taschenbuch oder einem Groschenroman armieren. Derart gerüstet darf man dem Kick einer 8×68 S oder einer 9,3×64 so unbefangen entgegensehen, wie wenn mit einer Hornet geschossen würde.

Hochsitze eignen sich dann sehr gut als Anschusstisch, wenn sie ein wenig präpariert werden. Dafür reicht ein nicht zu dünnes, etwa 25 Zentimeter breites Brett von gut einem Meter Länge aus. Man legt es entweder von der Rückenlehne zur vorderen Auflage oder schräg von der seitlichen zur vorderen Abstützung. Stehen jetzt noch Sandsäcke zur Verfügung, schießt es sich davon ebenso bequem und sicher wie vom besten Anschusstisch, und in vielen Fällen löst sich das Problem, einen geeigneten Kugelfang zu finden, leichter, wenn nicht von selbst.

Hast ist Gift beim Einschießen

Bestehen auch nur leise Zweifel an der eigenen Treffsicherheit oder an der Schussleistung der Waffe, soll ein neues Munitionslos überprüft oder die Büchse gar auf eine andere Laborierung eingeschossen werden, dann ist es allemal besser, den ersten Schuss auf die Halbdistanz oder gar nur auf Schrotschussentfernung abzugeben. Nicht nur, weil das größere Ziel genaueres Abkommen ermöglicht, sondern auch, weil Abweichungen noch im überschaubaren Rahmen bleiben. Fünf Zentimeter hin oder her erscheinen auf dreißig beziehungsweise fünfzig Meter noch erträglich. Dennoch würde sich eine derartige Abdrift auf 100 Meter bereits so gravierend auswirken, dass die Kugeln mitunter die Scheibe verfehlen. So weit sollte man es jedoch nicht kommen lassen, denn sonst würde bereits die Diagnose unnötig Patronen, Zeit und Nerven kosten.

Eine zweite Kugel, nach angemessener Pause von etwa fünf Minuten abgegeben, dient der Kontrolle. Sitzen beide Treffer im kleinen Kreis der WuH-Anschuss-Scheibe, steht einem weiteren Kontrollschuss auf 100 Meter (fünf Meter hin oder her spielen keine Rolle) nichts im Wege. Auf diese Distanz nehmen wir auch notwendige Feinkorrekturen vor.

Im ungünstigen Fall vollziehen wir die Korrekturen im Nahbereich. Hier gilt es jedoch zu beachten, dass jeder Zentimeter Verstellweg mit zwei oder drei Rasten der Elevationselemente korrigiert werden muss.

Spricht aber die Verstellung nicht an, dann ist entweder der Verstellbereich ausgereizt oder es liegt ein Defekt an Glas beziehungsweise Montage vor. Bringt einen das Abnehmen und erneute Aufsetzen des Zielfernrohres nicht weiter, gehört die Waffe in die Hände des Büchsenmachers.

Hast ist Gift beim Einschießen. Vielmehr muss das Gebot der Stunde Eile mit Weile heißen. Es spart allemal mehr Zeit, nach dem ersten und jedem Folgeschuss eine angemessene Pause einzulegen, als den Lauf mit mehreren Schüssen „aufzuheizen“ und ihn hinterher abkühlen zu lassen. Das gilt vor allem für kombinierte Waffen, ungeachtet der Tatsache, dass viele Drillinge und Bockbüchsflinten noch einen zweiten Schuss verdauen, bevor sie wärmebedingt zu klettern beginnen.

Trockentraining hilft

Falls Sie mit den hohen Abzugswiderständen Ihrer Büchse nicht zurecht kommen und auf die Dienste eines Stechers verzichten wollen, hilft Trockentraining weiter. Umschließen Sie den Pistolengriff ihrer Büchse mit „eiserner“ Faust und legen Sie Ihren Schießfinger so an das Züngel, dass die Trennlinie vom ersten zum zweiten Fingerglied anliegt. Auf diese Weise erzeugen Sie kontinuierlichen Druck und beugen dem Reißen vor. Haben Sie diese Technik erst einmal verinnerlicht, kommt das der individuellen Schießleistung sehr zugute. Und zu guter Letzt: Schießen Sie mit Ihrer Waffe auch selbst auf die Scheibe, vor dem Wild drücken Sie ja anderen Ihre Büchse auch nicht fortwährend in die Hand.

Egal wo der Schuss sitzt: Der Schütze kann die Treffpunktlage auf der WILD UND HUND-Scheibe ohne Spektiv oder Einholen der Scheibe kontrollieren

 

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