Rizzini Aurum Light: Zum Abheben

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Cola, Joghurt, Käse – „light“ ist in. Und auf der Treibjagd? Da schleppen wir die schwere Flinte übers Feld. Muss aber nicht sein; denn bei der Rizzini Aurum Light ist der Name Programm.

 

Duralaluminium macht’s möglich: Die Rizzini Aurum Light wiegt gerade mal luftige 2,8 Kilogramm

Gleich vorweg: Ob sie so leicht ist, dass sie sogar in Milch schwimmt, haben wir nicht getestet. Aber eins steht fest: Mit ihren 2,8 Kilogramm Gesamtgewicht ist die Rizzini Aurum Light ein „Spargeltarzan“ unter den 12/70er-Bockflinten. Aurum kommt aus dem Lateinischen und heißt Gold. Und das begehrte Edelmetall steht eigentlich ganz und gar nicht für Leichtigkeit. Aber für solche Zwickmühlen gibt es eben den neudeutschen Zusatz.

Da aber Worte bekanntlich Schall und Rauch sind, mussten die italienischen Konstrukteure irgendwie Gewicht sparen. Und dass das zuweilen sonderbare Blüten treiben kann, zeigt die Vergangenheit. Wer erinnert sich nicht an den legendären Kunstgriff von Mercedes Benz, als die weiß lackierten Renner mit dem Stern zu schwer für das Formel Eins-Reglement waren. Prompt kam die Farbe ab, das Gewichtslimit war erreicht, und die abgeschliffenen „Silberpfeile“ rasten von Sieg zu Sieg.

An der Aurum ist der Lack, sprich die Brünierung am Stahl und das Öl am Holz, Gott sei Dank noch dran. Und zwar sauber und ordentlich. Wo also sparten die italienischen Konstrukteure die nötigen Gramme? An der Basküle. Denn die besteht nicht wie gewöhnlich aus Stahl, sondern aus Duraluminium. Das ist eine hochfeste Leichtmetall-Legierung, die sich in der Luft- und Raumfahrttechnik bestens bewährt hat. Andere Hersteller, wie z. B. Beretta, setzen für ihre Federgewichtler ebenfalls Duraluminium-Baskülen ein – jedoch mit Titan-Stoßboden.

Gewichtsersparnis

Nicht so bei der Rizzini: Hier ist alles „aus einem Guss“. Und dass die Basküle auch so genug Festigkeit besitzt, beweist die Zulassung für Stahlschrotpatronen. Denn dafür musste sich die Flinte einem verstärkten Beschuss mit 1370 bar unterziehen. Sollte ein Zündhütchen-Durchbläser aber doch einmal enormen Druck auf den Stoßboden bringen, geht von jedem Schlagbolzenloch ein Gasdruck-Entlastungskanal nach rechts außen.

Die Läufe sind 70 Zentimeter lang, innen hartverchromt und halb/voll gechokt. Beide Rohre schießen etwa 15 Zentimeter hoch und sauber zusammen. Auch Deckung und Streuung geben keinen Grund zur Beanstandung.

Die eigentliche Arbeit verrichtet ein Blitzschloss mit obenliegenden Abzugsstangen. Für den nötigen „Kick“ auf die Schlagstücke sorgen zwei bruchsichere Schraubenfedern. Der Sicherung wirkt leider nur auf den Einabzug. Aber dieses Manko hat die Aurum mit so vielen anderen Flinten gemeinsam, dass man fast geneigt ist, es klaglos hinzunehmen. Aber eben nur fast.

Denn gerade bei einer Waffe, die man stundenlang geladen und gesichert über Stock und Stein trägt, sollte Sicherheit ganz oben stehen. Nirgends ist die Gefahr hinzufallen doch größer, als bei der Streife über einen gefrorenen „Rumpelacker“. Hier sollten alle Hersteller, die sich angesprochen fühlen müssen, ernsthaft überlegen, ob man nicht Schlagstück-Fangrasten zum Standard machen sollte – auch wenn es ein paar Mark mehr kostet.
Bei Fiocchi Munizioni in Mellrichstadt, dem deutschen Rizzini-Importeur, wird man reagieren.

Sicherheitsfragen

Denn der Prototyp der Aurum hatte die Fangrasten noch, die Serie hat sie nicht. Und genau das sollen die Italiener jetzt wieder ändern, damit sich auch bei einem Sturz kein Schuss lösen kann.

Beim Abzug macht die Rizzini Punkte. Zwar hat das Züngel einen geringen Vorzug, aber danach steht es wie eine Eins. Will man den unteren Lauf abfeuern, muss man einen Widerstand von 24 Newton (2,4 kg) überwinden, für den oberen Lauf sind es 25 Newton. Werte, die begeistern; denn für den sauberen zweiten Schuss ist es optimal, wenn das Abzugsgewicht in etwa gleich bleibt.

Richtig Freude macht auch der Schaft. Denn Holzqualität, Form und Bearbeitung sind wirklich top. Vor allem der Vorderschaft ist erste Sahne. Die scharf geschnittene Fischhaut reicht ganz herum, so dass man auch mit patschnassen Fingern immer den richtigen Griff hat. Der Hinterschaft steht seinem „kleinen Bruder“ aber in nichts nach: formschöner französischer Pistolengriff, scharfe Fischhaut, tolles Holz und eine Holzabschlußkappe, die richtig edel aussieht. Wäre sie dann noch mit Schlitz- statt mit Kreuzschrauben befestigt, gäbe es die Höchstnote.

Praxistest

Grau ist alle Theorie, also Flinte gepackt und raus ins Revier. Halt, natürlich muss erst mal ein Gewehrriemen dran. Und da übernimmt die Aurum die Rolle der „Unvollendeten“. Denn die Riemenbügel sind noch nicht montiert, sondern liegen lose bei. Eigentlich gar nicht so schlecht. So müssen sich Puristen nicht über das überflüssige und die Ästhetik störende Beiwerk ärgern, und „Otto-Normaljäger“ kann die Bügel vom Händler schnell montieren lassen.

Während der Testphase galt es jahreszeitbedingt hauptsächlich den Ringeltauben. Und beim ersten Mal erlebte ich mein Waterloo. Selbst die einfachsten Vögel wollten einfach nicht herunterfallen, und mir war der Spaß an der Aurum gründlich vergangen.

Die Ursachenforschung war aber schnell abgeschlossen. Der Schaft hat für mich etwas zu wenig Senkung. Also Kopf richtig aufs Holz drücken, ein paar Anschlagübungen und drei Tage später wieder auf die Geringelten. Und siehe da, schon klappte es. Die Freude an der Jagd, an der Beute und somit an der Flinte war zurückgewonnen.

Für diese Schaftmaße mit geringer Senkung zeichnen die Experten des deutschen Importeurs Fiocchi Munizioni verantwortlich. Dort ist man der Meinung, dass der dadurch erzielte Hochschuß vor allem Jungjägern entgegenkäme. Und wer damit nicht zurechtkommt, lässt einfach ein wenig Holz wegnehmen. Auch das scheint durchdacht; denn so ist der Standardschaft ohne große Probleme auf verschiedene Bedürfnisse einstellbar.

Die Balance

Eine leichte Flinte gerät natürlich schnell in den Verdacht, weit schlechter zu schwingen als ein schwereres Modell. Zum Teil ist das richtig. Ein gutes Pfund mehr in Händen lässt sich einfach leichter in Schwung bringen. Aber die Rizzini ist gut ausbalanciert und schwingt daher fast wie eine Schwerere.

Nur der Rückstoß ist aufgrund des geringeren Gewichts etwas stärker. Und das kann bei großen Serien schon mal in die Schulter gehen. Aber auf der Jagd kommt das ja leider selten vor, und fürs Wurftaubenschießen ist die Flinte nicht gedacht.

Alles in allem ist die Aurum Light ein richtiges Treibjagdgewehr. Sie fällt einem nie zur Last, sie schwingt gut, schießt gut, und der etwas heftigere Rückstoß macht aus einem Jäger noch lange keinen „geprügelten Hund“. Also doch wie bei Cola, Joghurt und Käse – „light“ ist in.

 

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