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Antrag abgelehnt: Keine Bockjagd ab 16. April

2219


von Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage

„Die Länder können Jagdzeiten abkürzen oder aufheben; sie können die Schonzeiten für bestimmte Gebiete oder für einzelne Jagdbezirke aus besonderen Gründen, insbesondere aus Gründen der Wildseuchenbekämpfung und Landeskultur, zur Beseitigung kranken oder kümmernden Wildes, zur Vermeidung von übermäßigen Wildschäden, zu wissenschaftlichen Lehr- und Forschungszwecken, bei Störung des biologischen Gleichgewichts oder der Wildhege aufheben.“ § 22 Abs. 1 Satz 3 BJG.

II. Der Sachverhalt

Pächter P. beantragte bei der Unteren Jagdbehörde die Verkürzung der Schonzeit für Rehböcke und Schmalrehe auf den 15. April. Zur Begründung machte er geltend, daß in seinem Revier der Naturaufwuchs, insbesondere die heimischen Laubbaumarten, weiträumig und ohne besondere Schutzmaßnahmen hochkomme.

Dadurch sei nach Beginn der Vegetation im Wald die Bejagung des Rehwildes wesentlich erschwert. Um Verbissschäden zu vermeiden und den Abschussplan korrekt zu erfüllen, sei es daher notwendig, männliches Rehwild und Schmalrehe bereits ab dem 16. April zu bejagen.

Bereits Anfang Mai sei die Belaubung in den nahezu flächendeckenden Naturverjüngungen so stark, dass die Bejagung des Rehwildes trotz verkürzter Schonzeit extrem schwierig sei.

Dies hätten die Erfahrungen aus dem Jagdjahr 1997 gezeigt, in dem ihm die Jagd ab dem 1. Mai zugelassen worden sei.

Die Untere Jagdbehörde lehnte den Antrag ab; die Verkürzung der Schonzeit sei eine Ausnahmeregelung, die nur in Extremfällen gerechtfertigt sei. Daraufhin beantragte der Pächter beim Verwaltungsgericht, die Untere Jagdbehörde im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Schonzeit für Böcke und Schmalrehe in seinem Revier um einen Monat zu verkürzen.

III. Die Entscheidung

Das Gericht wies den Antrag ab; der Pächter habe schon deshalb keinen Anspruch auf Verkürzung der Schonzeit, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben seien.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 BJG könne die Untere Jagdbehörde durch Einzelanordnung für bestimmte Gebiete oder einzelne Reviere aus besonderen Gründen die Schonzeiten aufheben oder verkürzen, insbesondere auch zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden.

Diese Bestimmung sei als Ausnahmevorschrift „eng“ auszulegen, so dass bei der Frage, ob „besondere“ Gründe für eine Verkürzung der Schonzeit vorlägen, ein „strenger“ Maßstab anzulegen sei.

Das ergebe sich sowohl aus dem Zweck der Schonzeit als auch aus den in § 22 Abs. 1 Satz 3 BJG genannten Beispielen für eine Verkürzung. Die Schonzeit solle der Hege des Wildes dienen und die Aufzucht der Jungtiere sichern. Dieser Zweck könne nach dem Gesetz nur aus „besonderen“, also übergeordneten Gründen übergangen werden.

Es genüge daher nicht, dass die Schonzeitverkürzung nur der Jagderleichterung oder der Vermeidung üblicher Wildschäden dienen solle, denn „besondere“ Gründe für eine Verkürzung lägen nach dem Gesetzeswortlaut nur vor, wenn „übermäßige“ Wildschäden zu erwarten seien und diese die Verkürzung erforderten.

Solche übermäßigen Wildschäden seien im vorliegenden Falle jedoch nicht zu befürchten. Aus dem Forstlichen Gutachten ergebe sich, dass die Naturverjüngung im Revier weiträumig und ohne besondere Schutzmaßnahmen möglich sei, so dass allenfalls „übliche“ Wildschäden zu erwarten seien.

Auch aus § 27 BJG ergebe sich kein Anspruch des Pächters auf eine Schonzeitverkürzung. Nach dieser Vorschrift könne die Untere Jagdbehörde anordnen, dass der Jagdausübungsberechtigte den Wildbestand unabhängig von den Schonzeiten innerhalb einer bestimmten Frist in einem bestimmten Umfange zu verringern habe, wenn dies mit Rücksicht auf das allgemeine Wohl notwendig sei.

Unter dem „allgemeinen Wohl“ sind insbesondere die Interessen der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft und die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu verstehen.

Diese Bestimmung diene, wie sich aus dem Wortlaut und dem Hinweis auf das allgemeine Wohl ergebe, allein dem öffentlichen Interesse, so dass ein Jagdpächter hieraus keine Ansprüche ableiten könne.

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach, Beschluss vom 30.4.1998 – AN 15 E 98.00625 –

IV. Anmerkungen

1. Kein Anspruch auf Schonzeitverkürzung
Das Gericht ließ ausdrücklich offen, ob dem Pächter überhaupt ein Anspruch auf Schonzeitverkürzung zustehen kann, selbst wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind; denn im entschiedenen Falle lagen schon die Voraussetzungen nicht vor, so dass sich diese Frage gar nicht mehr stellte.

Wortlaut und Zweck der Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 3 BJG sprechen eher gegen einen solchen Anspruch des Pächters und für eine Entscheidung der Unteren Jagdbehörde, die allein das öffentliche Interesse berücksichtigt

Für dieses Ergebnis spricht bereits der Text der Vorschrift („Die Länder können…“), der allein den Ländern Befugnis zur Abkürzung der Schonzeit gibt, den Jagdausübungsberechtigten/Revierinhaber aber gar nicht erwähnt.

Ein weiteres Indiz für diese Auslegung ist, dass die Schonzeiten Teil der Hege sind und letztlich generell der Erhaltung der einzelnen Wildarten dienen; beides sind Argumente, die dem Allgemeininteresse zuzuordnen sind.

Daher kann auch eine Verkürzung der Schonzeiten allein im öffentlichen Interesse erfolgen, selbst wenn dies auf die Jagdausübung des Pächters Auswirkungen hat.
Schließlich weisen auch die in § 22 Abs. 1 Satz 3 BJG als Beispiele genannten „besonderen Gründe“ (Landeskultur, Wildseuchenbekämpfung, Hege, biologisches Gleichgewicht) darauf hin, dass es sich um eine ausschließlich im öffentlichen Interesse erlassene Vorschrift handelt; denn diese genannten Beispiele dienen dem Allgemeininteresse, auch wenn sich daraus Auswirkungen auf den
jeweiligen Jagdausübungsberechtigten/Revierinhaber ergeben.

Deshalb kann der einzelne Jagdausübungsberechtigte/Revierinhaber eine Verkürzung der Schonzeiten für bestimmte Wildarten aus einem der im Gesetz genannten Gründe bei der Unteren Jagdbehörde wohl nur anregen, nicht aber verlangen und bei Ablehnung gerichtlich einklagen.

2. Ausnahmecharakter
Mit der Festlegung der Schonzeiten hat der Gesetzgeber bundeseinheitlich nur die Mindestdauer bestimmt; die Länder können diese Schonzeiten verlängern und bis zur Ganzjährigkeit ausdehnen.

Ganz anders ist es bei der Verkürzung der bundesrechtlichen Schonzeiten; hier müssen zum einen „besondere Gründe“ vorliegen, die einen solchen Schritt rechtfertigen, wie zum Beispiel Vermeidung übermäßiger Wildschäden, zum anderen sind solche Maßnahmen nur für bestimmte Gebiete oder einzelne Jagdbezirke zulässig, nicht aber landesweit.

Das zeigt, dass eine Abkürzung der vom Bund rahmenrechtlich vorgegebenen Schonzeiten nur in besonderen Ausnahmefällen möglich ist, um übergeordneten öffentlichen Interessen zu entsprechen, nicht aber um beispielsweise dem Jagdausübungsberechtigten/Revierinhaber die Jagdausübung zu erleichtern und ihm damit eventuelle Wildschadenskosten zu ersparen.

V. Ergebnis

1. „Besondere Gründe“ für eine Verkürzung der Schonzeit – hier: für Böcke und Schmalrehe – zur Wildschadensverhütung sind nur gegeben, wenn ansonsten übermäßige Wildschäden zu erwarten sind, die durch eine ordnungsgemäße Bejagung nicht verhindert werden können.

2. Allein die Tatsache, dass mit (üblichen) Wildschäden zu rechnen ist, genügt nicht.

3. Der Jagdausübungsberechtigte/ Revierinhaber hat keinen Anspruch auf Verkürzung der Schonzeit, selbst wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen; eine solche Maßnahme erfolgt allein im öffentlichen Interesse durch die Untere Jagdbehörde.

Der Jagdausübungsberechtigte/ Revierinhaber kann daher nur eine Verkürzung der Schonzeit anregen, sie aber nicht verlangen und notfalls bei Gericht einklagen. Eine solche Anregung sollte frühzeitig und unter Angabe des konkret vorliegenden „besonderen Grundes“ erfolgen.



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