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Unbeaufsichtigtes Laufen lassen von Hunden (2): Hund im Auge behalten

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von Mark G.v.Pückler

I. Die Rechtsgrundlage

„Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einen Hund in einem Jagdbezirk unbeaufsichtigt laufen lässt.“ § 41 Abs. 1 Nr. 12 LJG Rheinl.-Pfalz

II. Der Sachverhalt

Der Halter H. unternahm mit seinen zwei Schäferhunden, beide gut abgerichtet, einen Spaziergang im Wald. Die Hunde begleiteten ihn freilaufend. Sie waren es gewohnt, bei den Spaziergängen eine Entfernung von etwa 15 Meter zu H. einzuhalten und auf Pfiff sofort zurückzukehren.

Der Gang führte über Waldwege, durch zwei Dickungen zu einem Wildacker. Schließlich gelangte H. zu einem Hochsitz am Rande einer Fichtenschonung, auf dem er eine Rast einlegte. Während dieser Zeit liefen seine Hunde mehrfach in die Dickung hinein, wo sie von H. nicht mehr gesehen werden konnten.

Im weiteren Verlauf des Spazierganges bog H. auf einen anderen Waldweg ab. Zu diesem Zeitpunkt folgte ihm einer der Hunde unmittelbar, während der andere etwa 40 Meter im Wald parallel zum Weg lief und während dieser Zeit nicht von H. gesehen werden konnte.

Die Ordnungsbehörde erließ gegen H. einen Bußgeldbescheid über 150 DM wegen fahrlässigen unbeaufsichtigten Laufenlassens seiner Hunde in einem fremden Jagdbezirk. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das Amtsgericht zurück. Das Oberlandesgericht bestätigte die Entscheidung.

III. Das Urteil

Der Bußgeldbescheid sei rechtmäßig, so das Oberlandesgericht in seiner Begründung, weil H. seine Hunde unbeaufsichtigt in einem Jagdbezirk habe laufen lassen.

Denn während seines Aufenthaltes auf dem Hochsitz (Anm.: in vielen Ländern ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit!) und an der Wegabzweigung habe er seine Hunde nicht mehr sehen können, weshalb er auch nicht mehr die Kontrolle über sie innegehabt habe.

Denn wer seinen Hund nicht (mehr) sehen könne, der wisse auch nicht, was sein Hund gerade mache und ob er ihn zurückrufen müsse. Deshalb komme es in diesem Falle nicht darauf an, ob die Hunde des H. auf Zuruf sofort zurückgekommen wären.

Ein „unbeaufsichtigtes Laufen lassen“ sei gegeben, wenn der Hund „außerhalb der Einwirkung“ seines Herrn (= Aufsichtsperson) sei. Diese Auslegung entspreche inhaltlich der jagdschutzrechtlichen Befugnis, wildernde Hunde zu töten.

Da beide Vorschriften – das Verbot des unbeaufsichtigten Laufenlassens von Hunden und die Befugnis zur Tötung wildernder Hunde – demselben Ziele dienten, nämlich dem Schutz des Wildes, sei es auch geboten, den Begriff des „unbeaufsichtigten Laufenlassens“ nach der Voraussetzung des Tötungsrechts „außerhalb der Einwirkung“ zu bestimmen.

Ein Hund befinde sich innerhalb der Einwirkung seines Herrn, wenn er sich in Hör- und Rufweite befinde, jederzeit zurückgerufen werden könne und einen solchen Rückruf tatsächlich auch sofort befolgen würde.

Selbst wenn – wie hier – diese Voraussetzungen gegeben seien, befinde sich der Hund dennoch außerhalb der Einwirkung seines Herrn, wenn dieser nicht in der Lage oder nicht willens sei, von seiner (gegebenen) Einwirkungsmöglichkeit auf den Hund Gebrauch zu machen.

Gleiches habe in den Fällen zu gelten, in denen sich der Hund im Wald bereits nach kurzer Distanz der Sicht seines Herrn entziehe, weil dadurch die Aufsichtsperson die Möglichkeit der Einwirkung verliere. Mangels Sicht könne sie nicht erkennen, ob ein Eingreifen notwendig sei, um den Hund von Wild abzuhalten.

Der Hund könne jederzeit die Fährte vom Wild aufnehmen und sich in kürzester Zeit unbemerkt entziehen, ohne dass sein Herr dies rechtzeitig bemerken würde.
Nur wer seinen Hund sehen könne, könne auch beurteilen, ob Anlass für einen Rückruf bestehe. Eine ordnungsgemäße Beaufsichtigung des Hundes erfordere daher, dass dieser sofort zurückgerufen werde, wenn er außer Sicht zu geraten drohe. Anders sei eine wirksame Kontrolle des Hundes und damit auch ein ausreichender Schutz des Wildes vor wildernden Hunden nicht zu gewährleisten.

Ob dies auch dann gelte, wenn der Hund von einem Waldweg aus in eine Dickung hineinlaufe und dadurch nur eine kurzfristige Unterbrechung des Sichtkontaktes eintrete, könne offen bleiben; denn im vorliegenden Falle habe H. seine Hunde gewähren lassen und nicht auf sie eingewirkt.
Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 20.11.1986 – 1 Ss 495/86 –

IV. Anmerkungen

1. Unbeaufsichtigtes Laufen lassen von Hunden
Freilaufende Hunde sind eine Geißel für das Wild. Die Landesjagdgesetze verbieten daher das unbeaufsichtigte Laufen lassen von Hunden in einem Jagdbezirk; Verstöße hiergegen sind Ordnungswidrigkeiten, die mit erheblichen Geldbußen geahndet werden können.

Dieses Verbot ergänzt das Tötungsrecht des Jagdschutzberechtigten hinsichtlich wildernder Hunde. Deshalb sind nach obigem Urteil die Voraussetzungen des Verbots („unbeaufsichtigtes Laufen lassen“) jedenfalls (spätestens) dann gegeben, wenn auch die Voraussetzungen des Tötungsrechts („außerhalb der Einwirkung des Herrn“) vorliegen.

Allerdings sind in vielen Ländern die Voraussetzungen des Tötungsrechts enger (strenger), z. B. in Bad.-Württ., Bayern, Hamburg, Hessen, NRW, Rheinl.-Pfalz, Sachsen und Thüringen), so dass hier das Merkmal „außerhalb der Einwirkung des Herrn“ nur für das Verbot des unbeaufsichtigten Laufenlassens von Hunden ausreicht, nicht aber auch für einen Abschuss des Hundes.

Wer also von einer Tötung wildernder Hunde absehen will, der sollte wenigstens Anzeige wegen unbeaufsichtigten Laufenlassens von Hunden erstatten und – bei Wiederholung – Unterlassungsklage (siehe hierzu WuH 3/1988, S. 20) erheben.

Gleiches gilt, wenn der Hund zwar außerhalb der Einwirkung seines Herrn ist und damit unbeaufsichtigtes Laufen lassen gegeben ist, aber nach Landesrecht die Tötungsvoraussetzungen (noch) nicht vorliegen (z. B. mangels Verfolgens von Wild).

Jemand lässt seinen Hund „unbeaufsichtigt“ im Jagdbezirk laufen, wenn sich der Hund „außerhalb der Einwirkung“ der Aufsichtsperson befindet. Das ist der Fall,

  • wenn der Hund außer Ruf- oder Hörweite ist, so dass er nicht mehr zurückgerufen werden kann;
  • wenn der Hund zwar in Ruf- und Hörweite ist, er aber einen Rückruf nicht sofort befolgt (z. B. weil er ungehorsam ist);
  • wenn der Hund in Ruf- und Hörweite ist, die Aufsichtsperson sich aber nicht um ihn kümmert;
  • wenn der Hund sich der Sicht entzogen hat und die Aufsichtsperson ihn nicht umgehend zurückruft oder der Hund dem Rückruf nicht sofort folgt.

2. Zur Anleinpflicht von Hunden
Ob und gegebenenfalls wann Hunde in der freien Natur angeleint werden müssen, bestimmt sich teilweise nach Bundesrecht und teilweise nach Landesrecht. Im Wesentlichen gelten hierbei folgende Grundsätze:

  • Grundsätzlich müssen Hunde in der freien Natur nicht angeleint werden. Sie dürfen daher, von Ausnahmen abgesehen (siehe unten), unangeleint mitgeführt werden. Aber sie müssen hierbei immer (!) im Einwirkungsbereich (s. o.) der Aufsichtsperson bleiben, damit diese jederzeit die Kontrolle über den Hund hat und Gefahren für das Wild rechtzeitig unterbinden kann. Sonst liegt eine Ordnungswidrigkeit vor.
  • Eine Anleinpflicht besteht jedoch
    • in Naturschutzgebieten u. ä., sofern dies in der betreffenden Rechtsverordnung über das Naturschutzgebiet u. a. vorgesehen ist;
    • in Wildschutzgebieten u. ä., sofern dies in den hierzu erlassenen Anordnungen bestimmt wird;
    • in Tollwutsperrbezirken, sofern der Hund keinen wirksamen Impfschutz hat und der Begleitperson nicht zuverlässig gehorcht.
  • Eine Anleinpflicht im Wald besteht ferner nach Landesrecht in den Ländern
    • Baden-Württemberg: Im Bereich von Kinderspielplätzen, Spiel- und Liegewiesen;
    • Brandenburg, Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein: Im Wald allgemein;
    • Niedersachsen: im Wald und in der freien Landschaft vom 1.4. bis 15.7. (Setz- und Brutzeit);
    • Nordrhein-Westfalen: im Wald außerhalb von Wegen.

V. Ergebnis

1. Wer einen Hund unbeaufsichtigt in einem Jagdbezirk frei laufen lässt, begeht nach Landesrecht eine Ordnungswidrigkeit.
2. Ein unbeaufsichtigtes Laufen lassen ist gegeben, wenn sich der Hund außerhalb der Einwirkung der Aufsichtsperson befindet. Das ist der Fall,

  • wenn der Hund außer Ruf-, Hör- oder Sichtweite ist, oder
  • wenn der Hund einen Rückruf nicht sofort befolgt, oder
  • wenn die Aufsichtsperson nicht auf den Hund achtgibt oder ihn absichtlich gewähren lässt.



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