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Fünf Kitze ausgemäht

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Landwirt wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz verurteilt

Landwirte, die jetzt ihre Wiese mähen, ohne vorher nach Rehkitzen gesucht oder den Jäger verständigt zu haben, müssen mit empfindlichen Strafen rechnen, wenn Jungwild den Messern zum Opfer fällt

I. Die Rechtsgrundlage
„Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet.“ § 17 Nr.1 TierSchG

II. Der Sachverhalt
Am Vormittag des 5. Juni 2000 mähte der Bauer B. mit einer Mähmaschine seine Wiese. Er hielt es für möglich, dass sich auf dem Gelände Rehkitze befinden und sie dadurch getötet werden würden.

Gleichwohl führte er seine Arbeit durch. Dabei nahm er den Tod der Kitze billigend in Kauf, weil er an diesem Tage unbedingt seine Wiesenfläche mähen wollte. Tatsächlich waren in der Wiese fünf Kitze abgelegt, die durch das Mähen getötet wurden.

III. Das Urteil
Das Gericht verurteilte B. zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 30 DM, insgesamt also 3600 DM. Zusätzlich wurden B. sämtliche Verfahrenskosten auferlegt.

Nach dem vorliegenden Sachverhalt stehe fest, so das Gericht in seiner Begründung, dass B. die fünf Rehkitze vorsätzlich ohne vernünftigen Grund getötet habe. Damit habe er nach § 17 Nr.1 TierSchG eine Straftat begangen.

Unter Berücksichtigung der Höhe des Einkommens von B. und der Anzahl der Tagessätze sei ein Betrag von 30 DM je Tagessatz tat- und schuldangemessen. Amtsgericht Pirmasens, Urt. v. 2.8.2001 – 4008 Js 8545/00.1 Cs –

IV. Anmerkungen
1. Zum Urteil: Es ist schon erstaunlich, mit welcher Rohheit und Rücksichtslosigkeit hier gegen das noch völlig fluchtunfähige Wild vorgegangen wurde, um eigene Interessen umzusetzen. Bedenkt man, dass Landwirt B. noch nicht einmal nach dem zweiten und dritten getöteten Kitz das Mähen unterbrach und den Rest der Wiesen kontrollierte oder den Pächter darum bat, so erscheint die verhängte Geldstrafe noch sehr milde.

Trotzdem ist das Urteil ein Lichtblick. Denn es stellt klar, dass auch beim Einsatz landwirtschaftlicher Maschinen auf den Tierschutz zu achten ist. Das bewusste Inkaufnehmen vermeidbarer Verletzungen und Tötungen stellt nach dieser zutreffenden Entscheidung eine Straftat nach dem Tierschutzgesetz dar.

2. Zur Rettungspflicht: In diesen und ähnlichen Fällen stellt sich die Frage, was von Landwirten und Grundstückseigentümern verlangt werden kann, um das Ausmähen von Jungwild und Gelegen wenigstens zu reduzieren. Ganz verhindern wird man das nie können. Ausgangspunkt hierbei ist, dass der Landwirt als Verursacher der Gefahr nach dem Tierschutzgesetz allgemein gehalten ist, vermeidbare Tötungen und Verletzungen zu verhindern. In diesem Sinne bedeutet „vermeidbar“, dass die Beeinträchtigungen durch besonders sorgfältiges Verhalten und zumutbare Verhütungsmaßnahmen abgewendet oder vermindert werden können.

Zumutbar ist es daher nach meiner Auffassung, dass der Bauer den zuständigen Jagdausübungsberechtigten oder seinen Vertreter (Jagdaufseher) rechtzeitig vor dem Mähen benachrichtigt, damit dieser durch Absuchen und Anbringung von Wildscheuchen die Gefahr verringern kann. Ist das zeitlich nicht mehr möglich, so ist der Landwirt gehalten, das Gebiet selbst zu kontrollieren und das vorgefundene Jungwild/Gelege ausreichend weiträumig zu umfahren, um dem Tierschutz zu entsprechen. Zusätzlich sind geeignete Wildretter zu verwenden, um den Schutz der Tiere zu erhöhen.

Das gilt umso mehr, als der Landwirt als Grundeigentümer und damit als Inhaber des Jagdrechts nach § 3 Abs.1 S.1 BJG in Verbindung mit § 1 Abs.1 S.2 BJG auch hegepflichtig ist. Als solcher ist er gesetzlich verpflichtet, Gefahren vom Wild abzuwenden, soweit ihm das möglich und zumutbar ist. Die bewusste Inkaufnahme von Schädigungen, die ohne großen Aufwand vermeidbar sind, stellt eine schwere Verletzung dieser Pflicht dar.

Handelt es sich um eine Wiese, in der es bereits in den vergangenen Jahren zu Wildverlusten gekommen ist, so drängt es sich geradezu auf, dass wieder mit Jungwild zu rechnen ist und daher Verhinderungsmaßnahmen durchzuführen sind.

V. Ergebnis
1. Wer die Verletzung und/ oder Tötung von Rehkitzen durch Ausmähen als möglich voraussieht (beispielsweise wegen der geographischen Lage der Wiese oder früherer Fälle von dort totgemähten Kitzen), gleichwohl aber keine geeigneten Verhinderungsmaßnahmen trifft und trotzdem das Mähen durchführt, es also „darauf ankommen lässt“, nimmt den Mähtod der in der Wiese abgelegten Kitze billigend in Kauf und handelt daher vorsätzlich. Er begeht nach dem Tierschutzgesetz eine Straftat, die bei einer Ersttat in aller Regel vom Gericht mit einer Geldstrafe geahndet wird.

2. Ein Landwirt ist als Verursacher und Hegepflichtiger verpflichtet, alles Zumutbare zu unternehmen, um Beeinträchtigungen von Wild und/oder Gelegen zu verhindern. Hierzu gehören vor allem die rechtzeitige Benachrichtigung des zuständigen Jagdausübungsberechtigten, ein besonders vorsichtiges Verhalten, das Umfahren des gefährdeten Wildes/Geleges sowie die Verwendung von geeigneten Wildrettern.

3. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um ein Gebiet handelt, in dem auf Grund seiner Lage oder früherer Fälle in erhöhtem Maße mit Jungwild/Gelegen gerechnet werden muss.
Die von der Bundesregierung geplante Übernahme des Tierschutzes in das Grundgesetz wird das Maß des Zumutbaren noch erhöhen.


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