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Die Jagdwaffe von der „Ich-AG“

1930


„Verachtet mir die Meister nicht …“:
Die Bundesregierung reformiert die Handwerksordnung und lässt dabei die Büchsenmachermeister „über Bord“ gehen. Das Handwerk selbst fürchtet fatale Auswirkungen auf die Waffensicherheit. Die Union hat die Reform mit ihrer Mehrheit im Bundesrat erst einmal gestoppt und den Vermittlungsausschuss angerufen.

„Ich-AG“-Verfechter, Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement, will mit der Reform der Handwerksordnung den Arbeitsmarkt in Deutschland ankurbeln

Von Alexander Krah

Verachtet mir die Meister nicht, und ehrt mir ihre Kunst“. Damit klärte am Ende des dritten Aktes der „Meistersinger von Nürnberg“ Hans Sachs den jungen Walter von Stolzing, Sieger des Sängerwettbewerbes, über das wahre Wesen einer Meisterwürde auf. Er nahm daraufhin, nach vorhergegangener Ablehnung, das Wahrzeichen der Zunft an.

Wachstumsimpulse für die schwächelnde Wirtschaft

Heute erklärte der Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement gerade das Gegenteil und will mit einer radikalen Änderung der Handwerksordnung, bei der eine vorgeschriebene Meisterprüfung in 94 Gewerken laut Anlage A zur Eröffnung eines selbstständigen Handwerkbetriebes erforderlich ist, auf 29 absenken. Jeder Geselle dieser verbliebenen Gruppe soll zusätzlich damit das Recht erhalten, nach zehn Jahren Tätigkeit in seinem Beruf, ohne Meisterprüfung, einen eigenen Betrieb eröffnen zu können. In der Anlage A, dem sogenannten Vollhandwerk, sollen lediglich die Gewerbe bleiben, bei deren Ausübung Gefahren für die Gesundheit oder das Leben Dritter entstehen können. Auch für das Büchsenmacherhandwerk ist ein Meisterbrief nicht mehr erforderlich. Mit der Umschichtung in die Anlage B der neuen Verordnung benötigt der Büchsenmachergeselle noch nicht einmal diese zehn Jahre Berufserfahrung, sondern kann sofort in die Selbstständigkeit starten.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Soziales erhofft sich von dieser Reform Wachstumsimpulse für die schwächelnde Wirtschaft. In Deutschland soll die recht niedrige Selbstständigenquote steigen. Eine Idee, die nur die konsequente Fortsetzung der Hartz-Vorschläge zur Senkung der Arbeitslosigkeit sei, meinte die SPD-Fraktion im Wirtschaftsausschuss. Die Handwerksverbände sind empört und kritisieren, dass sie im Vorfeld nicht oder nur unzureichend in die Vorbereitung derartiger Entscheidungen mit einbezogen wurden.

Energische Proteste

Der Vorsitzende des Bundesinnungsverbandes für das Büchsenmacher-Handwerk, Helmut Adamy aus Suhl, hat sich beschwerdeführend an Bundesinnenminister Otto Schily gewendet und protestierte energisch im Namen seiner Mitglieder gegen die beabsichtigte Überführung des Büchsenmacherhandwerkes in die Anlage B der neuen Verordnung als zulassungsfreies Handwerk.

Zweifellos gibt es auch Eingeständnisse von Vertretern aus Handwerkskammern, dass sie die gegenwärtige und sicher in einigen Punkten renovierungsbedürftige Handwerksordnung „wie eine Bibel vor sich hergetragen haben und zu einer notwendigen Reform nicht fähig oder bereit waren“. Um so größer der gegenwärtige Schock.
Darin besteht aber nicht Adamys Vorwurf gegenüber Minister Schily. Er hält die vorgesehene Änderung mangels wissenschaftlichen Sachverstandes und fehlender ausreichender Analysen über die Ursachen der wirtschaftlichen Talfahrt kaum für geeignet, um zu mehr Wachstum und Beschäftigung zu kommen.

Die Fachkunde wird mit Eintrag in die Handwerkerrolle „angenommen“

Das Büchsenmacherhandwerk aber einerseits in die Reihe der „nicht gefahrengeneigten“ Handwerke einzuordnen, sei verantwortungslos und lasse in hohem Maße wirklichen Sachbezug vermissen, schreibt Innungsmeister Adamy. Die geltenden waffenrechtlichen Bestimmungen und Prüfpflichten der Beschussämter wären in keiner Weise geeignet und tauglich, die eigentliche Fertigung von Teilen oder ganzen Schusswaffen fachgerecht zu gewährleisten.

Der neue Präsident der DEVA, Michael Sturm, stieß ebenfalls in das Horn der Büchsenmachermeister. Das Waffenrecht werde deutlich verschärft, was für die selbstständigen Büchsenmacher erhöhte Anforderungen an deren Qualifikation bedeute, schreibt Sturm an Bundeswirtschaftminister Clement. Sturm äußerte die Ansicht, dass bei vielen Gesellen nach der normalen Ausbildung nicht genügend Wissen vorhanden sei, um Kunden richtig zu beraten oder schwierige Arbeiten an Waffen auszuführen. Der DEVA-Präsident weißt in diesem Zusammenhang auf die Erfahrungen aus unzähligen Meisterschulungen hin, die von der Prüfanstalt abgehalten werden, und bestätigt damit die Aussage von Meister Adamy.

Das Bundesinnenministerium sieht in der Reform der Handwerksordnung kein Problem. Aus waffen- und beschussrechtlicher Sicht bestünden keine Bedenken gegen die vorgesehene Änderung. Ansonsten liegt Schily voll auf Parteilinie und stärkt seinem Kabinettskollegen Clement den Rücken.

Die Sachkunde sei mit Bestehen der Gesellenprüfung gegeben und die Fachkunde wird mit Eintrag in die Handwerkerrolle „angenommen“, meint das Innenministerium. Und weiter, „selbst wenn diese künftig an eine geringfügig abgesenkte Qualität geknüpft sein sollte, ist dies waffenrechtlich unschädlich“. Die Prüfung der Beschussämter durch Einzel- und Wiederholungsbeschuss seien ausreichend.

Außerdem meint die Behörde: „Betriebe, deren Arbeiten wiederholt als mangelhaft zurückgewiesen werden, werden sich am Markt nicht halten.“ Ade mit dem Slogan der „Jagdwaffe aus Meisterhand“?

Erhalt und Qualität der handwerklichen Leistungen

Diese Frage warf auch der Landesinnungsmeister der Büchsenmacher in Bayern, Jürgen R. Triebel aus Kaufbeuren, gegenüber Ministerpräsident Edmund Stoiber auf. Dabei wies er auf eine ganze Reihe von Arbeiten am System, der Sicherung und des Abzugsmechanismus hin, die für den Waffenbesitzer sicherheitsrelevant seien, ohne dass dem Büchsenmacher ein Reperaturbeschuss vorgeschrieben sei.

Im Auftrag Stoibers kündigte der Referent für Wirtschafts-, Finanz- und Verkehrspolitik, Stephan Rauhut, an, dass die unionsgeführten Länder diese Pläne der Bundesregierung im Bundesrat blockieren würden. Dabei ginge es um den Erhalt der Ausbildungsleistung und Ausbildungsfähigkeit sowie um die Qualität handwerklicher Leistungen. Dies würde gegenüber dem Verbraucher mit dem Meisterbrief gesichert. Eine Modernisierung würde in jedem Falle nicht gegen, sondern mit dem Handwerk gemacht. Diese Argumente hatte auch die Unionsfraktion im Bundestag bereits geäußert.

Wille zur Verständigung

Für überaus bedauerlich hält auch der Geschäftsführer des Zentralverbandes des deutschen Handwerks, Rechtsanwalt Hans-Jürgen Aberle, dass die Bundesregierung im Vorfeld und in der Phase von Entscheidungen die Novellierung der Handwerksordnung ohne angemessene Beteiligung des Handwerks übereilt vorangetrieben hat. Auch wäre vom Zentralverband das Büchsenmacherhandwerk stets als „gefahrengeneigtes Handwerk“ ausgewiesen worden. Clement signalisierte nach einer heftigen Diskussion im Bundesrat den Willen zur Verständigung. „Er sei aber nicht bereit, das Handwerk so zu lassen, wie es sei“, sagte der Minister in der Länderkammer.

Einig sind sich alle Büchsenmachmeister, dass die gegenwärtige sorgenvolle Auftragssituation in der Branche durch die Reform sicher nicht verbessert wird.

Otto Schily liegt ganz auf Parteilinie. Er sieht in der Verschärfung des Waffenrechts kein Hindernis, das Handwerk zu reformieren


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