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BJG-Entwurf liegt in der Schublade

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Auf Goebbels und Honneckers Spuren zum neuen Jagdgesetz:
Der Reformzug zum Bundesjagdgesetz ist ins Stocken geraten. Mit Pressekonferenzen versuchen der Deutsche Naturschutzring (DNR), der Naturschutzbund (Nabu) und der parlamentarische Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium, Matthias Berninger (Bündnis 90/Grüne), die Novellierungsdiskussion wieder anzuschieben.

 

(v.l.) Staatssekretär Matthias Berninger, Nabu-Vizpräsident Christian Unselt, Nabu-Mann Gregor Beyer und DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen (hier bei einer Exkursion mit Martin Krassuski, Vorsitzender der Kulturlandschaft Uckermark) wollen ein neues Bundesjagdgesetz noch in dieser Legislaturperiode

Von Alexander Krah

Berlin – Reichstag, Donnerstag der 18. September, 8.45 Uhr. Eine Gruppe handverlesener DNR-Mitglieder besteigt einen komfortablen Reisebus in Richtung Schorfheide. Ein gutes Dutzend Journalisten soll von der absoluten Notwendigkeit der Schaffung eines neuen Bundesjagdgesetzes (BJG) überzeugt werden. Eingeladen dazu hatte Helmut Röscheisen, Generalsekretär des Deutschen Naturschutzringes.

Prominentes Zugpferd

„Wie überfällig die Reform des BJG ist, wollen wir Ihnen bei einer Journalistenbereisung in das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin zeigen. Dieses Gebiet diente bereits als Jagdrevier von Goebbels und Honnecker“, schrieb Röscheisen „geschichtsbeflissen“ in seiner Einladung. Wer nun glaubte, neue jagdhistorische Erkenntnisse aus dem Dritten Reich mit Goebbels als Jäger zu erfahren, sah sich getäuscht, denn der Reichspropagandaminister, der es mit der Wahrheit nicht immer so genau nahm, hatte nie eine Flinte in der Hand. Auch dass man Erich Honnecker für die Notwendigkeit der Reform eines eher „westdeutschen“ Bundesjagdgesetzes strapazierte, verblüffte den kundigen Betrachter.

Prominentes Zugpferd bei der Pressefahrt ist der parlamentarische Staatsekretär im Verbraucherschutzministerium, Matthias Berninger, der sich bislang als einziger aus der Behörde zum Thema „Reform des Bundesjagdgesetzes“ geäußert hat (WuH 18/ 2002). Berninger hat bislang keinen Hehl aus seinen Sympathien für die Reform-Positionen des DNR gemacht. Dass diese nicht mehrheitsfähig sind und auch in Brandenburg nicht unbedingt auf viel Gegenliebe stoßen, musste der DNR im Vorfeld der Veranstaltung erfahren. Zunächst wurde noch angekündigt, dass in der Lehr-Oberförsterei Chorin Oberförster Roland Ueckermann die Begrüßung für diese Veranstaltung übernähme. Dann war da noch der Waldbaureferent in der Forstabteilung des Brandenburger Agrarministeriums, Dr. Michael Luthardt als Exkursionsmoderator benannt.

Das Ministerium arbeitet gegenwärtig selbst an einem völlig neuen, eigenständigen Landesjagdgesetz, das der Landtag bereits in erster Lesung behandelt hat. Offensichtlich hatte die Behörde keine Lust, eine Veranstaltung zu unterstützten, deren Ziel es ist, ihr eigenes Gesetz wieder außer Kraft zu setzen. Die Oberste Jagdbehörde von Brandenburg mit ihrem Leiter Dr. Roland Maier war über den Termin nicht informiert. Jedenfalls gab es schnell ein neues Programm, ohne Landesbedienstete, wie auch die Lehr-Oberförsterei Chorin als Exkursionspunkt zurückgezogen wurde. Damit musste Staatssekretär Berninger ohne Bahnhof der Landesregierung bei seinem Programm auskommen.

Vorhandene wirtschaftliche Wald-Wildkonflikte

Von der Exkursion blieb nur noch eine Station im Grumsiner Forst, einem 480 Hektar großen Totalreservat, das dem Förderverein Kulturlandschaft Uckermark gehört und als Eigenjagd betrieben wird. An einer fünfjährigen Weiserfläche wurde den Journalisten die Verbissbelastung in diesem Gebiet vorgestellt. Martin Krassuski, Vorsitzender des Vereins Kulturlandschaft Uckermark, und Gregor Beyer vom Nabu erläuterten das trotz Totalreservat notwendige Jagdkonzept und wiesen nach, dass sie innerhalb einer kurzen Jagdzeit mittels drei Intervalljagden und zwei großräumigen und mit den Jagdnachbarn abgestimmten Drückjagden ihre Strecken beträchtlich steigern konnten. Als einziger Forstmann und Vertreter des Brandenburger Waldbesitzerverbandes erläuterte Thomas Weber, Leiter des Stadtforstamtes Fürstenwalde, die durchaus vorhandenen wirtschaftlichen Wald-Wildkonflikte aus der Sicht des privaten Waldbesitzers.

Insgesamt versuchten die einzelnen aufgebotenen Experten des DNR, dazu zählten unter anderem Elisabeth Emmert vom Ökologischen Jagdverein, Dr. Eberhard Schneider, Vorsitzender des Vogelschutzkomitees, der sich in jüngster Zeit gerne unter sektennahen Jagdfeinden zeigt, und Thorsten Schmidt vom Deutschen Tierschutzbund. In ihren Statements zeichneten sie wie erwartet das Bild von den Hirsch-mästenden, reichen Jagdpächtern, denen es nur darum ginge, mit ihrem Geld und unter Mithilfe weniger bemittelter Jäger ohne Rücksicht auf den Wald starke Trophäen zu erbeuten.

Lediglich Joachim Selesnow von der Schutzgemeinschaft Deutsches Wild versuchte mehrfach, ein Mindestmaß von Sachlichkeit in der Diskussion zu sichern. Neben der Schutzgemeinschaft Deutsches Wild tragen im DNR die Deutsche Reiterliche Vereinigung, der Deutsche Kanuverband, der Deutsche Landschaftspflegeverband, die Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt NRW und die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald die sattsam bekannten ReformPositionen des DNR nicht mit. Die Antwort, warum deren formulierte Auffassungen nicht mit vorgelegt wurden, immerhin ein Anspruch für eine demokratisch legitimierte Meinungsbildung, blieben die Veranstalter schuldig.

Ein neues Jagdgesetz

Das Podium für das eigentliche Pressegespräch bestand aus Staatssekretär Matthias Berninger, Nabu-Vizepräsident Christian Unselt, DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen und Gregor Beyer, Nabu-Mann vor Ort. Berninger erläuterte, wie er sich landauf, landab um persönliche Eindrücke über die Jagd bemühe, wobei er immer wieder die Organisation im bayrischen Staatsforst präferierte. Auf Fragen von WILD UND HUND, ob nicht zur Lösung der meisten aufgeworfenen Probleme nur Defizite im Vollzug des geltenden Jagdgesetzes vorhanden wären, gab er zu, dass es dieselben zwar gäbe, aber dass das gegenwärtige geltende Recht viel zu kompliziert in der Handhabung sei, und eben deshalb ein neues Jagdgesetz her müsse.

Äußerungen der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und des Bundesinnenministers Otto Schily (SPD) (siehe WuH 16/03, S. 12), die beide bei einer Reform der bundesstaatlichen Ordnung das Jagdrecht in Länderhand sehen, wiegelte Berninger ab. Auch Frau Zypries und Herr Schily hätten sich an die Koalitionsvereinbarung zu halten, meinte er selbstbewusst dazu. Übrigens – so konträr die Positionen zwischen DJV und DNR in Sachen Jagdrecht auch seien, auf ein Bundesjagdgesetz wollten doch wohl beide nicht verzichten, meinte der Staatssekretär.

Überraschung

Die Überraschung kam dann ziemlich zum Schluss. Auf die Frage eines Journalisten, ob es denn schon einen Entwurf für ein neues Bundesjagdgesetz gebe, bestätigte Berninger dies und bat aber um Verständnis, dass er daraus noch nicht zitieren könne, da seine Chefin, Agrarministerin Renate Künast, den Entwurf noch nicht gelesen hätte.

So blieben die Teilnehmer der Pressefahrt mit der eigentlich interessanten Frage, was denn jetzt in diesem Entwurf stehe, den Berninger in der Schublade hat, alleine. Im Verbraucherschutzministerium weiß offiziell niemand von diesem Entwurf. Das zuständige Jagdreferat zuckt auf Anfrage mit den Achseln.

Und so fanden sich die Journalisten nach einem Buffet mit Grünkernsalat, Quarkkreationen und Wildschwein am Spieß wieder im Bus Richtung Berlin, wo die Reformlokomotive immer noch hängt.

Staatssekretär Matthias Berninger erinnert die SPD an den Koalitionsvertrag und fordert eine Reform des BGJ. Einen Entwurf dazu habe er in der Schublade, meinte der Grünen-Politiker

 

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