Jagen in Alaska und Kanada
Alaska, Yukon, Britisch Kolumbien und die Nordwest-Territorien – Namen, mit denen Jäger atemberaubende Natur und die faszinierende Jagd auf Elch und Bär, Schaf und Karibu verbinden. Wer hier fernab von jeglicher Zivilisation durch die Wildnis pirscht, erlebt vielleicht eines der letzten Abenteuer unserer Zeit.
Das Krachen von Elchschaufeln verliert sich im weiten Talkessel des Copper-Rivers in der Alaska-Range, einer Gebirgskette im hohen Norden des amerikanischen Kontinents. Schneebedeckte 3000er umrahmen das Tal, dessen Vegetation im September in den prächtigsten Farben leuchtet. Indian Summer heißt dieses Phänomen, das in unseren gemäßigten Breiten wenig vielversprechend Altweiber-Sommer genannt wird und das dennoch für eine der schönsten Zeiten im Jahr steht.
Schon Ende August sanken die Temperaturen nachts unter den Gefrierpunkt und ließen den heißen, aber kurzen nordischen Sommer ausklingen. Der Tundraboden ist wie mit einem rot-goldenen Teppich aus Beersträuchern, Weiden und Zwergbirken bedeckt. Irgendwie erscheint der Himmel blauer als bei uns, der Horizont ist weiter, es ist angenehm warm und fast windstill. Nur das Schnauben der Pferde, ihre gedämpften Tritte und das Ächzen der Sättel unterbrechen ab und zu die Stille.
Guide (Jagdführer) und Jäger folgen auf den Pferden einem alten Elch-Wechsel dicht am Fluss. Irgendwo zwischen Weiden und Fichten, Erlen und moosbewachsenen Granitfelsen hoffen sie, einen guten Elchbullen zu finden.
Jetzt, in der Brunft, ziehen die Elche aus den hochgelegenen Seitentälern der Flüsse in die Haupttäler und buhlen um die Gunst der Elchkühe. Treffen zwei Rivalen aufeinander, stolzieren die Hirsch-Giganten mit seltsam anmutenden wankenden Schritten im Kreis und schaukeln bedächtig mit dem Haupt, auf dem das riesige, bis zu 40 Kilogramm schwere Schaufel-Geweih thront. Lässt sich einer der Kontrahenten nicht einschüchtern, kommt es zum Kampf: Jeder der Bullen wirft sich mit seinen 800 Kilogramm gegen den Rivalen und versucht den anderen zu vertreiben. Dabei kämpfen die sonst so behäbig wirkenden Giganten wie wendige Kampfstiere in einer spanischen Arena; die Fetzen fliegen und die mächtigen Schaufeln krachen ineinander, bis der Schwächere nachgibt.
Das Krachen von Schaufeln
Jetzt hören die beiden es wieder: Das Krachen von Schaufeln, berstende Zweige. „Runter vom Pferd“, zischt der Guide, „runter, vielleicht ist es der Bulle, den wir gestern mit dem Spektiv gesehen haben.“ Hastig springt er vom Pferd. Etwas steif gleitet auch der Jagdgast aus dem Sattel und zieht seine .300 Winchester Magnum aus dem Scabbard – dem ledernen Sattelholster.
Ein Tier mit über zwei Metern Schulterhöhe
Und dann geht es zu Fuß durch den Weiden-Dschungel am Flussbett vorsichtig in Richtung der Geräusche. Langsam und bedächtig pirscht der Guide voran, den kurzen Unterhebel-Repetierer .444 lässig in der rechten Hand. Der weiche Fluss-Sand knirscht unter den Sohlen, als sie plötzlich die Fährte eines Bären passieren. Die Krallenabdrücke zeichnen sich weit vor dem riesigen Ballen im Sand ab – ein Grizzly, der am Fluss langwechselte. Die dichte Vegetation, das Halbdunkel im Uferbereich, angeschwemmte Baumstämme, hinter denen sich selbst ein Elefant verstecken könnte, lösen Beklemmung aus. Der Jäger greift unwillkürlich den Repetierer fester und überprüft zum x-ten Mal, ob tatsächlich eine Patrone in der Kammer ist. Was passiert, wenn hier ein Bär annimmt? „Bestimmt ein Acht-Fuß-Bär“, flüstert der Guide und winkt aber ab. „Wer weiß, wo der jetzt ist.“ Schade, ein kapitaler Grizzly, vielleicht sogar ein Silvertip – bei dem die Grannenhaare silbrig-grau glänzen – ein Jägertraum. Jetzt gilt es aber dem Elch.
Immer wieder bleiben die beiden stehen und lauschen. Keine Geräusche mehr, das Krachen der Schaufeln ist verstummt. Plötzlich nimmt der Guide das Glas hoch, geht vorsichtig in die Hocke und gibt dem Jäger ein Zeichen, es ihm gleich zu tun. Die Vegetation wird ein wenig lichter und öffnet sich vor den Elchjägern wie zu einer Arena. „Moose – a good bull – Elch, ein guter Bulle“, haucht der Guide und zeigt nach vorn. Zwischen Weiden und Fichten, im Spiel von Licht und Schatten sieht der Jäger – nichts. Ein Tier mit über zwei Metern Schulterhöhe, und er sieht es nicht. Der Jagdgast starrt durch das Glas und versucht das Wirrwarr der Vegetation mit seinen Blicken zu durchdringen. Fieberhaft sucht er nach irgendwas, was wie ein Elch aussieht. Der Guide zeigt immer noch nach vorn, und der Jäger sieht immer noch nichts – wo zum Teufel…
Plötzlich eine winzige Bewegung, ein kleiner heller Fleck zwischen den Ästen einer Fichte. Und dann entpuppt sich der helle Fleck als winziges Teil einer Elchschaufel, die hell in der Sonne glänzt. Als würde ein Vorhang fallen, sieht der Jäger plötzlich schemenhaft in dem Astgewirr den mächtigen Vorschlag eines kapitalen Elchbullen. Aus 70 Meter Entfernung hat der Elch Guide und Gast entdeckt und äugt reglos zu ihnen rüber. „Get ready – mach dich fertig!“, flüstert der Guide. Der Jäger nimmt die Büchse langsam hoch, entsichert und versucht in dem Astgewirr eine Lücke zu finden. Sein Atem geht schneller und das Blut in seinen Adern pocht gegen die Schläfen.
„Shoot
Und dann geht alles ganz schnell: Links neben dem Bullen steht eine Kuh, die der Jäger nicht gesehen hat und die urplötzlich seitlich wegflüchtet. Eine zweite Kuh prescht hinterher und noch irgend etwas prasselt weg. Der Bulle dreht sich und folgt den beiden in dem so seltsam aussehenden Stechschritt, der zwar gemütlich und langsam wirkt, der aber doch so schnell und raumgreifend ist, dass ein Pferd im Galopp kaum mithalten kann. „Shoot, shoot“, zischt der Guide nervös. Der Bulle passiert eine kleine Lücke im Bestand. Der Jäger ist gut drauf, drückt ab – kein Zeichnen, Repetieren – „Shoot again – schieß nochmal“. Er schießt nochmal und nochmal und dann hat die Ufervegetation das riesige Wild verschluckt. Ein letztes Knacken. Stille.
Hektisch rennt der Guide zum Anschuss. „Get your safety on – sichern“, ruft er dem aufgeregten Jäger im Laufen zu. Am Anschuss findet sich nichts. Beide gehen der Fährte nach. Selbstzweifel nagen an dem Schützen: Ein Elch, so groß wie ein Pferd, da kann man doch nicht vorbeischießen. Oder doch? Dann plötzlich Erleichterung: Nach 50 Metern der erste Schweiß – hell und vielversprechend. Und plötzlich liegt nach weiteren 50 Metern der Bulle. Die eine Schaufel ragt schräg nach oben, die andere hat sich in den sumpfigen Boden gebohrt. Im Fallen hat der Riese einen kleinen Kahlschlag in den Weiden- und Fichtennachwuchs geschlagen.
Alle Schüsse sitzen in der Kammer. Der Jäger ist überwältigt von der Größe des Tieres: Alles ist riesig, die Läufe, die Schalen, das Haupt und die Schaufeln. Und der Jäger freut sich, weil er ehrlich und ursprünglich gejagt hat und die Jagd erfolgreich war. Selbst wenn er keinen Elch bekommen hätte, wäre es dieser eine Jagdtag schon wert gewesen, den weiten Weg nach Nordamerika anzutreten.
Ob auf Elch, Bär oder Moschusochse: Die Jagd in der Wildnis des Nordens ist eine Herausforderung, die ihresgleichen sucht. Belohnt wird sie mit unvergesslichen Eindrücken |