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Wildschaden – Mitverschulden und Wiederanbau

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Mitverschulden und Wiederanbau
Mark G. v. Pückler
Vors. Richter am Verwaltungsgericht a. D.

Mitverschulden und Wiederanbau

I. Die Rechtsgrundlage
1. „Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teile verursacht worden ist. Das gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Geschädigten darauf beschränkt, dass er es unterlassen hat, … den Schaden abzuwenden oder zu mindern.“ § 254 Bürgerliches Gesetzbuch
2. „Bei der Feststellung der Schadenshöhe ist jedoch zu berücksichtigen, ob der Schaden nach den Grundsätzen einer ordentlichen Wirtschaft durch Wiederanbau im gleichen Wirtschaftsjahr ausgeglichen werden kann.“ § 31 Abs. 2 S. 2 BJagdG

II. Der Sachverhalt
In einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk hatte Schwarzwild erhebliche Schäden im Mais verursacht. Der geschädigte Landwirt meldete den Schaden bei der Gemeinde an, die Gemeinde verpflichtete den Jagdpächter, den Schaden voll zu ersetzen. Hiergegen erhob der Jäger Klage. Zur Begründung machte er geltend, dass den Landwirt ein erhebliches Mitverschulden treffe, weil er ihm die Aussaat und den Eintritt der Milchreife nicht mitgeteilt hatte, obwohl in den vergangenen Jahren jeweils Wildschäden auf dieser Fläche entstanden waren. Er habe daher nicht rechtzeitig Abwehrmaßnahmen treffen können.

III. Das Urteil
Das Amtsgericht gab dem Jagdpächter Recht. Es kam zu dem Ergebnis, dass den Landwirt eine erhebliche Mitschuld am Eintritt des Schadens trifft, weil er ihm nicht die Aussaat und den Eintritt der Milchreife mitgeteilt hatte. Dieses Mitverschulden ergebe sich daraus, dass es in den vergangenen Jahren jeweils zu Wildschäden auf diesen Flächen gekommen ist. Der Landwirt sei daher aufgrund seiner Schadensminderungspflicht gehalten gewesen, diese Mitteilung so rechtzeitig zu machen, dass der Jagdpächter Sicherungsmaßnahmen hätte erstellen können (zum Beispiel Elektrozaun). Dieses Mitverschulden sei „ganz überwiegend“ und betrage daher 75 Prozent, sodass der Jagdpächter lediglich ein Viertel des Schadens zu ersetzen habe. Amtsgericht Betzdorf, Urteil vom 14.1.1998 – 11 C 378/96 -, Landgericht Koblenz, Urteil v. 29.7.1998 – 3 S 47/98 –; ebenso ganz neu zur Aussaat: Landgericht Lüneburg,, Urteil v. 4.7.2013 — 10 S 3/13 –

IV. Anmerkungen
1. Mitverschulden am Schadenseintritt
Ein Mitverschulden des Geschädigten wirkt sich im gesamten Haftungsrecht stets anspruchsmindernd aus. Je nach Schwere des Ursachenbeitrags und Verschuldens reduziert sich der Ersatzanspruch bis hin zu seinem vollständigen Erlöschen. Weil die Haftung für Wildschäden in gemeinschaftlichen Jagdbezirken auf Seiten des Ersatzpflichtigen kein Verschulden erfordert, wirkt sich ein Mitverschulden auf Seiten des Geschädigten besonders gravierend aus. Ein Mitverschulden liegt in der Regel vor, wenn der Geschädigte den Eintritt des Schadens dadurch mit verursacht, dass er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich selbst vor Schaden zu bewahren. Je schwerer sein Beitrag am Schadenseintritt
wiegt, desto mehr vermindert sich sein Ersatzanspruch (§ 254 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch). Das Gleiche gilt, wenn der Geschädigte diejenigen Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder Schadensminderung vornehmen würde, um sich selbst vor Schaden zu schützen. Das verlangt die ihm obliegende Schadensabwendungs- und -minderungspflicht nach § 254 Abs. 2 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch. Die Tatsache, dass ein anderer für den Schaden haftet, darf nicht dazu (ver-)führen, untätig zu bleiben oder gar den Schaden „sehenden
Auges“ als willkommen hinzunehmen, nur weil ein anderer ihn ersetzen muss. Der Gedanke „was ich habe, kann mir ein künftiges Unwetter nicht mehr nehmen“, ist völlig inakzeptabel. Im Übrigen ist für die Schadenshöhe nach § 31 Abs. 2 S.1 BJagdG
der Erntezeitpunkt maßgebend, sodass Ursachen, wie zum Beispiel Gewitter oder Überschwemmungen, die zwischen der Schädigung und der Ernte den Schaden ebenfalls herbeigeführt hätten, grundsätzlich schadensmindernd zu berücksichtigen sind (streitig).
Hiernach liegt ein Mitverschulden des Geschädigten zum Beispiel vor, – wenn der Landwirt die Ernte schuldhaft verspätet eingebracht hat, weil dadurch die Frucht unnötig lange und infolge der allgemeinen Äsungsverknappung einer erhöhten Wildschadensgefahr ausgesetzt war (Amtsgericht Stromberg, Urteil vom 30.6.1966 – 2 C 274/64 -: Mitverschulden 50 Prozent); – wenn der Landwirt nach der Maisernte zahlreiche Bruchkolben liegen ließ und sie anschließend mit der Einsaat einer neuen Frucht untergepflügt hat, sodass die neue Frucht durch das Brechen nach den Bruchkolben beschädigt wurde (Landgericht Schwerin, Urt. vom 8.11.2002 – 6 S 269/2001 -: Mitverschulden 100 Prozent, also Verlust des Anspruchs; WuH 5/2003, S. 66); – wenn der Landwirt die Sauen auf seinem Feld gesehen, gehört oder gefährtet hat, gleichwohl aber den Jagdpächter nicht darüber informierte, sodass dieser infolge Unkenntnis keine weiteren Schäden verhindert hat (ähnlich zu obigem
Fall);- wenn der Landwirt die vom Jäger zur Abwehr von Wildschäden getroffenen Maßnahmen unwirksam machte (Anspruch nicht gegeben, § 32 Abs. 1 BJagdG);
– wenn der Landwirt die Errichtung eines Elektrozaunes, eines Ansitzes oder einer
Schussschneise mit niedriger Frucht ohne triftigen Grund untersagte, zum Beispiel
obwohl der Jagdpächter bereit war, ihm den dadurch ausfallenden Ertrag zu ersetzen
(Anspruch nicht gegeben, Mitzschke/ Schäfer, § 32 Anm. 5; Drees/Thies/Müller-
Schallenberg, § 31 BJagdG); – wenn der Landwirt es bei einer Umwandlung von Grünland in eine gefährdete Frucht (hier: Hafer) unterlies, den Jagdpächter auf die dadurch drohenden Wildschäden hinzuweisen (Landgericht Lüneburg, Urt. v. 20.12.1984 – 1 S 251/84 -); – wenn der Landwirt den Jagdpächter nicht über den Neuanbau gefährdeter
Pflanzen unterrichtete, die in der Umgebung noch nicht vorkommen und daher besonders angenommen werden; – wenn der Landwirt vom Jagdpächter Mittel zur Errichtung geeigneter Schutzmaßnahmen erhielt, er sie aber abredewidrig nicht ausgeführt hat (Anspruch nicht gegeben, Mitzschke/Schäfer, § 35 Anm. 5). Das Vorliegen eines  Mitverschuldens muss grundsätzlich der Ersatzpflichtige beweisen. Bei der Bestimmung der Schadenshöhe sind alle ersparten Aufwendungen in Abzug zu bringen, zum Beispiel
Ernte-, Transport-, Lagerungs- und Bearbeitungskosten. Durch Wildschäden verursachte
Aufräumkosten (zum Beispiel Beseitigung niedergetretener Pflanzen) hat der Ersatzpflichtige zu ersetzen.

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