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In den Fang geschaut

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Das Gebiss ist das wichtigste „Werkzeug“ eines Jagdhundes – doch nicht jedes ist perfekt. Auf was es dabei ankommt, zeigt Thore Wolf.

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Foto: Michael Migos

 

Drei, eins, vier, zwei – drei, eins, vier, drei. Nein, hierbei handelt es sich um keinen Schüttelreim, sondern um die Zahnformel unserer Jagdgebrauchshunde. Übersetzt bedeutet dies, dass der Hund im Oberkiefer auf jeder Seite drei Schneidezähne (Incisivi), einen Eck- oder Fangzahn (Canini), vier vordere (Prämolaren) und zwei hintere Backenzähne (Molaren) hat. Im Unterkiefer ist jeweils ein weiterer Backenzahn vorhanden. Insgesamt 42 Zähne umfasst demnach ein vollständiges Hundegebiss.
Vor diesem Dauergebiss brechen beim Welpen im Alter von drei bis vier Wochen insgesamt 28 Milchzähne durch. In diesem Milchgebiss fehlen jeweils der erste Prämolar (P1) und die Molaren. Während des Wachstums kann es sein, dass zeitweise der Unterkiefer etwas kleiner erscheint als der Oberkiefer. In der Regel wächst sich dies aber wieder aus. Etwa ab dem fünften Monat schiebt der Vierläufer sein vollständiges Dauergebiss, in dem dann auch die Molaren und der P1 angelegt sind.


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Schneidezähne (S), Fangzähne (F), Prämolaren (P) und Molaren (M). Grafik: Dagmar Siegel
Die unterschiedlichen Zähne haben ebenso verschiedene Aufgaben: Wie der Name schon sagt, dienen die Fangzähne zum Töten oder Halten von Beute. Die Schneidezähne hingegen dienen nicht zum Schneiden, sondern vielmehr zum Nagen oder Knabbern. Der Hund kann seinen Unterkiefer lediglich auf und ab bewegen, aber nicht seitlich mahlend, wie zum Beispiel der Mensch.
Deshalb haben die Schneidezähne keine Schneidefunktion. Die Reißzähne, mit denen der Vierläufer Futterbrocken aus dem Beutestück „reißt“ oder besser gesagt, wie mit einer Schere abschneidet, sind seine vorderen Backenzähne. Die Backenzähne von Ober- und Unterkiefer stehen versetzt zueinander, sodass beim Zerkleinern von Nahrung die jeweiligen Backenzähne von Ober- und Unterkiefer knapp aneinander vorbeigleiten.
Eine Ausnahme bilden dabei die beiden ersten Prämolaren (P1) und der dritte Molar (M3) im Unterkiefer. Denn P1 und M3 haben keinen Gegenpart im anderen Kieferbogen, sie stehen sozusagen auf Lücke. Das Scherengebiss wird bei Jagdhunden rasseübergreifend als Ideal angesehen.

 


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Rückbiss
Treffen die Zähne aufeinander, spricht man von einem Zangengebiss, was jedoch nicht in allen jagdlichen Zuchtvereinen erwünscht ist. Ragt jeweils ein Kiefer der Länge nach vor den anderen, ist ein Vor- oder Rückbiss vorhanden. Hunde mit solchen Fehlstellungen haben massive Probleme, ihre Zähne richtig einzusetzen. Aus diesem Grund werden solche Fehler als zuchtausschließend betrachtet. Ob fehlende Zähne ebenfalls ein zuchtausschließender Fehler sind, erhitzt seit langem die Gemüter im Jagdhundewesen.
Denn schaut man dem Vierläufer genauer in den Fang, stellt sich die Frage, ob ein P1, der häufig sehr klein ist, oder ein M3, der keinen „Gegenspieler“ hat, tatsächlich vorhanden sein muss. Auch im Milchgebiss des Hundes ist noch kein P1 angelegt. Angeborene Zahnverluste wurden bereits bei anderen Hundeartigen in der freien Natur festgestellt. Ebenso belegen dies mehrere tausend Jahre alte Skelettfunde von Hundeunterkiefern. Es scheint also, als seien fehlende Backenzähne ein
„natürliches, entwicklungsgeschichtliches Phänomen“
(Uhde 2009).

 


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Vorbiss
Einige jagdliche Zuchtvereine haben ihre Zuchtordnung dieser Entwicklung angepasst und gestatten deshalb bereits das Fehlen eines oder zweier P1 oder M3. So werden beispielsweise beim Verband für Große Münsterländer oder beim Deutschen Teckelklub noch Hunde zugelassen, bei denen nicht mehr als zwei P1 oder M3 fehlen. Im Verein Deutsch-Drahthaar hingegen wird lediglich das Fehlen der P1 geduldet.
Weitaus strenger sind die Regularien im Deutschen Brackenverein (DBV). Obwohl der Standard des Welthundeverbandes FCI für Brandlbracken und Steirische Rauhhaarbracken das Fehlen von insgesamt zwei P1 und sogar P2 toleriert und die M3 gar nicht berücksichtigt, legt der DBV Wert auf ein vollzahniges Hundegebiss.
Dr. Angela Lutterbach, Zuchtrichterin im DBV, ist der Meinung, dass man in der Zucht dem von der Natur vorgegebenen Idealbild nahekommen sollte: „Solange man es sich innerhalb einer Population leisten kann, sollte man die Diskussion über die Notwendigkeit des P1 differenziert führen.“ Lutterbach gibt zu bedenken, dass gerade durch die Zucht Entwicklungsprozesse sehr viel schneller ablaufen können als in der Natur. Schon deshalb sollte man prinzipiell Wert auf ein vollständiges Hundegebiss legen.
Das häufig vorgebrachte Argument, dass sich durch fehlende Backenzähne der Hundekiefer im Laufe der weiteren Zucht über Generationen hinweg stetig verkürzen kann, ist wissenschaftlich noch nicht eindeutig belegt. Allerdings zeigen diesbezüglich einige Hunderassen, wie zum Beispiel Boxer oder Pekinesen, zu welchen Auswüchsen menschlich gesteuerte Manipulationen führen können. Dort sind aufgrund der kurzgezüchteten Kiefer die Prämolaren quer angeordnet.

 


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Dieser Bayerische Gebirgsschweißhund-Welpe hat noch kein Dauergebiss. Foto: Bildagentur Schilling
Letztlich ist die Gesundheit des Hundes entscheidend dafür, welche Merkmale bei der Zuchtauswahl beachtet werden müssen. Sofern es der Gesundheit einer Hunderasse und dem Zuchtziel langfristig nicht im Wege steht, sollte auch hinsichtlich minimaler Zahnfehler, wie fehlenden P1, mit Augenmaß agiert werden. In den meisten Zuchtvereinen ist dies schon gang und gäbe.
Auch ein Zangengebiss ist nach heutigem Stand der Veterinärwissenschaft nicht schädlich für die Gesundheit des Hundes und schränkt auch seine tatsächliche Brauchbarkeit im jagdlichen Einsatz nicht ein. Unsere Jagdhunde sind nicht mehr unbedingt darauf angewiesen, ihre Kiefer wie eine Brechschere einzusetzen, um beispielsweise Laufknochen zu „zerschneiden“, wie ihre wildlebenden Verwandten. Sofern es jedoch die ausreichend breite Zuchtbasis einer Rasse zulässt, sollte auf ein vollständiges und gesundes Hundegebiss geachtet werden.

 

 


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