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Parallelen zwischen Jagd- und Rettungshunden: „Bringseln“ oder „Bellen“?

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Ein kynologischer Dauerbrenner: Wer ist nun zuverlässiger, der Verweiser oder der Verbeller? Wer birgt größere Risiken? Die Meinung einer Rettungshundführerin und Tierverhaltenstherapeutin zu dem Thema bietet interessante Aspekte.

 

Er ist am Ziel, nimmt wie gelernt sein Bringsel in den Fang und kehrt zu seinem Führer zurück

von Dr. rer nat. Ute Blaschke-Berthold

Zwar bin ich keine Jägerin, zähle mich aber zu den „anderen Naturfreunden“ und lese gern und regelmäßig WILD UND HUND. Die Hunde-Seiten interessieren mich dabei ganz besonders – nicht nur weil ich Hundeausbilderin und Tierverhaltenstherapeutin bin, sondern auch als Rettungshundausbilderin bevorzugt mit Vertretern verschiedener Jagdhundrassen arbeite.

Ich führe zur Zeit drei Rhodesian Ridgebacks als Rettungshunde, von denen zwei als Bringselverweiser und einer als Verbeller arbeiten.

Analogien zur Jagd

Rettungshundearbeit ist nichts anderes als eine auf die „Beute Mensch“ kanalisierte Jagd (auch wenn es zynisch klingt, aber „Totengräber“ und „Anschneider“ sind hierbei ebenfalls unbrauchbar!).

Aber es gibt weitere Analogien. Nehmen wir das Verweisen. Hat der Rettungshund einen vermissten Menschen, seine „Beute“ gefunden, muss er dies unverzüglich seinem Führer „mitteilen“. Aber wie?

Eine Möglichkeit ist das Verbellen analog dem Totverbellen des Jagdgebrauchshundes am gefundenen, verendeten Stück Wild, die andere das Verweisen. Letztere ist eine komplexe Verhaltenssequenz, und das Verbellen ist meiner Ansicht nach nur auf den ersten Blick einfacher und zuverlässiger als das Bringsel-Verweisen.

Der Schlüsselreiz, also der Auslöser für das Verbellen, ist z. B. bei Trümmersuchhunden die Witterung, bei Flächensuchhunden zusätzlich der Anblick und der direkte Kontakt zum hilflosen Menschen.

Zum Verbellen gehört aber unbedingt, dass der Hund so lange bei seiner „Beute“ bleibt, bis sein Mensch zu ihm gefunden hat, egal wie sich die Situation des Umfeldes auch entwickelt.

Der Verbeller arbeitet also längere Zeit in großer Distanz zu seinem Führer als der Bringselverweiser. Dieser nimmt auf den Schlüsselreiz „direkter Kontakt zu einem hilflosen Menschen“ sein Bringsel auf und stellt auf schnellstem Wege den direkten Kontakt zum Führer her. Und auch das Zurückführen zur Beute geschieht in engstem Kontakt zum Hundeführer.

Die von mir ausgebildeten Bringselverweiser führen übrigens nicht am langen Riemen zum Opfer zurück, sondern frei. Sie haben gelernt, auf ein Hörzeichen hin den direkten Blickkontakt zum Führer herzustellen, wenn dieser seinen Hund aus den Augen verloren hat.

An warmen Sommertagen haben beide ein Problem

Das viel bemühte Szenario „heißer Tag und/oder abgekämpfter Hund“ stellt einen Bringselverweiser in der Tat vor ein Problem: Muss er heftig hecheln, kann er sein Bringsel nicht mehr oder nicht ständig im Fang halten.

Und hat er das Bringsel erst einmal losgelassen, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass er es wieder aufnimmt, besonders, wenn er bereits ein Stück vom auslösenden Schlüsselreiz entfernt ist.

Aber dieses Problem hat der Verbeller auch: Ein heftig hechelnder Hund kann nicht so anhaltend und ausdauernd Laut geben, dass der Hundeführer problemlos zu ihm finden kann. Hohe Temperaturen und ein großes Laufpensum bringen jeden Hund an seine Leistungsgrenze, auch meine hitzetoleranten Ridgebacks.

Ein gut ausgebildeter Hund bringt jedoch so oder so seine Aufgabe zu einem Ende, und zum Bringseln gehört unabdingbar das Zurücklaufen zum Hundeführer.

Und auch wenn der Hund sein Bringsel fallengelassen hat, läuft er zum Führer zurück. Und wenn dieser wirklich eng mit seinem Hund zusammenlebt und ihn versteht, dann wird er in der Körpersprache des Vierläufers die Botschaft erkennen: gefunden, gefunden!

Und der Verbeller? Ist er aus physiologischen Gründen am Laut geben gehindert, führt auch er seine Aufgabe zu Ende: Er wartet brav neben der Beute auf seinen Menschen, und wartet und wartet und wartet, selbst wenn ihm lange „die Puste“ ausgegangen ist…

Und genau das ist der Grund, weshalb ich bei der Flächensuche bevorzugt mit Bringselverweisern arbeite. Geht das Bringseln „in die Hose“, läuft der gut ausgebildete Hund auf jeden Fall zum Führer; vorausgesetzt, er wurde niemals für das Zurückkommen ohne aufgenommenes Bringsel in irgendeiner Form gerügt oder gar gestraft! Und der firme Führer erkennt, ob sein Hund „am Stück“ gewesen ist und wird das Zurückführen veranlassen.

Der korrekt ausgebildete Verbeller wartet, auch wenn er (im Moment) nicht bellen kann, darauf, dass sein Führer auftaucht. Das laute Verweisen auf Distanz erweist sich hier risikoreicher als das Bringseln.

Dauert’s zu lange

In unserer Staffel gibt es einige Verbeller, unter ihnen auch einen Weimaraner, die das Lautgeben einstellen und einfach nach ihrem Führer „Ausschau halten“, wenn es ihnen zu lange dauert.

Sie wechseln also nach Umständen und Bedarf aus dem Verbellen heraus in eine andere Verweisart, nämlich in das „Freiverweisen“. Bei Rettungshund-Prüfungen ist dies eine mittlere Katastrophe.

Im Einsatzfall kann es lebensrettend sein. Aber die Diskrepanz zwischen Prüfung und Praxis kennen viele hundeführende Waidmänner und Waidfrauen ja auch zur Genüge.

Die ganze Diskussion um diese beiden (Grund-)Formen des Verweisens wird ebenso wie bei den Jägern auch in den Kreisen des Rettungshundwesens immer wieder geführt.

Das Problem hierbei ist, dass immer nur auf einen Teilaspekt des Verweisens geschaut wird, also entweder das Aufnehmen des Bringsels oder das Lautgeben. Dabei wird außer Acht gelassen, dass alles andere bis zum Eintreffen des Führers an der „Beute“ ebenfalls zum Verweisen gehört. Verweisen ist viel mehr als nur das Bringsel aufzunehmen oder Laut zu geben!

Berücksichtigt man dies, dann erscheint das Bringselverweisen in einem anderen, ich meine positiveren Licht. Es bietet mehr Gelegenheit zur Kommunikation zwischen Hund und Führer; vorausgesetzt, die „Chemie“ zwischen beiden stimmt und der Hund ist wirklich von A bis Z durchgearbeitet.

 

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