Krieghoff Drilling Plus 20 Thermo TS Stabil – Trio Universal

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„Thermo stabil“ – mit diesem magischen Wort sorgt der Plus Drilling von
Krieghoff seit 1999 für Aufsehen. Eine dreiläufige Universalwaffe mit der Schussleistung einer Matchbüchse? Michael Schmid hat das Gewehr vier Monate in der Praxis getestet.

 

Oben die hervorragenden Schussbilder, rechts daneben die immense Wandung des Kugellaufes. Unten links die Befestigung der Transversalbegrenzung mittels Inbusschraube. In der Mitte der einzige im Test aufgetretene Rostansatz am gummiarmierten Distanzstück der Begrenzung. Daher sollte man sie beim Reinigen ruhig ausbauen (rechts) – das ist ganz einfach und schützt vor Überraschungen

So bunt und so vielfältig wie der Herbstwald ist auch die Jagd in dieser Jahreszeit. Ansitz auf Rehwild, Treibjagd auf Fasan, Fuchs, Hase und natürlich Drückjagd auf Hochwild – das ganze Füllhorn jagdlichen Erlebens schüttet sich über dem Jäger aus.

Und der träumt in dieser Zeit wieder einmal von der Universalwaffe: Keine Qual der Wahl, einfach ein Griff in den Waffenschrank und man ist gerüstet. Genau hier will Krieghoff mit dem neuen Plus 20 Drilling Thermo TS Stabil die Lösung aller Probleme liefern, denn mit seiner bahnbrechenden Technik in Sachen Schussleistung, soll er sich als jagdlicher Dauerbegleiter aufdrängen.

Basis dieser neuen Drilling-Ära ist das bewährte Plus Modell mit der für Krieghoff Waffen typischen Zwei-Schloß-Handspannung, Aluminium-Basküle und Keilverriegelung. Ergänzt wird der Klassiker mit einem völlig neu gestalteten Laufbündel. Unter den beiden fest verlöteten Schrotläufen im Kaliber 20/76 ist ein, ab der Mitte freischwingender, Kugellauf positioniert, der über eine sogenannte „Dreipunkt Radialjustierung“ fixiert ist.

Ein massiver Metallblock umschließt 24 Zentimeter vor der Mündung den Kugellauf. In diesem Block liegen, jeweils um 90 Grad versetzt, drei Inbusschrauben an der Laufwand an. Dieses Krieghoff-Patent ermöglicht eine einfache Korrektur der Treffpunktlage des Büchslaufes. So können z. B. Kugel und FLG problemlos zueinander einjustiert werden.

Aufwendige und teure Lötarbeiten gehören der Vergangenheit an. Um den freischwingenden, und daher auch beschädigungsanfälligen Kugellauf zusätzlich zu stabilisieren, haben die Ulmer Konstrukteure eine sogenannte Transversalbegrenzung mit integriertem Kornsattel entwickelt:

Ein passgenauer Metallkeil wird im Mündungsbereich in eine Aussparung zwischen den beiden Schrotläufen und dem freiliegenden Kugellauf eingeschoben und mit der Schiene verschraubt. Der Kugellauf kann so zwar nach wie vor frei schwingen, ist aber in seiner Abweichung zu den Schrotläufen hin durch die Transversalbegrenzung eingeschränkt. Ein Verbiegen des Büchslaufes ist somit ausgeschlossen. Der neue Plus Drilling wartet mit drei unterschiedlichen, 55 Zentimeter langen Laufbündeln auf.

Die halbgeschäftete Variante wird wahlweise mit oder ohne Metall-Laufblende angeboten. Eine besonderes optisches Schmankerl ist der vollgeschäftete „Steingaß“. Schon in den 20er Jahren hat Krieghoff, in Zusammenarbeit mit dem Staatsförster Steingaß, sogenannte Kurzdrillinge entwickelt und deren einmalige Führigkeit in Verbindung mit präziser Schussleistung nachgewiesen. Die Ganzschaftversion ist eine Hommage an den versierten Jagdpraktiker.

Ergänzt man den klassischen Drilling mit dem mündungslangen, justierbaren Krieghoff-Einstecklauf, wird die Waffe zum vollwertigen Bockdrilling. Das Testgewehr im Büchskaliber 7x65R wurde im rechten Schrotlauf mit einem EL 65 im Kaliber 5,6×50 RM ausgerüstet. In dieser Kombination ist eine schnelle Dublette mit der großen Kugel und dem Flintenlaufgeschoss möglich.

Wer den Schwerpunkt auf die Rehwildbejagung legt, sollte den EL 65 im linken Schrotlauf unterbringen, so können große und kleine Kugel in direkter Folge abgefeuert werden. Ist der Einstecklauf einmal eingepasst, ist ein Aus- oder Einbau kein Problem, allerdings sollte der aufnehmende Schrotlauf vor der erneuten Montage gründlich (mit Stahlwolle 000) gereinigt werden.

Der Patronenauszieher beim neuen Plus 20 ist nur durch eine kleine Federkugel gesichert. Und das ist gut so. Denn wenn man den Einstecklauf einbauen will, muss man den Auszieher tauschen. Und der lässt sich einfach herausziehen.

Die Schussleistung spricht Bände

„Thermo Stabil“ verheißt Schießen mit der Kombinierten ohne lästige Treffpunktabweichungen. Und der neue Krieghoff Plus 20 Drilling hält, was er verspricht: Er bestach auf dem Schießstand durch exzellente Ergebnisse.
Im Wechsel wurden, nur durch das Nachladen unterbrochen, drei Schuss aus dem Einstecklauf mit der RWS 4,1 g-TMS in 5,6x50RM und drei Schuss Norma 11 g-Vulkan in 7x65R abgegeben.

Bei einer Schussentfernung von 100 Metern über ein mittels Brückenschwenkmontage befestigtes VZF Zeiss Diavari 3-12×56 mit Leuchtabsehen wurde so schon bei der ersten Serie ein Gesamtstreukreis von 3,5 Zentimeter erzielt.

Die Einschläge der kleinen Kugel berührten sich und konnten mit einem 10-Pfennig-Stück abgedeckt werden, die große Kugel streute gerade mal zwei Zentimeter. Ein nachgeworfener Schuss aus dem linken Schrotlauf mit dem FLG lag bei minimaler Seitenabweichung acht Zentimeter tief.

Vielleicht Zufall, doch Folgeserien mit fünf Schussgruppen aus beiden Kugelläufen brachten ähnliche Ergebnisse. Auch mit anderen Laborierungen, z. B. von Geco und Hirtenberger, konnten vergleichbare Einzelstreukreise erzielt werden.

Auf der 50 Meter Bahn wurde dann getestet, ob große Kugel und FLG zusammenschießen. Der linke Schrotlauf entsprach mit dem Flintenlaufgeschoss der Langenhagener Norm und war Treffpunktgleich mit der 7x65R eingeschossen. Verwendung fand hierbei die vom Werk empfohlene FLG Laborierung der Firma Mary Arm im Kal. 20/76. Selbst bei zwei Doppelschüssen in Folge lag der Gesamtstreukreis unter fünf Zentimetern.

Die Schussleistung der beiden doch relativ kurzen Schrotläufe ist für jagdliche Zwecke völlig ausreichend. Mit der Kettner Jagd im Kaliber 20/70, Schrotgröße 3 mm, erbrachten beide Läufe gute Schussbilder. Zielt man über das Laufbündel, vermisst man die aus Gewichtsgründen fehlende Visierschiene. Auch der breite Kornsattel mit Balkenkorn ist beim Schrotschuss etwas störend.

Mit ein bisschen Übung lassen sich diese Mängel jedoch problemlos ausgleichen. Der linke, dreiviertel-gechokte Schrotlauf der Testwaffe erbrachte über das Zielfernrohr und die offene Visierung bei guter Deckung die gleiche Treffpunktlage wie die beiden Kugelrohre.

Bei fest verlöteten Kombinierten gibt es häufig Treffpunktabweichungen, wenn zwischen Zielfernrohr und offener Visierung gewechselt wird. Doch die Testwaffe gab sich auch hier keine Blößen. Schüsse über Kimme und Korn auf die 50 Meter entfernte Scheibe lagen aus allen drei Läufen in einem Sechs-cm-Streukreis.

Wesentlichen Anteil an diesen beeindruckenden Werten hat sicher auch die, durch die Brückenschwenkmontage günstig beeinflusste, 43 cm lange Visierlinie und das klassische Klappvisier mit Balkenkorn und einer Messingeinlage.

Die Treffpunktlage des Einstecklaufs blieb bei der Testwaffe trotz mehrmaligem Wechsel gleich, auf einen Kontrollschuss sollte man trotzdem nicht verzichten. Abweichungen gab es nach dem Ausbau des EL 65 beim Flintenlaufgeschoss. Die dicken Bleibatzen aus dem linken Schrotlauf lagen jetzt, bedingt durch das reduzierte Gewicht und das dadurch beeinflusste Schwingungsverhalten, auf 50 Meter Entfernung acht Zentimeter zu tief. Die Treffpunktlage der 7x65R wurde durch den Ausbau nur geringfügig verändert. Die Schussgruppen lagen dann im Mittel etwa einen Zentimeter höher.

Gerade wenn man mit FLG’s schießen will, muss man also berücksichtigen, ob man mit oder ohne Einstecklauf schießt, denn hier stößt selbst der Plus 20 TS an seine Grenzen. In der Jagdpraxis sind zehn in Folge abgegebene Kugelschüsse auf Wild auch für den größten Günstling Dianas ein Ding der Unmöglichkeit. Wo liegt also der Wert des thermo-stabilen Wertzuwachses für den praktischen Jagdgebrauch?

Ganz einfach, in der absoluten Sicherheit, dass jede Schusskombination, und auch deren Wiederholung, zu keiner technisch bedingten Treffpunktabweichung führt. Der Doppelschuss, große Kugel-FLG auf die flüchtende Schwarzwildrotte kann bedenkenlos zwei Minuten später auf einen Nachzügler wiederholt werden, ebenso ist der zweimal mit Schrot gefehlte Hase kein Grund, den sicheren Büchsenschuss auf ein anwechselndes Kitz zu unterlassen.

Vorteile, die nicht von der Hand zu weisen sind, aber sie haben ihren Preis. Erscheint der Drilling auf den ersten Blick auf Grund seiner geringen Gesamtlänge von nur 99 Zentimetern elegant und führig, wird man beim Griff zur Waffe doch etwas stutzig. Zusammen mit dem Zeiss-Zielfernrohr und dem Krieghoff EL 65 bringt es der Plus 20 Thermo TS Stabil auf stolze 4650 Gramm. Für eine Ansitzwaffe immer noch ein akzeptables Gewicht, bei Pürsch und Drückjagd jedoch ein schwerer Brocken.

Der Grund für diese „Gewichtsprobleme“ ist die massive Dreipunkt Radialjustierung und der aus Stabilitätsgründen im Testkaliber 7x65R mit vier Millimetern Wanddicke sehr stark dimensionierte Büchslauf (Vergleichbare fest verlötete Laufbündel kommen mit halb so starken Laufwänden aus).

Verzichtet man aber auf den Einstecklauf und wechselt zu einem ZF mit z. B. 48er-Objektivdurchmesser, macht der neue Krieghoff-Drilling auch bei Pürsch und Drückjagd eine gute Figur.

Bewährte Technik

Abgesehen vom Laufbündel basiert der Plus 20 Thermo TS Stabil auf bewährten Krieghoff-Komponenten. Das Universal-Abzugssystem UAS ist Garant für eine hervorragende Charakteristik beider Züngel. Der vordere Abzug der Testwaffe ist mit einem Rückstecher ausgerüstet, das hintere Züngel als Direktabzug ausgelegt.

Bei einem ungestochen Zeigefingerdruck von 11 Newton werden der Büchs- oder, nach Betätigung eines gut fühlbaren Umschalthebels auf dem Kolbenhals, der rechte Schrotlauf ausgelöst. Beim hinteren Züngel wird ein Druck von 17 Newton den Ansprüchen an Praxis und Sicherheit gerecht. Die Kombihandspannung verbindet die Vorteile eines Selbstspanners mit der Sicherheit eines handgespannten Systems.

Verbleibt der Kickspanner in Feuerstellung, wird die Waffe sofort wieder gespannt. Allerdings birgt das von Krieghoff gewählte System auch ein Sicherheitsrisiko. Vergisst man den Spannschieber zurückzunehmen, bleibt die Waffe nach dem Nachladen feuerbereit.

Die mit einem hervorragenden Oberflächenfinish versehenen Metallteile sind tiefschwarz brüniert, die Oberfläche der mit feinen Arabesken gravierten Aluminium-Basküle ist dagegen hartvernickelt. Nach einem wirklich verregneten Drückjagdtag dauerte das Schüsseltreiben etwas länger und der Plus 20 verbrachte die Nacht nass und ungereinigt im Gästezimmer eines Jagdfreundes. Trotz des eher konventionellen Korrosionsschutzes der Metallteile war kein Rost zu entdecken, lediglich ein kleiner Schönheitsfehler:

Zwischen die Laufblende eindringendes Wasser hatte an einem gummiarmierten Distanzstück der Transversalbegrenzung Rostansatz verursacht. Um keine Überraschungen zu erleben, sollte man hier beim Reinigen immer etwas genauer nachsehen und den Ausbau von Transversalbegrenzung und Laufblende nicht scheuen.

Ein fein gemasertes und interessant strukturiertes, türkisches Nussbaumholz verleiht der Waffe ein ansprechendes Erscheinungsbild. Der perfekte Ölschliff schützt den Schaft vor Nässe und Schmutz. Der leichte Schweinsrücken und die doppelt gefalzte bayerische Backe werden dem Schwerpunkt-Einsatzbereich des Plus 20 als Ansitzwaffe mit Zielfernrohr bestens gerecht. Für den Schuss über die offene Visierung bzw. für den Schrotschuss über das Laufbündel ist die Schaftform ein gelungener Kompromiss.

Kein Zweifel

… an der optimalen Universalwaffe. Abgesehen von Spezialgebieten lässt der Plus 20 TS für deutsche Revierverhältnisse keine Wünsche offen. Einziger Wermutstropfen ist das etwas hohe Gewicht des dreiläufigen Generalisten.

Aber die Vorteile des Drillings, vor allem in punkto Schussleistung sind überwältigend. Trotzdem wird so mancher Jäger auf die Universalwaffe verzichten müssen, denn Leistung und Qualität haben ihren Preis. In der Standardausführung schlägt der Plus 20 TS mit 6568 DM zu Buche, die Testwaffe (Mehrpreisholz und Arabesken) brachte es inklusive Optik und Einstecklauf auf stolze 13.354 DM.

 


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