Eine „waschechte“ Mauser

5657


Die „M 03“ in der Praxis:
Bei der Präsentation im Juli 2003 machte Mausers „M 03“ eine gute Figur und weckte Begehrlichkeiten. Ob die Repetierbüchse das hält, was die Ankündigungen versprechen, versuchte Wolfram Osgyan in der Revierpraxis herauszufinden.

 

Von Wolfram Osgyan

Und?“ Dieses erwartungsvoll ausgesprochene Wort beendete zwei Minuten angespannter Stille, in denen Argusaugen mein Mienenspiel und jede meiner Handbewegungen beobachtet hatten. Was ich nämlich da im Spätherbst 2002 im Besucherzimmer von Mauser, Isny, begutachten durfte, war das Werksgeheimnis Nummer eins. Noch ohne Finish, ohne Fischhaut, ohne Brünierung auf den Stahlteilen und mit „zusammengebastelten“ Funktionselementen. Demnach der Prototyp einer neuen Repetierbüchse, die „M 03“ heißen sollte.

Frahe und Antwortspiel

Ich tat, was man in einer solchen Situation macht, indem ich die Büchse in meinen Händen mit den Augen abtastete, versuchsweise den Spannhebel nach rechts drückte, den Kammerstengel anhob, durchrepetierte, anbackte, ein Ziel anvisierte und abschlug, sodann die Büchse drehte, das Steckmagazin und zwei Halteschrauben für die Laufbefestigung, die plasmanitrierte Oberfläche des Laufes sowie zwei kleine Montagesockel auf der Hülsenbrücke registrierte. „Gratuliere, die hat alles, was ein zeitgemäßer Repetierer braucht“, lautete der erste, keinesfalls als Geste der Höflichkeit gedachte Kommentar. Denn was im abgelaufenen Jahrzehnt so alles an östlicher und fernöstlicher Produktion unter dem Namen „Mauser“ auf den deutschen Markt gebracht wurde, musste den guten Paul Mauser, Vater des legendären K 98, schier veranlasst haben, sich im Grabe umzudrehen.

Dann folgte das übliche Frage- und Antwortspiel, bei dem ich in Erfahrung brachte, dass es als Option einen Rückstecher geben sollte und ein einfach von Hand zu wechselnder Verriegelungskopf den Laufwechsel auch über die Kalibergruppen hinaus ermöglichen würde. „Und alle Teile sind aus Stahl“, wies nicht ohne Stolz Thorsten Mann, der Mauser-Geschäftsführer, auf eine weitere Besonderheit seiner „Neuen“ hin.

Der Zusammenbau vollzieht sich rasch und unproblematisch

Wochen später ergab sich die Möglichkeit, eine der ersten Vorserienwaffen im Kaliber .300 Win. Mag. Probe zu schießen. Das Ergebnis ist bekannt und in WuH 16/2003 abgebildet: Ein Streukreisdurchmesser von 27 Millimetern bei zehn im 110-Meter-Schießkanal unmittelbar hintereinander abgefeuerten Schüssen.

Es sollte fast noch ein Jahr ins Land ziehen, bevor eine Testwaffe im Kaliber .300 Win. Mag. mit 60er-Lauf zur Verfügung stand. Schließlich traf sie im gar nicht so üppig dimensionierten Postpaket und in ihre wesentlichen Bauteile zerlegt kurz vor Ende der Hochwildsaison ein.

Ihr längstes Element verkörpert der Halbschaft. Passt er mit seinen 83 Zentimeter-Länge einschließlich Old English-Schaftkappe diagonal platziert gar in den Hartschalen-Flugreisekoffer oder in einen für Kipplaufbüchsen? Leider nein, denn bei 76,5 Zentimetern ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Demnach braucht die M 03 ihr eigenes Reisedomizil in Form des gefälligen, markengleichen Waffenkoffers, sofern die Dienste eines sperrigen Repetierbüchsenbehältnisses nicht in Frage kommen. Diese Feststellung will aber keinesfalls als Abwertung oder gar als Manko verstanden sein. Es wäre halt nur zu schön gewesen.

Der Zusammenbau vollzieht sich so rasch und unproblematisch wie wir es vom R 93 her kennen: Einlegen der beiden Stehbolzen des Laufes in die zugehörigen Bohrungen ihres „stählernen“ Bettes und schaftseitiges, „handfestes“ Anziehen der Laufbefestigungsmuttern mit dem mitgeliefertem Torx-Schlüssel „T 30“, sodann Drücken des links in der Hülsenbrücke versenkten Schlossfanges und gleichzeitiges Einschieben der Kammer und schließlich Einstecken des Kastenmagazins bis zum hörbaren Einrasten – fertig!

Wunderbare Handlage des Pistolengriffs

Mit vier, darin im Zickzack angeordneten Patronen und einer im Lauf, wäre die Büchse jetzt einsatzbereit. Aufgrund ihres geraden Schaftrückens „fliegt“ die M 03 trotz ihrer satten 3 850 Gramm netto, das heißt ohne Gewehrriemen und Munition, ins Gesicht und erlaubt – zumindest dem Verfasser – in der Werkseinstellung blitzschnelles Erfassen des Zieles ohne jede Korrektur von Kimme und Korn. Ansonsten ließen sich Höhen- und Seitenverstellungen mit Hilfe eines beigelegten Inbusschlüssels (SW 1,3) jederzeit durchführen. Während das sich nach oben hin verjüngende Kimmenblatt nicht mehr als notwendig vom Ziel abdeckt, benötigt das Neusilber-Perlkorn schützenseitigen Lichteinfall, um sich hell abzuheben. Bei Gegenlicht wiederum erscheint das Korn ungeachtet des jeweiligen Hintergrundes schwarz in schwarz und bietet damit keinen Kontrast.

Erste Trockenübungen verraten, dass die titanfarben nitrierte Kammer mit ihren vier Schrägflächen zwar sauber geführt und ohne das K 98-typische Scheppern, jedoch nicht so reibungslos gleitet, wie es etwa der Benutzer eines R 93 von seiner Waffe gewohnt ist. Nach einigen hundert Repetiervorgängen würde sich das jedoch geben, versicherte man mir. Sei’s drum.

Die M 03 besticht nicht nur durch qualitativ weit über dem Durchschnitt liegendes, kontrastreich gemasertes Nussbaumholz – bereits bei den Standard-Versionen wird ausschließlich Kernholz verarbeitet – sondern auch durch klassisch-schnörkellose Linienführung, Top-Finish, eine äußerst griffige Fischhaut sowie durch eine wunderbare Handlage des Pistolengriffs. Ob die schwarzen Abschlüsse an seinem Käppchen und am Vorderschaft sein müssen oder nicht, darüber mögen sich die Geschmäcker streiten. Aber was den Spalt zwischen Lauf und Holz angeht, da wandelt der Hersteller auf einem schmalen Grat, indem er sich auf einen minimalen Abstand beschränkt. Jedoch verrät ein durchgezogenes Blatt Papier, dass es an keiner Stelle zur unerwünschten Anlage kommt.

Die Mauser-Double-Square-Montage sieht nicht nur gut aus, sie lässt sich auch einfach bedienen: Füße in die Basen setzen und die beiden Köpfe der Verriegelungshebel nach vorne schwenken. Mehr nicht. Doch aufgepasst beim Abnehmen, dass die federbelasteten Arretierhebelchen durch Knopfdruck aus der Nut gehoben sind, sonst bewegt sich nämlich nichts.

Mauser rüstet die M 03 serienmäßig mit einem trockenen Flintenabzug aus

Eine Doppelfunktion übernimmt der Spannhebel, denn in linker (Sicherheits-) Position blockiert er gleichzeitig den Kammerstängel. Will man aber die Kammersperre aufheben, muss der Spannhebel ein wenig nach links (auch rechts möglich!) gedrückt und gleichzeitig der Kammerstängel angehoben werden. Auf diese Weise ist es zum Beispiel möglich, eine Patrone aus ihrem Lager zu repetieren, ohne dass sich die Schlagbolzenfeder spannt. Mehrfaches Repetieren wiederum geht nur, wenn der Spannhebel nach rechts bis zum Einrasten in seine Feuer-Stellung geschoben wird. Das bedarf jedoch eines merklichen Kraftaufwandes. Von da ab arbeitet die M 03 als Öffnungspanner und zwar so lange, bis der Entspannknopf gedrückt wird. Bei abgeschlagenem Schloss gilt es zudem, den Hebel manuell zurückzuführen, weil die Federenergie für ein Zurückschnellen fehlt. In Fällen, wo dies übersehen wurde, gleitet der Hebel zwangsgesteuert in seine Sicherheitsstellung, sobald sich der Kammerstängel nach oben bewegt.

Zwar rüstet Mauser serienmäßig die M 03 mit einem trockenen Flintenabzug aus, doch auf unsere Jagdverhältnisse bezogen, verkörpert meines Erachtens der ebenfalls mögliche Kombiabzug die vielseitigere Alternative. Daher wurde auch die Version mit dem Rückstecher geordert. Diese weist gemäß der Werkseinstellung ungestochen einen Widerstand von 1 100 Gramm (11 N) und eingestochen einen von 110 Gramm (1,1 N) auf. Letzter Wert lässt sich selbstredend nach oben oder unten korrigieren.

Ein beachtliches Gesamtmaß von 112 Zentimetern

Das Kastenmagazin schließt bündig. Desgleichen ist seine Entriegelungstaste so versenkt, dass sie eigentlich kaum ungewollt aktiviert werden kann. Doch wer dem Frieden in Dickbusch oder Hochgebirge nicht traut, dem steht es frei, sie mit dem Inbusschlüssel (SW 1,5) zu sperren. Dieser sollte dann halt nach Möglichkeit nicht verloren gehen. An sich sind ja Einsteckmagazine zum blitzschnellen Laden und Entladen konzipiert. Diesen Vorteil wird jeder zu schätzen wissen, der sich auf den Weg ins Revier macht beziehungsweise die Heimreise von dort antritt, und zwar so, wie es der Gesetzgeber vorschreibt: mit entladener Waffe und getrennt aufbewahrter Munition! Ferner hat die Option eines schnellen Magazinwechsels, immer vorausgesetzt, dass ein Reservemagazin griffbereit in Jacken- oder Westentasche ruht, schon manchen Jagdkönig gekürt. Fünf Standard- oder vier Magnum-Patronen sind schnell in das Magazin gedrückt, sogar, wenn es eingeschoben und das Zielfernrohr aufgesetzt ist. Die zusätzliche Patrone von Hand ins Patronenlager zu bugsieren, verlangt jedoch etwas Fingerspitzengefühl, schließlich geht es zwischen den Hülsenbrücken etwas beengter zu als beispielsweise bei den brückenfreien Gleitschienenverschlüssen.

Klassische Repetierbüchsen – als solche versteht sich zumindest optisch die M 03 – bauen nur kurz, wenn an Lauflänge gespart wird. Daher erreicht Mausers Jüngste mit 60-Zentimeter-Lauf ein beachtliches Gesamtmaß von 112 Zentimetern. Ungeachtet dessen stünde der .300 Win. Mag. ein um fünf Zentimeter längerer Lauf gut zu Gesicht. Nicht weil man mit der Mündung fünf Zentimeter näher am Wild ist – wie Freund Bene immer zu scherzen pflegt – sondern weil die Patrone erst bei 65-Zentimeter-Lauflänge ihr volles Potenzial entfaltet. Dann allerdings heißt es in engen Kanzeln noch mehr aufzupassen, sollen Lauf und Wände nicht als Buschtrommeln fungieren.

Nachdem die Waffe ohne Einschießmunition den Adressaten erreicht hatte, wurde sie kurzerhand auf das verfügbare Blaser CDP (10,7 Gramm) eingeschossen. Auf der WuH-Anschussscheibe lag der erste Schuss gut sichtbar acht Zentimeter unter Fleck und zwei Zentimeter links. Der zweite jedoch ließ sich auf die Distanz beim besten Willen nicht entdecken, der dritte wiederum streifte den ersten. Und der zweite? Er fand sich bei genauer Inspektion der Scheibe nahezu deckungsgleich im ersten Schussloch. Alles weitere war reine Routine: Zwei Rasten an der Seitenverstellung des Diavari VM 2,5–10×50 nach rechts und zwölf an der Höhenverstellung nach oben und alles passte, wie die Fünfergruppe verriet, die sich mit einer Euro-Münze abdecken ließ. Dabei verzichtete ich mit Bedacht nicht ein einziges Mal auf die Dienste der Rückstechers, obwohl man auch ohne ihn treffen kann, sofern einem die Abzugs-Charakteristik in Fleisch und Blut übergegangen ist. Einstechen lässt sich der Abzug übrigens nur bei gespanntem Schloss, und beim Entspannen entsticht er gleichzeitig. Beides trägt wesentlich zur Handhabungssicherheit eines Stecherabzuges bei.

Mit zunehmender Entfernung wird es schwieriger

Beim Repetieren schwenkt der angehobene Kammerstengel nur wenig über die Horizontale. Daher läuft der Daumen auch nicht Gefahr, bei aufgesetztem Zielfernrohr in die Bredouille zu geraten. Der 60-Grad-Öffnungswinkel ist nämlich der angenehme Nebeneffekt des äußerst stabilen Verschlusses mit seinen in zwei Reihen angeordneten, sechs kräftigen Verriegelungswarzen.

Beim Schießen mit der .300 Win. Mag. punktete die M 03 ohne Mündungsbremse, schweren Lauf beziehungsweise „Kickstopp“ zudem mit ausgesprochen „manierlichem“ Verhalten. So etwas speichert der Hinterkopf natürlich auch.

Jeder weiß, dass es mit zunehmender Entfernung schwieriger wird, das Absehen exakt auf dem Zielpunkt zu halten. Jeder Atemzug, der Pulsschlag, ein bisschen mehr oder weniger Körperspannung, Andrücken oder Lockern des Griffs, zeigt sich sofort im Zielbild. Und jetzt treten auf einmal die unterschiedlichen Abzugs-Charakeristka schonungslos zutage und noch mehr, wenn, wie bei Wildscheiben, das Ziel keinen Spiegel besitzt. Im Bestreben, die Kugel im wahrsten Sinne des Wortes auf den Punkt zu bringen, registriert der Schütze mit einem Mal die Nuancen an Abzugsweg und -widerstand, die er im Alltagsbetrieb überhaupt nicht wahrnimmt. Beim Schießen auf die 300 Meter entfernte Gamsscheibe beispielsweise bedurfte es nach Waffenwechsel (siehe WuH 9/2004) einige Male mehrerer Anläufe, bis die Kugel guten Gewissens auf die Reise geschickt wurde. In diesen Momenten triumphierte der Stecher der M 03.

Und noch etwas verblüffte: Es ist nicht das Waffengewicht allein, das den Rückstoß zähmt. Es sind auch Schäftung, Balance und die Verteilung der Pfunde. Rein vom Gewicht her bringt beispielsweise meine kalibergleiche R 93 mit ihrem langen, dicken Matchlauf wesentlich mehr Gramm auf die Waage als die M 03. Doch in der durch die äußeren Umstände vorgegebenen Schießhaltung „prügelte“ mich die erstgenannte schier mit jedem Schuss, während letztere nach wie vor Anstand wahrte.

Natürlich kam mit der M 03 auch Wild zur Strecke: Sowohl Rot- und Rehwild als auch Sauen. Nicht bei der Drückjagd, denn da brachte ich es nicht über das Herz, mich vom „schnelleren“ R 93 zu lösen, sondern bei Pirsch und Ansitz. Hier spielte die M 03, wie nicht anders erwartet, einen guten Part. Was immer die Ursache war, dass einmal einem Schützen beim Versuch, die angeschlagene Waffe zu entstechen, der Schuss brach, lässt sich im Nachhinein nicht nachvollziehen. Doch das sind Geschehnisse, die Stecherabzüge seit jeher begleiten und die Debatten über Sinn und Unsinn des Stechers nähren. M 03 und .300 Win. Mag. passen meiner Ansicht nach für die reine Hochwildjagd mit immer wieder anfallenden weiten Schüssen so zusammen wie die Faust auf’s Auge.

Wer wie ich mit dieser Patrone vielhundertfachen Erfolg in vieler Herren Länder auf alles Schalenwild bis zur Größe der Elenantilope verzeichnen durfte, wird meine Einschätzung tolerieren. Davon abgesehen bieten 16 weitere Kaliber zwischen 6,5×55 SE und .375 H&H Mag. weiß Gott genügend Alternativen.

Wechselläufe, wie sie Mauser für seine M 03 offeriert, sind im Prinzip eine feine Sache. Bei einem Wechsel in eine andere Kalibergruppe bedarf es ja nur noch eines zusätzlichen Verschlusskopfes und eines anderen Magazins. Sehr gut könnte ich mir beispielsweise zur .300 Win. Mag. einen weiteren Lauf im Rehwildkaliber .22-250 Rem. vorstellen. Doch steht diese Patrone, anders als .222 Rem., .223 Rem. und .243 Win. derzeit noch nicht im Programm. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Traditionalisten als auch Avantgardisten kommen auf ihre Kosten

In dem dreimonatigen Testzeitraum sahen weder Stahl noch Holz der Waffe einen Tropfen Öl. Dennoch gab es weder hässliche Rost- noch Wasserflecken. Das spricht für das Finish der M 03. Desgleichen ließ sich nach zweimaligem Zerlegen keine Veränderung der Treffpunktlage feststellen. Dennoch würde ich nach jedem Transport im zerlegten Zustand zu einem Kontrollschuss raten, vor allem, wenn die Schussentfernungen vorhersehbar weit und/oder die Ziele klein sind. Immerhin kostet ein Fehlschuss beispielsweise bei der Schafjagd unter Umständen das Vieltausendfache der einen, am falschen Fleck gesparten Patrone.

Fraglos haben es die Verantwortlichen geschafft, bei der M 03 klassisches Aussehen mit modernster Technik zu paaren und damit eine Waffe zu kreieren, bei der sowohl Traditionalisten als auch Avantgardisten auf ihre Kosten kommen. Ich bin mir ebenfalls sicher, dass ein Paul Mauser zu Lebzeiten seine helle Freude daran gehabt hätte. Doch dem Irdischen 90 Jahre entrückt, mag es seiner Seele nun eine Genugtuung sein, das Vermächtnis wieder in guten Händen zu wissen.

Zweimal Torx, einmal Inbus: Mit dem einen Schlüssel wird der Lauf gelöst, mit dem kleinen kann das Magazin gegen unbeabsichtigtes Herausfallen gesichert werden

 

ANZEIGE

ANZEIGE
Aboangebot