Ausgebremst

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Die eine tritt wie ein Pferd, die andere schiebt wie eine Lokomotive – der Büchsenschuss kann mit unangenehmen Nebenwirkungen verbunden sein. Abhilfe versprechen Mündungsbremsen. Claudia Elbing, Michael Schmid und Andreas Bach erläutern Vor- und Nachteile dieser Technik.

Muendungsbremsen
Fotos: Claudia Elbing und Michael Schmid

 


Löcher wie ein Sieb und der Charme eines Maschinengewehrs –Mündungsbremsen passen optisch zu einem Jagdgewehr wie die Faust aufs Auge. In puncto Schießverhalten locken die Laufaufsätze jedoch mit interessanten Eigenschaften wie Rückstoß-, Hochschlag- und Mündungsfeuerreduktion.
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Bei Training oder Jagd – mit Bremse ist Gehörschutz Pflicht.
Die Bremsen arbeiten nach dem Prinzip der Schub- umkehr. Sie nutzen denselben Effekt wie ein Jumbo-Jet bei der Landung. Zum Verkürzen der Rollstrecke stellt der Pilot die Triebwerke von Vorwärts- auf Rückwärtsschub um. Ähnlich funktioniert das bei der Büchse.
Verantwortlich für den Rückstoß sind neben dem Geschossimpuls die mit hoher Geschwindigkeit ausströmenden Verbrennungsgase. Um den unangenehmen „Kick“ der Waffe in Richtung Schützenschulter abzuschwächen, versucht die Mündungsbremse, einen Teil der Gase schräg nach hinten umzulenken. Dazu sind die Bremsen mit Bohrungen oder rechteckigen Aussparungen (Kammern) versehen.
Die so entstehenden Prallflächen greifen im Randbereich des Gasstroms Energie ab und leiten diese um. Die Waffe wird dadurch nach vorne gezogen und der Rückstoß vermindert. Anordnung und Formgebung der Prallflächen steuern Hochschlag und Staubbildung.
Nicht reduziert werden kann der Geschossimpuls. Das Projektil muss beim Durcheilen des Laufes Reibung und Massenträgheit überwinden. Dabei wirken Kräfte in Richtung des Schützen.  Mündungsbremsen zählen nicht zum Lauf. Sie sind überkalibrig gebohrt, und es findet keine Geschossführung statt.

 


Rückstoßreduktion
Um die Bremsleistung zu prüfen, gaben vier erfahrene Jägerinnen und Jäger pro Testbüchse und -laborierung jeweils drei Schuss ohne und drei mit Bremse ab. Danach wurde die subjektiv gefühlte Verringerung des Rückstoßes notiert.
Als besonders wirksam bewährte sich die wuchtige Bremse der Tikka. Die Prallflächen der sechs Kammern verringern den Rückstoß enorm. Die Büchse konnte ohne Schulterkontakt nur aus den Händen abgefeuert werden. Bei entsprechendem Design überzeugte das Sauer-Modell mit annähernd guten Werten. Die großen Bohrungen sorgen für eine effiziente Schubumkehr.
Etwas geringer fiel die Reduktion mit der Savage-Bremse aus. Trotz kurzer Baulänge und kleinen Bohrungen wurde jedoch auch hier die .300 Win. Mag. auf das gefühlte Niveau einer .308 Win. reduziert. Grundsätzlich gelten für Mündungsbremsen folgende Faustregeln:
  • je größer die Prallflächen, umso besser die Bremsleistung
  • je leichter das Geschoss (gleiches Kaliber), umso höher die Effizienz der Mündungsbremse
  • Kaliber mit geringem Geschossgewicht und großer Pulverladung (zum Beispiel Magnums) lassen sich besser reduzieren, als solche mit schwerem Geschoss und kleiner Ladung (beispielsweise .308 Win. mit 14,3 Gramm Projektil).

 


Die Streukreise verbessern sich mit dem Einsatz der Mündungsbremse

Brenneke TUG
Die Brenneke TUG nature mit Bremse (links) und ohne.

 

 


RWS Uni Classic
Die RWS Uni Classic mit Bremse (links) und ohne.

 

 


Streukreise

 


Hochschlag – Staubbelastung und Außenballistik

Auch beim Hochschlag machte sich eine Verbesserung bemerkbar. Vor allem die relativ leichte Sauer „202 GTI“ „hüpfte“ mit Bremse deutlich weniger als ohne. Aber auch bei der Savage „116 Bear Hunter“ und der Tikka „T 3  Tactical“ blieb die Mündung ruhiger. Die kurzen Läufe der Testwaffen entwickelten ohne Ausnahme ein kräftiges Mündungsfeuer. Mit Bremse reduzierte sich die Intensität und damit der Blend effekt merklich. Ein Teil der Gase verbrennt innerhalb der Bremse, der Rest verteilt sich mit reduzierter Leuchtkraft auf Mündung und Austrittsbohrungen (Kammern).

In der Dunkelheit konnte nach dem Schuss besser beobachtet und gegebenenfalls nachgeschossen werden. Wird als ausschließliches Ziel eine Verringerung des Mündungsfeuers angestrebt, ist jedoch ein längerer Lauf die bessere Wahl (positiver Nebeneffekt = Erhöhung der Energieausbeute). In Sachen Präzision wirkte sich die Mündungsbremse bei fast allen Waffen-/ Laborierungskombinationen positiv aus. Eine Verschlechterung der Schussleistung trat in keinem Fall auf. Wer also ein Maximum an Präzision aus seiner Büchse herauskitzeln möchte, kann beim Tuning auch auf eine Mündungsbremse zurückgreifen.
Treffpunktabweichung

 

 


Wo Licht ist, ist auch Schatten. Im Zug der Schubumkehr wird nicht nur Gasenergie, sondern auch ein Teil der Schallwellen nach hinten umgeleitet. Um die gesteigerte Lärmbelastung zu ermitteln, haben wir den Schalldruckpegel (dBA) der Waffen- sowie Munitionskombinationen direkt am Ohr des Schützen mit und ohne Bremse gemessen.
Die Versuche fanden, wie in der Jagdpraxis, im Gelände statt (offene Schießbahn). Die Daten zeigen lediglich einen Trend auf. Vergleiche mit anderen Messungen sind aufgrund fehlender Standards (keine Eichung, Nebengeräusche, Gelände- und Witterungseinflüsse) nicht zulässig. Folgende Kennzahlen erleichtern die Wertung:
  • Ein Unterschied von 10 dBA wird subjektiv als Verdopplungder Lautstärke wahrgenommen.
  • Ab etwa 85 dBA sind dauerhafte Gehörschäden möglich
Beim Einsatz der Mündungsbremsen wurden im Test Steigerungen von vier bis acht dBA ermittelt. Das Gesundheitsrisiko wird somit signifikant erhöht. Wird eine Bremse montiert, ist der Gehörschutz auch im praktischen Jagdbetrieb für Schütze und Pirschführer Pflicht.
Schalldruckpegel

 

 


mit Bremse
Mit Mündungsbremse fliegt der Staub in Richtung des Schützen.
Mündungsbremsen leiten in erheblichem Umfang Pulvergase in Richtung des Schützen um. Bei intensivem Schießtraining können Hautreizungen und Atembeschwerden die Folge sein. Im Test fand die Präzisionsermittlung auf einem überdachten und nur nach vorn geöffneten Schießstand statt.
Die Geruchsbelästigung nach einer Stunde Dauerfeuer war „atemberaubend“. Ein weiterer Nachteil ist die heftige Staub- und Schmutzentwicklung. Die unangenehmen Folgen machen sich vor allem beim Liegendschießen und auf geschlossenen Kanzeln bemerkbar. Der Einsatz einer Schutzbrille (als Beispiel RWS Schießbrille) ist auf jeden Fall empfehlenswert.

 


ohne Bremse
Ohne Bremse ist die Staubbelastung geringer.
Mündungsbremsen haben Einfluss auf die Außenballistik. Wird im Wechsel mit und ohne Bremse geschossen, können sich Treffpunktlage und ballistische Kurve verändern. Unsere Testwaffen wiesen hier nur geringfügige
Abweichungen auf, die auf jagdliche Entfernung (< 100 Meter) vernachlässigt werden können. Im Einzelfall muss jedoch die individuelle Waffen-/ Munitionskombination überprüft werden. Vorsicht ist bei ein- und
ausschaltbaren Bremsen, wie bei der Savage „116 Bear Hunter“, geboten. Hier ist im Gegensatz zu den Aufschraubmodellen nicht auf den ersten Blick ersichtlich, ob die Bremse aktiviert ist. Bestehen deutliche Treffpunktabweichungen, können Fehl- oder Krankschüsse die Folge sein. Ein weiterer Nachteil: Mündungsbremsen verlängern die Büchsen erheblich. So wird aus der kompakten, knapp 104 Zentimeter (cm) langen Sauer „202 GTI“ mit Bremse ein wenig führiges Gewehr mit 108,5 cm Gesamtlänge – und das bei einer effektiven Lauflänge von nur 51 cm.

 


Fazit

Rückstoß, Hochschlag und Mündungsfeuer lassen sich durch Mündungsbremsen effizient verringern. Besonders leistungsstark und präzisionsfördernd, aber optisch wenig ansprechend, sind wuchtige Mehr-Kammerbremsen. Kompakte, gebohrte oder geschlitzte Modelle empfehlen sich für die Jagd. Sie verbinden akzeptable Ästhetik mit Funktion. Der Preis für die „Schubumkehr“ ist erhöhte Lärm-, Geruchs- und Staubbelästigung sowie eine lange Büchse. Gründe genug, um zumindest die an sich gut beherrschbaren Universalkaliber durch Training und aktives Ausmerzen von Schießfehlern und nicht durch den Einsatz einer Mündungsbremse in den Griff zu bekommen.

Mehr zu den in den Schießversuchen eingesetzten Waffen, Mündungsbremsen und Munition finden Sie hier…

 

 

 

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