HASENFORSCHUNG
Der Feldhase ist eine der fruchtbarsten heimischen Wildarten. Dennoch sinken die Besätze kontinuierlich. Eine Prognose, wohin die Entwicklung bei Mümmelmann gehen könnte, gibt Dr. Thomas Gehle
Pro Jahr sterben zwischen 60 und 90 Prozent aller gesetzten Junghasen.
Von 2002 bis 2006 taxierten von der FJW betreute Jäger am Niederrhein auf 5 700 Hektar intensiv bewirtschaftetem Grünland über das Winterhalbjahr pro Revier vier Mal dieselben Flächen (siehe Grafik 1) – vor und nach der Treibjagd. Ergebnis: Rund ein Viertel des Herbstbesatzes wurde erlegt. Über alle Reviere nahm der Besatz um knapp ein Drittel zu. Diese Entwicklung erstaunt, wird doch in den Niederwildhochburgen seit Jahrzehnten darüber gemutmaßt, wie negativ sich die Grünlandwirtschaft vor allem auf die Junghasen auswirken müsse. In der Tat ist es kaum vorstellbar, dass Hasen fünf Schnitte pro Jahr überleben. Bei 14 Metern Arbeitsbreite schafft die Mähmaschine bis zu 50 Quadratmeter pro Sekunde. Feststeht auch, dass der Wiesenanteil zunimmt, da nicht mehr nur für Vieh, sondern auch für Biogasanlagen produziert wird. Darüber hinaus waren die Ergebnisse ein Lehrstück für den Jagdbetrieb. Obwohl der Hasenbesatz insgesamt signifikant zunahm, ging er in einem Revier zurück. In den vier Jahren wurden im Mittel 46 Prozent des Herbstbesatzes erlegt. Aus Studien ist bekannt, dass moderate Bejagung das Vermehrungspotenzial fördert.In der Schweiz wurde bereits vor über 20 Jahren auf einer Fläche von 150000 Hektar festgestellt, dass sich über zehn Jahre weder die Besatzentwicklung noch die Hasendichte zwischen bejagten und unbejagten Gebieten unterschied. Doch reagiert kaum ein Wild so sensibel auf Überjagung wie der Feldhase. Wird über Jahre mehr als ein Drittel des Herbstbesatzes entnommen, geht es bergab, selbst wenn in allen Nachbarrevieren die Besätze zunehmen, so geschehen im Projektgebiet. Bereits Diezel betont, es sei vom gezählten Herbstbesatz gedanklich „ein Drittel der Zahl von Hasen übrig zu lassen, die man am nächsten Tage zu erlegen rechnet“. Wenn es also hasentypisch ist, ständig mit einer Vielzahl von Krankheiten zu leben und sich fast täglich zu vermehren, müssen wir uns dann um ihn sorgen? Was sagen langfristige Trends? Was sagt uns die Zeitreihe der Jagdstrecken? Nehmen wir vereinfachend an, dass trotz der kleinräumigen Variation die erzielten Jagdstrecken die jährliche Besatzhöhe abbilden: Gibt es viele Hasen, werden auch viele erlegt und umgekehrt. Grafik 2.1 gibt einen interessanten Trend wider. Dargestellt sind die Streckenverläufe der letzten 35 Jahre der vier „Hasenländer“ Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen (NRW) und Bayern (schwarz) sowie zum Vergleich der Verlauf des hasenreichsten Landes NRW (rot). Man erkennt einen wellenartigen Verlauf, und zwar im 20-Jahres-Rhythmus, um 1987 und 2007 jeweils ein Streckenhoch und um 1979 und 1997 ein Tief. Bliebe dieser Rhythmus bestehen, wäre 2017 mit einem dritten Tief innerhalb von 40 Jahren zu rechnen!