Viele Niederwildreviere verzichten auf die Hasenjagd.Zu groß ist die Angst, den als gering eingeschätzten Besatz zu gefährden. Experten verraten, warum Sie trotzdem die Flinte nicht gleich ins Korn werfen sollten.
Christine Kowalczyk, Mag. Erich Klansek, Prof. Dr. Klaus Hackländer:
Herbst im Niederwildrevier. In einer langen Kette ziehen Treiber und Jäger nebeneinander über die blanke Scholle. Jeder Schritt macht die Stiefel auf dem klebrigen Ackerboden schwerer. Dennoch lässt sich niemand das beschwerliche Gehen anmerken. Schließlich soll heute bei den Hasen richtig Strecke gemacht werden. Sie wird allerdings bescheidener ausfallen als in den zurückliegenden Jahrzehnten. Das haben zumindest die diesjährigen Jagden in den Nachbarrevieren gezeigt.
Foto: Stefan Meyers |
Genau deshalb wird die nachhaltige Bejagung der Krummen in den klassischen Niederwildrevieren immer wieder diskutiert. Während es für heimisches Schalenwild mit Ausnahme des Schwarzwildes einen dezidierten Abschussplan gibt, wird bei den Krummen is heute weitgehend ins Blaue geschossen. Doch im Unterschied zu Reh oder Rotwildbeständen lassen sich Hasenbesätze relativ einfach ermitteln. Der Hauptgrund für den Rückgang der Hasenbesätze wird zu Recht in der intensivierten Landwirtschaft gesehen. Diese geht einher mit der Strukturarmut des Lebensraumes. Insbesondere Deckung- sund Äsungsmöglichkeiten werden immer seltener. Eine Basis für andere negative Faktoren: schlechte Witterung, Krankhei ten oder hoher Beutegreiferdruck wirken sich dadurch von Jahr zu Jahr deutlich stärker aus. Lebensräume zu verbessern und Beutegreifer zu bejagen reicht jedoch alleine nicht aus. Wichtig ist, dass die Hasenbesätze zuwachsorientiert bewirtschaftet werden. Grobe und blauäugige Einschätzungen des Besatzes sind dabei nicht hilfreich. Denn viel zu oft stehen die sommerlichen Beurteilungen eines guten Hasenjahres, später der geringen Strecke im Herbst oder Winter gegenüber. Wohlgemerkt soll kein behördlicher Abschussplan für Feldhasen gefordert werden. Einerseits sind die bürokratischen Aufwendungen der Jäger hoch genug, andererseits schwankt der jährliche Nettozuwachses zu stark, als dass eine konkrete Planung über mehrere Jahre hinweg möglich wäre.
Besonders Junghasen sind vielen Gefahren ausgesetzt. Ihre Überlebensrate ist entscheidend für die weitere Besatzentwicklung. Foto: Michael Breuer |
Noch immer folgen etliche Revierinhaber der Einschätzung von RIECK (1977), nach der etwa die Hälfte des Herbstbesatzes erlegt werden kann, ohne den Stammbesatz zu beeinträchtigen. In der Jungjägerausbildung wird ebenfalls diese Regel vielerorts noch immer kritiklos weitergegeben. PEGEL hingegen verwies schon 1986 darauf, dass eine solche Entnahme einen Zuwachs von 170 Prozent vorraussetzt. Abgesehen von Inseln ohne Beutegreifer wird dieser jedoch nur in Ausnahmefällen erreicht. Vor gut zehn Jahren wurde bereits eine erste Empfehlung für einen nachhaltigen, revierbezogenen und zuwachsorientierten Bejagungsplan beim Feldhasen vorgestellt (KLANSEK & ARNOLD, 1998). Die hier vorliegende aktuelle Studie versucht, diese Vorschläge mit einer umfangreicheren Methode zu bestätigen.
Jäger mit erlegtem Feldhasen: Sind Stammbesatz und Zuwachs bekannt, können entsprechend viele Mümmelmänner „geerntet werden. Foto: Michael Breuer |
Als Maßstab für den Abschussplan dient dabei der Nettozuwachs der Feldhasen in einem Revier. Dieser wird durch Scheinwerferzählungen im Frühjahr und Herbst berechnet. Ein einfaches Beispiel: Revier Musterhausen zählt im Frühjahr einen Stammbesatz von 25 Langohren. Im Herbst werden dann 50 Stück erfasst. Der Nettozuwachs beträgt folglich 100 Prozent. Doch dieser Zuwachs darf nicht mit der Entnahmerate im Herbst gleichgesetzt werden. Dies ist nur in Revieren mit sehr hohen Stammbesätzen von 75 bis 100 Hasen pro 100 Hektar möglich. Bei derart hohen Zahlen kann sogar noch stärker in den Herbstbesatz eingegriffen werden. Ein solches Vorgehen kann dann zu besseren Zuwächsen und somit zu größeren Strecken führen. Um die Populationsdynamik des Feldhasen besser zu verstehen, wurde seit 1999 im nieder österreichischen Weinviertel die Fortpflanzungsleistung ermittelt. Dazu wurden die Tragsäcke erlegter Häsinnen auf so genannte Plazentationsnarben untersucht. Eine Narbe entspricht dabei einem geborenen Junghasen während des laufenden Jahres. Darüber hinaus liefert die jährliche Jagdstreckenanalyse einen Überblick über die Altersstruktur der Population. Das Alter eines erlegten Hasen wird über das genaue Trockengewicht seiner Augenlinsen ermittelt. Diese werden hierzu aus dem erlegten Stück entnommen und in einem Spezialverfahren gewogen. Zusammen mit dem Erlegungsdatum geht der ermittelte Wert in eine Formel ein, die das Alter des Krummen berechnet.
Reiche Strecke mit Folgen: Auf 329 Hektor wurden 472 Hasen (140/100 ha) erlegt. Ebenso groß war der gezählte Herbstbesatz. Der Stammbesatz wurde übernutzt und sank im Folgejahr um zehn Prozent. Foto: Dr. Klaus Hackländer |
Die Untersuchungen der Tragsäcke ergaben, dass sich Häsinnen aus dünn besetzten Jagdgebieten in Körpergewicht, Gesundheitszustand und Anzahl an Uterusnarben nicht von denen aus Revieren mit hoher Populationsdichte unterschieden. Immerhin 82,5 Prozent der Häsinnen hatten im betreffenden Jahr Junge gesetzt. Im Mittel waren dies 9,6 Stück. Der Maximalwert lag bei 19 Junghasen. Dennoch bestand die Tendenz, dass in Gebieten mit geringer Besatzdichte der Anteil nicht reproduzierender Häsinnen (27 Prozent) größer war als in Revieren mit hohem Besatz (7 Prozent). Aufgrund des niedrigen Jagddruckes wurden die Häsinnen aus geringeren Besätzen durchschnittlich älter. Mit dem Alter nimmt jedoch auch die Wahrscheinlichkeit krankhafter Uterusveränderungen zu, die in fast allen Fällen mit Unfruchtbarkeit verbunden sind. Hinsichtlich ihrer Habitatstruktur, dem Anteil naturnaher oder extensiv bewirtschafteter Flächen gab es keinen Unterschied zwischen den Revieren. Lediglich die Besätze waren unterschiedlich.
Foto: Michael Breuer |
Insbesondere der Einfluss des Wetters wurde dadurch näher analysiert. Anhand der ausgewerteten Daten der Wetterstation im niederöstereichischen Zwerndorf stellte sich heraus, dass sich überdurchschnittlich trockene und nasse Jahre besonders negativ auf die Überlebensrate der Junghasen auswirken. Gerade feuchtwarme Wetterlagen begünstigen die Ausbreitung von Krankheiten wie Pseudotuberkulose und Kokzidiose, wovon in erster Linie der Nachwuchs betroffen ist. In extremen Dürresommern wie 2003 und 2006 erhöhte sich die Junghasensterblichkeit aufgrund mangelnder Äsung. Durch den Klimawandel werden solche Sommerextreme immer häufiger prognostiziert. Um darauf basierend ebenso verschiedene Bejagungspläne auf Nachhaltigkeit zu testen, wurden unterschiedliche Entnahmeraten simuliert. Als nachhaltig wurde definiert, dass eine Population mit dem Stammbesatz X und einer Entnahmerate Y zwischen null und 50 Prozent innerhalb der nächsten 25 Jahre nicht aussterben darf. Nach diesem Simulationsmodell erweisen sich die nebenstehenden Bejagungsempfehlungen als nachhaltig.
Bei extrem hohen Besatzdichten ab 100 Hasen pro 100 Hektar führt im Normalfall ein starker Eingriff bei hohem Zuwachs ebenfalls zu einem stärkeren Besatzanstieg im Folgejahr. Dies liegt daran, dass eine Übersättigung des Lebensraumes verhindert wird. Trotzdem können selbst bei hohen Dichten und Jahren mit sehr gutem Zuwachs ungünstige Bedingungen im Folgejahr die Population stark dezimieren. Generell gilt deshalb auch für den Feldhasen: Ein nachhaltiges Management ist nur möglich, wenn alle Einflussfaktoren analysiert und langfristig beobachtet werden. Für die jagdliche Praxis unabdingbar ist, den Abschuss kurzfristig und anhand des jährlich gemessenen Populationswachstums zu ermitteln. Jäger in Revieren mit vermeintlich geringem, aber bisher nicht gezählten Hasenbesatz, sollten also nicht direkt die Flinte ins Korn werfen. In Niedersachsen zeigte sich zum Beispiel, dass die Schätzungen der Revierinhaber im Mittel um etwa 60 Prozent unter den per Scheinwerferzählung erfassten Werten lagen (STRAUSS & POHLMEYER, 1996). Des Weiteren dürfen die Ergebnisse aus Nachbarrevieren nicht vorbehaltlos übertragen werden. Auf einer Probefläche im Hessischen Ried bei Groß-Gerau wurden in einem Jagdbezirk 18 Hasen auf 100 Hektar gezählt, im benachbarten Revier auf gleich großer Fläche waren es 65 Hasen (BECKER, 1997). Diese Werte entsprechen einem Unterschied von 261 Prozent! Reiche Strecke mit Folgen: Auf 329 Hektar wurden 472 Hasen (140/100 ha) erlegt. Ebenso groß war der gezählte Herbstbesatz. Der Stammbesatz wurde übernutzt und sank im Folgejahr um zehn Prozent.
Einfach zählen reicht nicht!
Gar nicht wenige Revierinhaber zählen ihre Hasen lediglich bei Gemeinschaftsansitzen, zum Beispiel auf Rehwild, im Mai und Juni. Die ermittelte Zahl legen sie dann als Stammbesatz zu Grunde. dabei wird angenommen, dass die Hälfte dieses Besatzes reproduktive Häsinnen sind, deren Zahl mit dem Faktor 5 bis 7 multipliziert den jagdlich nutzbaren Zuwachs ergibt. Bei den herbstlichen Treibjagden kommt es dann zu Überraschungen. Entweder fallen die Strecken viel zu gering aus oder es werden mehr Hasen erlegt als angenommen. Einfachzählungen und theoretische Berechnungen des Zuwachses reichen demnach nicht aus. Entscheidend ist die Differenz des Herbstbesatzes zum Frühjahrsbesatz, also der tatächliche Zuwachs. Theoretische Berechnungen, die nur auf der Frühjahrszählung basieren, ergeben regelmäßig eine viel zu hohe Zahl. Sie blenden die normale Sterblichkeit durch Landwirtschaft, Beutegreifer, Straßen verkehr, Witterung und Krankheiten vollständig aus. Schon eine einzige Treibjagd ohne Abschussbegrenzung kann dann den Stammbesatz ruinieren.