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Fleißige Feger?

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Was verraten Fegestellen? Welche Baumarten bevorzugen die Böcke? Tobias Thimm hat in Obertiefenbach vier Wochen lang frische Markierungen mit Kameras überwacht und berichtet von den Ergebnissen.

Foto: Michael Breuer

„Je dicker der befegte Stamm, desto stärker der Bock“ oder „Bis zu hundertmal fegen Böcke am selben Ort“– in der Jagdliteratur bin ich immer wieder über solche Aussagen gestolpert. Doch was ist dran? Kann man über die Eigenschaften einer Fegestelle wirklich Rückschlüsse auf den Verursacher ziehen? Ein kleiner Versuch im Testrevier sollte Klarheit bringen. Die Firma Bresser stellte mir dafür Wildkameras zur Verfügung, die anstandslos ihren Dienst verrichteten (s. Seite 45). Sieben Kameras wurden viermal je eine ­Woche lang an jeweils eine eindeutig frische Fegestelle gehängt. Das Projekt begann in der letzten Märzwoche und lief bis Ende April. Ingesamt wurden somit
28 unterschiedliche, gefegte Pflanzen überwacht. Obwohl die Rehwilddichte im Testrevier sehr hoch ist, gestaltete sich die Fegestellensuche anfangs schwierig, wurde dann aber mit jeder Woche erheblich einfacher. Dies lässt vermuten, dass der Anteil junger Böcke überwiegt.

In der ersten Testreihe wurden von sieben Fegestellen sechs von Böcken (drei unterschiedliche mehrjährige ­Recken) besucht, wovon jedoch kein einziger dort fegte. Interessant war, dass aber drei an Ästen in Haupthöhe in nächster Nähe ausgiebig markierten. Viermal war zum Fegen Holunder gewählt worden, zweimal Weide und einmal Vogelbeere.
In der zweiten Testreihe tauchten ­innerhalb der sieben Tage lediglich viermal verschiedene Gehörnte an vier der sieben Fegestellen (drei Holunder, eine junge, solitär stehende Kiefer, zwei Schwarzdorne, eine Stieleiche) im oberen Revierteil auf, wovon zwei an anderen Pflanzen markierten. Drei ­Fegestellen blieben unbesucht. Sauen zogen vorbei, ohne sichtbar von ihnen Notiz zu nehmen. Zwei weibliche Stücke interessierten sich hingegen auffällig für ein und denselben, von einem starken Sechser bearbeiteten Holunder und bewindeten ihn mehrfach.
Die dritte Testwoche ergab, dass sechs der sieben Fegestellen (viermal Holunder, zweimal Schwarzdorn, einmal Fichte) von männlichem Rehwild aufgesucht wurden. Darunter waren allerdings nur zwei unterschiedliche Böcke. Beide markierten dreimal an ­herunterhängenden Ästen in der Nähe. Eine besonders markante Stelle im Schwarzdorn bestand aus mehreren frisch entrindeten Stämmchen bis etwa ­einem Meter Höhe. Da keine Bast­fasern herunterhingen, was durch das Reiben der jeweiligen Gehörnperlung entsteht, wurde ich zunächst nicht schlau daraus, was dort geschehen war. Definitiv war hier Wild an der Rinde zugange gewesen, ohne dass diese z. B. Schäle zeigte, ausfranste oder eindeutig auf Fegeaktivität hindeutete. ­
Je feiner die Perlung, desto feiner sind die Bastfasern der aufgeplatzten Rinde an der vom Bock bearbeiteten Fegestelle, so viel ist bei entsprechender Rindenstruktur zumindest anzunehmen. Des Rätsels Lösung waren zwei Damspießer, die sich durch heftiges Schubbern, ähnlich einer Sau am Malbaum, ihrer Winterdecke entledigt und die Spuren an der Rinde hinterlassen hatten.

In der letzten Testwoche wurden fünf der sieben Fegestellen von drei ­älteren Böcken kontrolliert, wovon ­einer seine Stirnlocken (Intercornualdrüse bzw. Stirnorgan) nochmal kurz an ­einem gefegten Douglasien-Stämmchen rieb und somit eine neue Duftmarkierung setzte (s. WuH 10/2019). Bei den Bockbesuchen wurde von allen wieder in der näheren Umgebung an herunterhängenden Ästen markiert.

Der Bast fasert, je nach Perlung der Gehörne und Rindentyp, unterschiedlich aus. In der Praxis sind diese Unterschiede allerdings meist nicht so eindeutig wie im Test.
Foto: Tobias Thimm

Der Versuch zeigte unter anderem, dass zumindest in Obertiefenbach die Stärke der befegten Stämmchen nicht mit der Stärke der Böcke zusammenhing. Der Standort schien wichtiger zu sein. Lediglich ein einziger Proband fegte im Testzeitraum kurz eine schon existierende Fegestelle. Kein weiterer Obertiefenbacher fegte an einem der bereits markierten Stämmchen vor der Kamera. Dennoch wurden 75 % der ­frischen Fegestellen von Böcken aufgesucht. Dass sie dabei mit den Lichtern und geruchlich kontrolliert wurden, nehme ich an. Keine der überwachten Markierungen wurde nachts von Böcken aufgesucht, obwohl Rehwild im Testzeitraum zur Nachtzeit viel zog. Dies könnte für eine Sicht-Kontrolle sprechen.
Mich überraschte, dass zwei Fegestellen bei mehreren weiblichen Stücken eindeutig auf Interesse stießen. Bemerkenswert ist auch, dass über 57 % der Gehörnten nahe der Fegestellen in höherem Astwerk markierte – vermutlich verlaufen dort Territoriumsgrenzen. Alle in den Testwochen dokumentierten ­Böcke waren mehrjährig und hatten ­bereits verfegt. Da das Entfernen der Basthaut meist rasch erledigt ist, handelte es sich bei den überwachten Fegestellen um reine Reviermarkierungen bzw. Anwesenheitsbekundungen der territorialen Böcke. Die heißen Temperaturen im April sorgten dafür, dass die ehemals frischen Fegestellen der ersten Testreihe bereits nach wenigen Wochen extrem stark eingetrocknet und verblasst waren, sodass auch ein geübtes Auge sie leicht für Stellen aus dem Vorjahr hätte halten können.

Insgesamt wurden 28 Fegestellen überwacht. Wochenweise wurden die Kameras an neuen Orten platziert.
Foto: Richard Günzel

Bei der Wahl der Pflanzenart als Fegestelle war Holunder im Testrevier auf der Beliebtheitsskala beim männlichen Rehwild ganz oben. Möglicherweise, weil er vermehrt Kalziumkristalle in Rinde und Mark enthält oder, wie die Weiden, viel Wasser in den Leitungsbahnen führt.
Entschieden sich die Böcke beim ­Fegen für Nadelholz, so wurden stets markante, solitär stehende Pflanzen gewählt. Beim Laubholz schien dies keine Rolle zu spielen. Auch wenn für die gewonnenen Erkenntnisse das ­eiserne Gesetz des Örtlichen gilt, so zeigte sich doch, dass Böcke zumindest die Fegestellen immer mal wieder aufsuchen. Ein Rhythmus war dabei nicht zu erkennen. Möglicherweise könnten hier größere Versuchsreihen Erkenntnisse bringen.

Was für Bau und Dachs gilt, passt auch beim Rehwild: Wer die Fegestelle hat, hat den Bock. Vorausgesetzt es ist nicht ausgerechnet der Ort, an dem ein Jährlingsnomade sein bisschen Bast abgestreift hat. Scheuen Sie sich also nicht davor, mal mit dem Sitzstock tagsüber an solchen Orten anzusitzen. Auch der heimlichste Platzbock macht Kontrollgänge an den Grenzen und markiert sein Territorium.

Das Diagramm zeigt die im Test befegten Pflanzenarten. In Obertiefenbach scheinen die Böcke eine besondere Vorliebe für Holunder (54 %) zu haben.

BRESSER
„Überwachungs­kamera 120° mit PIR-Bewegungssensor 16-MP Full-HD“

Alle Kameras dieses Modelltyps funktionierten im Testzeitraum ­tadellos. Lediglich bei nächtlichen Nahaufnahmen, z. B. wenn Wild direkt die Kamera bewindete, waren einzelne Fotos überbelichtet. Das Gehäuse ist gut getarnt und schützt dadurch vor Diebstahl. Die unsichtbare Infrarot-LED-Beleuchtung und ein 120° PIR-Bewegungssensor mit einer Reichweite von ca. 20 m lösten sogar bei einer einzelnen starken Hummel aus. Die Full-HD-Videos waren qualitativ in Ordnung. Die Batterien hielten vier Wochen durch. Mehr Infos unter bresser.de.

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