SIKAJAGD
Einst als Präsent an den österreichischen Kaiser ins Land gekommen, ziehen die genügsamen Hirsche aus Fernost seit 110 Jahren im südlichen Waldviertel ihre Fährten. Markus Deutsch hatte das seltene Glück, dort auf einen Brunfthirsch eingeladen zu werden.
Das Sika-Kahlwild tritt während der Brunft wie gewöhnlich zum Äsen aus. Der suchende Hirsch drängt brunftige Stücke dann häufig zum Beschlag in eine Dickung ab.
Langsam ergreift die Dämmerung Besitz vom Revier. Die von Bäumen gesäumte Wiese ist noch jungfräulich leer, da lässt uns ein giftiges Keckern aufhorchen. Matthias hatte seinen auf dem Kanzelboden abgestellten Rucksack leicht verschoben, um etwas mehr Beinfreiheit zu haben. Das hat einen in der Kanzel wohnhaften Siebenschläfer in klaustrophobische Bedrängnis getrieben. Laut zeternd macht er seinem Unmut über die raumgreifenden Störenfriede Luft und beruhigt sich erst nach einer ganzen Weile, nachdem er sich, von uns mit den Augen verfolgt, unter dem Kanzeldach eingeschoben hat.
Ein Foto bei Tageslicht verdeutlicht die Distanz vom Hochsitz zum Kugelriss (l.) und von dort Richtung Bestandsrand, wo der Hirsch verendete.
Als wir wieder nach vorn blicken, durchfährt es uns: Wie hingezaubert äsen auf der Wiese Sikatier und Kalb. Sollten die beiden vielleicht einen Hirsch im Schlepptau haben? Gespannt glasen wir immer wieder den Bestandsrand ab, aber dort ist nichts Auffälliges zu sehen. Allerdings hat ein Tier die Transportstrapazen nicht verkraftet und ist gleich in der neuen Heimat eingegangen. Auf den überlebenden sechs Individuen fußt die Population, die derzeit rund um Persenbeug auf ungefähr 5000 Hektar ihre Fährte zieht. So profitieren mittlerweile auch alle Revier anrainer wie Matthias vom einstigen kaiserlichen Präsent.
Plötzlich werfen Alttier und Kalb auf und sichern Richtung Fichten. Weiteres Kahlwild, insgesamt fünf Stück, tritt aus. Im selben Moment schmettert wieder der exotische Brunftschrei durch die zunehmende Dämmerung, nur diesmal unmittelbar vom Bestandsrand. Mit klopfendem Herzen richte ich mich vorsichtig ein. Das Sikawildäst sich in unsere Richtung ziehend an der Wiesenkante entlang. Da tritt ein Hirsch zwischen den Büschen hindurch auf die Weide aus. Gebannt starren wir ihn durch unsere Gläser an. „Ein mittelalter Achter. Der passt“, raunt Matthias mir nach einer Weile zu. Ich gehe in Anschlag. Allerdings ist der Anvisierte ganz und gar mit seinen Brunftaufgaben beschäftigt und bietet in seiner nachvollziehbaren Triebhaftigkeit keinerlei Möglichkeit für einen sauberen Schuss.