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Signale aus der Sasse

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RAUMNUTZUNG BEI FELDHASEN

Wo schläft der Hase, wo äst er und was braucht er zum Leben? Stéphanie Schai-Braun und Prof. Dr. Klaus Hackländer sind Mümmelmann mittels GPS-Technologie gefolgt.

Ursprünglich stammt der Feldhase aus den Grassteppen Eurasiens. Von dort hat er sich erfolgreich in den Ackerbaugebieten Europas ausgebreitet. Da die dortige Agrarlandschaft äußerst vielfältig ist, bewohnt der Feldhase die unterschiedlichsten Lebensräume. Seit circa 1900 nimmt allerdings die Anzahl der Feldhasen wegen der Intensivierung der Landwirtschaft in ganz Europa ab. Aufgrund des Besatzrückgangs haben zahlreiche Wissenschaftler mithilfe der Radiotelemetrie die Raumnutzung des Feldhasen erforscht. Da jedoch alle bisherigen Studien in großräumigen Landwirtschaftsgebieten mit durchschnittlichen Feldgrößen von sechs bis 50 Hektar durchgeführt wurden, wusste man bisher nichts über die Raumnutzung des Feldhasen in Gebieten, in denen der Zugang zu Ressourcen erhöht ist, das heißt in kleinräumigen Landwirtschaftsgebieten.
Gefangen, besendert und freigelassen: Im Untersuchungsgebiet erhielten neun Feldhasen GPS-Sender-Halsbänder, mit denen ihre Bewegungsmuster rund um die Uhr aufgezeichnet wurden.
Mit den herkömmlichen Methoden, namentlich der Radiotelemetrie, konnte in der Vergangenheit nur schwer bei der Raumnutzung von Feldhasen zwischen Nahrungsgründen und Ruheplätzen unterschieden werden. Vor Kurzem wurde die GPS-Technologie stark verbessert, sodass leichte Geräte für kleineres Haarwild – wie den Feldhasen – auf dem Markt erhältlich sind. Dank der durchgeführten stündlichen Ortung der Hasen mittels GPS war es möglich, aktive und ruhende Phasen über 24 Stunden hinweg und ohne Behinderung durch schlechte Lichtverhältnisse genau zu bestimmen. Bei früheren Studien wurde meistens der Zeitpunkt von Sonnenaufgang und -untergang für die Trennung von aktiver und ruhender  Phase des vorwiegend nachtaktiven Feldhasen verwendet. Obwohl speziell während der Vegetationsperiode dieses Wild oft auch tagsüber im hellen Sonnenlicht aktiv ist. Im Sommer 2009 startete das Projekt im Marchfeld in der Nähe von Zwerndorf (Niederösterreich). Das Untersuchungsgebiet bestand aus Ackerland, auf dem vorwiegend Getreide angebaut wurde. Es war aufgrund der geringen Feldgrößen (durchschnittlich 3,1 Hektar) sehr kleinräumig. Jährlich im Herbst zählten die Jäger mithilfe der Scheinwerfertaxation die Hasendichte, wobei diese im Jahr 2009 35 Stück pro 100 Hektar betrug. Zunächst wurden neun adulte Feldhasen (4 Rammler, 5 Häsinnen) in Kastenfallen gefangen und mit einem GPS-Halsband ausgestattet. Als Fluchttiere bevorzugen Feldhasen überschaubare Lebensräume, weshalb sie oft in offenen Landwirtschaftsgebieten heimisch sind. Da für GPS-Geräte eine direkte Sichtverbindung zu den Satelliten nötig ist, um die Signale zu empfangen, eignen sich Feldhasen hervorragend für die Beobachtung mittels dieser Technik. Im Voraus wurden die GPS-Halsbänder so programmiert, dass eine stündliche Positionsaufnahme der neun Tiere erfolgte.
Vor allem an den Rändern der etwa elf Hektar großen Streifgebiete befanden sich die von den besenderten Hasen bevorzugten Sassen.

Während der täglichen Ruhephase hielten sich die Feldhasen auf kleinsten Gebieten auf (im Durchschnitt auf 200 Quadratmetern). Das heißt, alle Sassen, die innerhalb eines Tages aufgesucht wurden, befanden sich in unmittelbarer Nähe voneinander. Von Tag zu Tag wurden jedoch andere Ruheplätze aufgesucht – wohl auch, um sich vor Prädatoren zu schützen. Sie waren jedoch nicht über das ganze Streifgebiet verteilt, sondern lagen direkt an dessen Rändern und außer halb der Nahrungsgründe. Das Wild nutzte während der täglichen aktiven Phasen nur Teile des wöchentlichen Streifgebiets (circa 25 Prozent hiervon). Die Streifgebiete der untersuchten Feldhasen waren mit 11 Hektar deutlich geringer als alle anderen Streifgebiete, die jemals bei Feldhasen gemessen wurden (21 bis 330 Hektar). Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass aufgrund der Kleinräumigkeit der Untersuchungsflächen die Hasen auf engstem Raum die nötigen Ressourcen fanden. Sie konnten somit ohne weite Wanderungen ihre Bedürfnisse – vor allem Äsung und sichere Deckung – befriedigen.

Mittendrin in der „Hasenapotheke“: Meister Lampe bevorzugt insbesondere Feldränder, da die Vegetation dort vielfältiger und kräuterreicher als im Feldinneren ist.
Im Schnitt lagen die einzelnen Äsungsgründe 60 Meter voneinander entfernt, wohingegen sich die Ruheplätze durchschnittlich in 70 Meter Distanz zueinander befanden. Die längsten Strecken zogen die untersuchten Hasen, um von den Nahrungsplätzen zu den Ruheflächen und zurück zu gelangen. Diese Distanz betrug circa 120 Meter und zeigt deutlich, dass sich Nahrungsgründe und Ruheplätze an unterschiedlichen Orten im Revier befanden. Dessen ungeachtet ist die von uns gemessene Entfernung zwischen den beiden Plätzen viel näher, als bisher in anderen Feldhasenstudien gemessen wurde. Bei ihnen betrug der Abstand zwischen 230 und 300 Meter. Der Grund dafür dürfte wiederum in der Größe der Felder zu suchen sein.

In unserem Hasenrevier waren die Felder in etwa halb so groß und die Wegstrecken zwischen Nahrungsgründen und Ruheplätzen halb so lang wie in den anderen Feldhasengebieten. Das heißt, um die verschiedenen Bedürfnisse während der aktiven und ruhenden Phase zu decken, bot das kleinräumige Gebiet anscheinend mehr Möglichkeiten als die großräumigeren.

Feldränder weisen im Allgemeinen eine vielfältigere Vegetation auf als im Feldinneren. Aus anderen Forschungsarbeiten ist bekannt, dass Hasen im Winter, wenn die Felder brach liegen,
tagsüber gern diese Randbereiche als Deckung wählen. Unsere Resultate zeigten, dass sich die Feldhasen auch im Sommer sowohl in den Aktiv- als auch den Ruhephasen bevorzugt in der Nähe von Feldrändern aufhalten. Bei den Ruheplätzen war diese Präferenz noch ausgeprägter, obwohl im Sommer durch die hohe und dichte Vegetation eigentlich genügend Deckung für die besenderten Stücke auch anderweitig vorhanden gewesen wäre. Möglicherweise fanden die ruhenden Hasen im Sommer in der Nähe von Feldrändern geeignetere Deckung, da dort aufgrund von unvollkommener Feldbearbeitung die Feldfrüchte weniger dicht und hoch stehen. Feldränder sind darüber hinaus oft mit Wildkräutern durchsetzt. Nachdem Hasen Wildkräuter auf ihrem Speiseplan bevorzugen, üben diese Orte wohl zusätzlich eine besondere Attraktivität bei der Suche nach Äsung aus.
Vor allem in der vegetationsarmen Zeit sind Feldhasen überwiegend nachtaktiv.
Die Untersuchung zeigt, dass Feldhasen in kleinräumigen Gebieten, in denen der Zugang zu Ressourcen erhöht ist, kleine Streifgebiete besitzen. In solchen Gebieten entfallen lange energieraubende und gefährliche Wanderungen. Dies kommt dem Energiehaushalt des Wildes entgegen, was sich wiederum vorteilig auf den Hasenbesatz auswirken dürfte. Die Nahrungsgründe der Feldhasen in unserer Studie waren fast genauso groß wie ihr gesamtes Streifgebiet. Das weist darauf hin, dass die Nahrungssuche für sie den aufwändigsten Part des Tages darstellt. Deshalb wäre es für die Hasenhege in einem Ackerbaugebiet wichtig, dauerhafte Nahrungsquellen bereitzustellen. Da Feldhasen bevorzugt Gräser und Kräuter äsen, könnten einzelne Grünflächen oder speziell angesäte Wildäcker als beständige Äsungsgründe für die Hasen dienen. Im Handel gibt es Hasenbrachenmischungen, die besonders auf die Bedürfnisse der „Feinschmecker“ ausgerichtet sind. Diese könnten in großräumigen Gebieten zum Beispiel so ausgebracht werden, dass sie die Unterteilung von größeren Feldern bewirken. Dabei sollten die Hasenbrachen keine zu dichte Vegetation aufweisen. Äsende Feldhasen bevorzugen lockere und lichte Strukturen, da sie darin mit guter Sicht Prädatoren frühzeitig erkennen können. Solche Ha- senbrachen unterscheiden sich im Sommer von den hohen dichten Feldfrüchten. Wichtig scheint außerdem, den Feldhasen verschiedene Lebensräume auf kleinem Raum zu bieten, da sich die Bedürfnisse von Meister Lampe während der aktiven und ruhenden Phase stark unterscheiden. Schließlich sollten die hasenfreundlichen Hegemaßnahmen im gesamten Jagdgebiet verstreut angeboten werden, da sonst nur einzelne Tiere vom Angebot profitieren.
In dem kleinstrukturierten Untersuchungsgebiet legten die Hasen zwischen den täglichen Äsungs- und Ruheplätzen eine Strecke von weniger als 150 Metern zurück.

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