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Tauben, Schleicher, kurze Röcke

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RINGELTAUBENPIRSCH MIT KLAUS GRÜSSING

Auf den ersten Blick hat die Ringeltaubenjagd an den Knicks Ostfrieslands nichts mit attraktiven Frauen, kurzen Röcken und schlanken Beinen zu tun. Doch weit gefehlt, denn das „Anschleichen“ von Tauben und ein Besuch im Strandcafé haben mehr gemeinsam, als man glauben mag. Was genau, erfuhr CHRISTIAN SCHÄTZE von den Hollener Jägern Klaus Grüssing und Hermann Claus.

Ringeltauben
Foto: Christian Schätze

Auf allen Vieren kriecht Klaus Grüssing ein Stück weiter, hält inn und hebt vorsichtig den Kopf. Doch trotz Tarnbekleidung und behutsamen Pirschens machen die Ringeltauben bereits einen „langen Hals“ und streichen kurz darauf mit klatschenden Flügelschlägen ab.

„Das war wohl nichts“, sagt Grüssing trocken und schaut den Geringelten hinterher. Im selben Moment zieht ein neuer Flug die Aufmerksamkeit des passionierten Niederwildjägers auf sich. Nach ein paar Ehrenrunden fallen sie in einem benachbarten Knick ein. Die meisten Wallhecken um Hollen wurden vor etwa 100 Jahren angelegt und mit Büschen und Bäumen bepflanzt. Dadurch sollten die Grundstücke abgegrenzt und der Bodenerosion vorgebeugt werden.

Gut getarnt: Jede Deckung nutzend, „schleicht“ Klaus Grüssing einen Flug Ringeltauben an. Foto: Christian Schätze

„Mal schauen, ob ich an die herankomme“, sagt Grüssing. „Die Bäume stehen eng beieinander, und der Unterwuchs ist auch schön dicht.“ Doch statt loszupirschen, setzt sich der Ostfriese an der Grabenkante ins trockene Gras und beobachtet die Geringelten ein paar Minuten aus sicherer Deckung heraus. „Die Tauben müssen sich erst mal beruhigen und eine entspannte Haltung einnehmen“, erklärt der Ostfriese. „So lange sie noch aufrecht auf den Ästen hocken und einen langen Hals machen, hat man keine Chance, auf Schussentfernung her anzukommen.“

Das ist wie bei der Frühjahrsjagd auf den balzenden Tauber. Auch da musste man sich jeden Schritt genau überlegen, wenn man am Ende nicht als Schneider nach Hause gehen wollte. Eine hastige Bewegung, ein Knacken, und die sicher geglaubte Beute war weg. Bei Klaus Grüssings Art zu jagen ist das Risiko, von den aufmerksamen Vögeln entdeckt zu werden, noch um ein Vielfaches größer. Denn einem kopfstarken Flug Geringelter entgeht so gut wie nichts. „Doch gerade das macht den Reiz des Anschleichens aus“, erklärt der 55-Jährige mit leuchtenden Augen. „Wem es hauptsächlich um die Größe der Strecke geht, sollte lieber zu seinen Locktauben greifen. Derjenige, der allerdings seine Fähigkeiten beim Pirschen kennenlernen und extrem spannendes Waidwerk erleben möchte, für den ist das Anschleichen genau das Richtige.“

Inzwischen sitzen die Tauben leicht nach vorn gebeugt und lassen sich die Sonne aufs Gefieder scheinen. Hin und wieder flattern sie auf die Wiese und nehmen emsig Eicheln auf.

Kurz vorm Ziel: Im Schutz der Eichen nimmt der passionierte Flintenjäger eine Taube aufs Korn. Foto: Christian Schätze

„So, dann wollen wir mal“, sagt der Ostfriese und greift zu seiner Bockflinte. Gebückt geht es am Grabenrand entlang. Plötzlich streichen ein paar Tauben ab, doch der erfahrene Waidmann behält einen kühlen Kopf und „schleicht“ unbeirrt weiter: „Tauben kommen und gehen. Vielleicht schmecken die Eicheln woanders ja besser.“ Die verbliebenen Ringeltauben bekommen von all dem nichts mit. Nur ein paar neugierige Kühe scheinen sich für ihn zu interessieren. Im Galopp kommen sie auf das getarnte Etwas zugestürmt und machen große Augen. „Komisches Ding“, scheinen sie zu denken und vergrößern vorsichtshalber den Abstand. Durch das Hinundher sind die ersten Tauben auf den sich langsam bewegenden „Laubhaufen“ aufmerksam geworden und recken die Köpfe in die Höhe. Jetzt muss es schnell gehen, wenn der Ostfriese noch eine Chance haben will. Doch zu spät, die Tauben haben den Braten bereits gerochen und streichen im Schutz der Bäume ab. Und wieder bleiben die Läufe blank.

Auf leisen Sohlen: Einen solchen Flug unbemerkt anzupirschen, gelingt nur mit viel Geduld.Foto: Christian Schätze

Über eine Stunde ist der Jäger nun schon unterwegs und hat noch immer keine Blaugraue am Galgen. Mit gesenktem Kopf stapft Grüssing zum Auto zurück. „Die sitzen heute aber locker“, schimpft der Waidmann. Am Kombi angekommen, ist der Frust verflogen, schließlich gibt es in Grüssings 850 Hektar großem Revier noch zig andere Knicks, an denen sich ein Besuch lohnt.

Gerade als der Ostfriese seine Waffe im Wagen verstauen will, hält Jagdfreund Hermann Claus an. Er ist ein mit allen Wassern gewaschener Ostfriese und hat Klaus Grüssing so ziemlich alles beigebracht, was man über Tauben wissen muss.

„Na, Klaus, wullt Du weer an Duven anschleichen?“, stellt er fragend fest. „Jo, Hermann.“ „Und?“, hakt der Jagdfreund nach. „Viele Tauben, aber nix bekommen“, antwortet Grüssing leicht resigniert. „Weißt Du Klaus“, sagt der 65- Jährige schließlich. „Mit den Duven ist es wie mit Männern und tollen Frauen. Ist das Wetter schön, sitzen die Herren im Café, blättern in der Zeitung und halten nach langen Beinen und kurzen Röcken Ausschau. Entgehen tut ihnen dabei nichts. Beginnt es aber zu regnen und frischt der Wind ein bisschen auf, ziehen sie die Köpfe ein. Die haben dann einfach keinen Spaß mehr am Rumgucken. Bei den Tauben ist es genauso. Am besten funktioniert das Anschleichen bei Wind und Wetter.“„Ich weiß“, antwortet Klaus Grüssing und lacht. „Und was hast Du jetzt vor?“ „Tauben anschleichen natürlich“, antwortet das ostfriesische Original. „Vielleicht bekommt man ja doch noch welche.“ „Bestimmt“, ermutigt ihn der zehn Jahre jüngere Waidmann. „Komm doch heute abend zum Essen“, fordert Grüssing seinen Jagdfreund auf. „Es gibt Taubenbrüstchen.“ „Wirklich?“, gibt Hermann Claus herausfordernd zurück. „Versprochen!“, antwortet Grüssing und fährt davon.

Keine zehn Minuten später hat Klaus Grüssing die nächsten Tauben ausgemacht.
Sechs Stück haben es sich auf einer dicken Eiche gemütlich gemacht und dösen vor sich hin. „Das sieht gut aus“, sagt der immer gut gelaunte „Schleicher“ und springt aus dem Auto. Mit gebrochener Flinte pirscht er von Eiche zu Eiche und verringert schnell die Entfernung zu den Geringelten. Immer wieder macht er eine kleine Rast, um nach dem Wild zu spähen oder weil ihn wieder einmal eine Brombeerranke festhält.

Ostfriesisches Original: Jagdfreund Hermann Claus hat immer einen wertvollen Rat oder lustigen Spruch parat. Foto: Christian Schätze
Waidmannsheil: Hier hat Klaus Grüssing alles richtig gemacht und kommt mit einer Ringeltauben-Dublette zurück. Foto: Christian Schätze

Noch eine Eiche, dann ist es geschafft. Und tatsächlich, die Ringeltauben dösen noch immer vor sich hin. Vorsichtig lugt Grüssing hinter der Eiche hervor, dann schiebt er die beiden 3-mm-Torhammer in die Patronenlager, kauert sich zwischen zwei Stämme und schießt. Getroffen plumpst eine der dicken Ringeltauben zu Boden. Und auch der Schuss auf einen abstreichenden Vogel gelingt.

Nach dieser Dublette scheint der Bann gebrochen. Als gegen Abend der Wind auffrischt, scheinen die Tauben tatsächlich nicht mehr viel „Spaß am Gucken“ zu haben. Zwar verzeichnet der passionierte Jäger noch die eine oder andere Fehlpirsch, doch immer öfter kommt Grüssing nun nah genug an die Vögel heran und macht Beute.

Als es zu dämmern beginnt und die Tauben zu ihren Schlafplätzen abstreichen, hat der Ostfriese ein gutes Dutzend Ringeltauben erlegt und fährt schnurstracks nachhause. Schließlich hat er Jagdfreund Hermann ein paar in Butter geschwenkte, mit Meersalz und grobem Pfeffer gewürzte Taubenbrüstchen versprochen. Und Versprechen hält Klaus Grüssing ein.

Reiches Mahl: Bis zu 13 Eicheln fanden sich in den Kröpfen der Tauben. Foto: Christian Schätze
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