Über Stock und Stein

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Allwettertauglich, robust, vielseitig, leicht und präzise. Mit diesem Profil wirbt Sauer für den jüngsten Sprössling der 202-Familie. Raubein oder Weichei? Michael Schmid und Hans Pfaff strapazierten die Büchse aus Eckernförde im „Outback“ der schwäbischen Alb.

 

Gewöhnungsbedürftig: Zum Entsichern drückt der Abzugsfinger vor dem Züngel den Knopf nach oben, gesichert wird auf dem Kolbenhals

Mit einem Kopfschütteln wurden noch vor wenigen Jahren die „Plastikbüchsen“ der Auslandsjäger und Outfitter in Afrika oder Nordamerika belächelt. Außen schlicht und schnörkellos, dafür jedoch funktionell und unempflindlich. Und so haben mittlerweile führige Allwetter-Repetierer auch in heimischen Revieren Hochkonjunktur.

Der erste Schritt von Sauer in diese Richtung war die 202 „Alaska“ mit Schichtholz-Schaft. Auf dieser bewährten Technik aufbauend, wagt sich nun ein weiteres Modell aus Deutschlands nördlichster Waffenschmiede auf den Markt – die Outback.

Das Herzstück der Büchse ist das 1985 eingeführte Zylinderverschluss-System der Sauer 200 beziehungsweise der 202, das sich bestens bewährt hat. Vor allem der Kammergang der Büchse besticht durch eine spielfreie Funktion. Enge Fertigungstoleranzen, eine hochwertige Oberflächenbearbeitung und die nicht überstehenden Verriegelungswarzen sind die Grundlage für diese „reibungslose“ Meisterleistung. Geführt und gesteuert wird das System über eine Nut auf der Kammerunterseite. Der vom Gehäuse her eingreifende Kammerfangbolzen ist zur Demontage des Systems über einen Druckstift am Abzugsbügel absenkbar.

Ohne Ecken und Kanten

Sechs Verriegelungswarzen garantieren ein Höchstmaß an Schützensicherheit. Sie verdauen die Gasdrücke der Outback-Kaliber .22-250, .243, 6,5×55, .270, 7×64, .308, .30-06, 8×57 IS und 9,3×62 spielend. Die Patrone wird im Kammerkopf von einem radialen Bund umschlossen, in Verbindung mit einer Gasentlastungsbohrung ein weiteres Plus in Sachen Unfallverhütung. Die Auszieherkralle und der Ausstoßer der 202 sind federbelastet, die Hülsen werden durch diese Konstruktion zuverlässig ausgeworfen.

Dem leichten Schlossgang angemessen ist der abgeflachte, zierliche Kammerstängel. Die geringfügig nach vorn gebogene Nase am Abschluss sorgt für eine optimale Position von Zeigefinger und Daumen beim Repetiervorgang. Einziger Schwachpunkt: Kommen klamme Finger oder gar Handschuhe ins Spiel, wird die Arbeit am feingliedrigen Kammerstängel zum Gefummel. Sauer bietet daher als Alternative die mit einer kräftigen Abschlusskugel ausgestattete Kammer der 202 „Target“ an.

Das Systemgehäuse ist bei der Outback zur Gewichtsersparnis aus harteloxiertem Aluminium gefertigt. Stahl ist hier keinesfalls nötig, da der Verschluss der 202 direkt im Lauf verriegelt und somit auf die Hülse keine Kräfte wirken.

Der nur 56 Zentimeter lange, gehämmerte Chrom-Molybdän-Stahllauf wird mit Klemmschrauben in der Hülse befestigt. Zwei Schrauben sind im System verankert, eine dritte muss zum Laufwechsel vollständig herausgedreht werden, damit ein zusätzlich sichernder und gleichzeitig zur Vorderschaftverschraubung dienender Bolzen entfernt werden kann. Über eine Führungsnut und die direkt im Lauf verriegelnde Kammer wird das Rohr bei der Montage korrekt positioniert und ein gleichbleibender Verschlussabstand garantiert. Bewegt man sich im Bereich der Standardpatronen, können Magazin und Kammer beim Laufwechsel beibehalten werden. Nur für die .243, die .308 und die 9,3×62 benötigt man ein anderes Magazin, bei der .243 und der .22-250 ist auch eine eigene Kammer notwendig.

Der Laufwechsel ist einfach und auch von handwerklich weniger geübten Jägern zu meistern. Einmal eingeschossen, blieb die Treffpunktlage der Büchse trotz mehrmaligem Aus- und Einbau des Laufes während des gesamten Testzeitraums konstant. Auf einen Kontrollschuss sollte man aber trotzdem nicht verzichten. Die Munitionszufuhr funktionierte ohne Ecken und Kanten. Sie erfolgt über ein drei- oder wahlweise fünfschüssiges Magazin. Letzteres gibt es aber leider nicht für die Drückjagdpatrone 9,3×62.

Stecher rastet lautlos ein

Abzugseinheit und Sicherung sind bei der Outback geschlossen im Systemgehäuse platziert. Wahlweise wird ein Flinten- oder ein Kombiabzug mit Rückstecher angeboten. Ungestochen löste die Testwaffe den Schuss bei einem Druck von 13 Newton (rund 1300 Gramm) auf das Züngel. In Verbindung mit der hervorragenden Charakteristik ein sowohl für Ansitz als auch für Drückjagd und Nachsuche geeignetes Abzugsgewicht.

Der justierbare Stecher rastet lautlos ein. Mit der Werks-Einstellung bricht der Schuss bei einem Druck von 2,5 Newton (rund 250 Gramm) – quasi durch sanftes Antippen. Eine Entstechautomatik beim Anheben des Kammerstängels gehört zum Standard aller 202-Modelle.

Gewöhnungsbedürftig ist die Sicherheitstechnik der Outback: Gesichert wird über einen Druckknopf auf dem Kolbenhals, entsichert jedoch mit dem Schießfinger, der direkt vor dem Abzug einen Knopf hochdrücken muss. Beide Bedienelemente sind sehr gut fühlbar und funktionieren lautlos. Dass die Büchse entsichert ist, wird über einen roten Ring am Sicherungsknopf angezeigt. Eine weitere optische Hilfe bietet eine rote Markierung an der Schlossmutter, die bei gespannter Büchse sichtbar wird. Schade nur, dass die Büchse keine Montagesicherung (Gesichert, Kammer lässt sich aber öffnen) aufweist und somit beim Entladen zwingend feuerbereit ist.

Die Sicherung der 202 wirkt indirekt über das Abzugsgestänge auf den Stollen, ein in die Kammerführung eingreifender Bolzen verhindert im gesicherten Zustand das Öffnen des Verschlusses.

Okular und Auge auf die gleiche Höhe

Der Lauf schießt, der Schaft trifft – beides gilt für die Outback fast ohne Abstriche. Von der Wurzel bis knapp an die Mündung geflutet, weist der Lauf der neuen Sauer eine erheblich vergrößerte Oberfläche auf. Gewichtsersparnis und ein verbessertes Warmschussverhalten sind die Folge. Fünfergruppen von schnell hintereinander abgegebenen Schüssen lagen selten über der 30 Millimeter-Marke. Spitzenergebnisse unter 25 Millimeter Streukreisdurchmesser wurden in der Testwaffe im Kaliber .308 Winchester mit der Nosler-Premium-Laborierung von Federal (10,37 Gramm) erzielt. Zur guten Präzision trägt auch die kurze Zündverzugszeit bei, die über einen kurzen Schlagweg und einen extrem leichten Schlagbolzen erreicht wird.

Verzogene Holzschäfte und ungenaue Bettungen gehören bei der Outback der Vergangenheit an. Der bruchfeste Synthetikschaft ist geteilt und mit zwei Verschraubungen am Leichtmetall-Systemgehäuse befestigt. Denkbar einfach ist die Demontage der Schaftteile: Sie erfolgt mittels Inbusstange und dem dazu passenden Schlüssel. Rucksack oder Koffer, die Outback ist mit wenigen Handgriffen auf ein kompaktes Maß von gerade mal 75 Zentimeter reduziert. Wer es noch kürzer braucht, baut zusätzlich den Lauf aus und erreicht mit 56 Zentimeter „Kurzwaffenlänge“.

Die ausgeprägte Monte-Carlo-Schäftung der Outback ist kompromisslos auf den Schuss über das Zielfernrohr – in unserem Test das bewährte Swarovski 3–12×50 – ausgelegt. Der leicht nach oben gezogene Kolbenrücken bringt Okular und Auge problemlos auf die gleiche Höhe. Will man jedoch bei Nachsuche oder Drückjagd auf die offene Visierung zurückgreifen, kommt man kaum ohne Unterstützung eines Gesichts-Chirurgen aus. Selbst bei schmalen Wangen muss man den Kopf schon fest „in“ den Schaft drücken, um das Ziel über Rechteckkimme und Balkenkorn anvisieren zu können.

Mit einem Maß von 35 Zentimetern vom Züngel bis zur Abschlusskappe passt die Schäftung zwar für viele Jäger, aber eben doch nicht für alle. Eventuell benötigte Verlängerungselemente können über Sauer bezogen werden, eine Kürzung des Schaftes ist leider nicht möglich. Auch Linksschützen haben Pech gehabt: Zwar gibt es ein echtes Linkssystem, aber noch fehlt die passende Schäftung.

Die „punzierten“ Oberflächen an Pistolengriff und Vorderschaft gewährleisten auch bei Feuchtigkeit einen sicheren Anschlag. Abnehmbare Riemenbügel erleichtern das Handling der Büchse in Kanzeln oder auf dem Drückjagdstand.

Egal, ob im Gebirge oder Flachland: Wer viel läuft, schätzt leichtes Gepäck. Mit knapp 2,9 Kilogramm „oben ohne“ gehört die Outback zu den Leichten ihrer Klasse. Mit dem Swarovski-Glas bringt es die Mattschwarze aus Eckernförde gerade mal auf 3,7 Kilogramm. Allen Leichtgewichten haftet jedoch der Ruf des „üblen Treters“ an. Dank gerader Schaft-Geometrie und einer komfortablen Gummischaftkappe hielt sich der Rückstoß der .308 aber in akzeptablen Grenzen. Auch in Sachen Führigkeit besticht die Büchse: Mit 107 Zentimetern Gesamtlänge kommt man auch bei einer Nachsuche ohne viel Hakeln durch dick und dünn.

Welcher Jäger träumt nicht davon, auf Wischlappen und Ölflasche verzichten zu können? Der Traum geht bei den mit Ilaflon beschichteten Stahloberflächen der Outback in Erfüllung. Trotz vieler Regen-Einsätze überstand die Waffe den dreimonatigen Praxistest korrosionsfrei. Einzig die unbeschichtete Kammer und das Innenleben von Lauf und Patronenlager bedürfen der Sorgfalt. Hier ist etwas Waffenöl nach wie vor gut investiert. Wer seine Outback nachträglich zum Beispiel mit einer seitlichen Riemenbefestigung für die Schweißarbeit nachrüsten möchte, hat allerdings Pech: Löten oder Kleben ist auf dem beschichteten Lauf nicht möglich.

Die Obergrenze auf dem Büchsenmarkt

Der Preis ist heiß: Mit 1854,46 Euro markiert die Outback zurzeit die Obergrenze auf dem Allwetter-Repetierbüchsenmarkt. Doch dafür bekommt man ein hochwertig verarbeitetes Gewehr mit präziser Laufwechselmöglichkeit, das hervorragend schießt, leicht und führig ist und zudem fast keine Pflege braucht.

Griffig: Der Hinterschaft ist für größere Schützen und für den Schuss über das Zielfernrohr optimal. Zum Visieren über Kimme und Korn täte aber etwas mehr Kolbensenkung gut

 

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