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Schwarzwild verwüstet Hausgarten

1848

Kein Ersatz wegen Amtspflichtverletzung

Von Mark G. v. Pückler

I. Die Rechtsgrundlage

„Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.“
§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB

„Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht.“ Art. 34 Satz 1 Grundgesetz

II. Der Sachverhalt

Der Eigentümer eines einsam im Südharz gelegenen Wohngrundstückes verlangte vom Land Niedersachsen Schadensersatz, weil Schwarzwild seinen Hausgarten wiederholt „umgepflügt“ hatte.

Zur Begründung machte er geltend, das Land Niedersachsen habe ihm gegenüber seine Amtspflichten verletzt, indem es im Zusammenhang mit der Bildung des Nationalparkes Harz vorübergehend ein Bejagungsverbot und ein Verbot des Fütterns und Kirrens von Schwarzwild angeordnet habe. Dadurch hätten sich die Schwarzwildbestände erheblich vermehrt.

Das Land lehnte ab; es wandte ein, dass eine Amtspflichtverletzung nicht vorliege und es nicht für Wildschäden hafte. Das Gericht musste entscheiden.

III. Das Urteil

Das Gericht wies die Klage ab; der Grundstückseigentümer habe weder einen Anspruch auf Wildschadensersatz noch einen Schadensersatzanspruch aus Enteignung oder Amtspflichtverletzung.

1. Ein Anspruch auf Wildschadensersatz nach § 29 BJG scheide bereits aus mehreren Gründen aus: Zum einen sei der Wildschaden verspätet angemeldet worden, so dass der Anspruch nach § 34 BJG ausgeschlossen sei; zum anderen richte sich dieser Anspruch nicht gegen das Land, sondern gegen die zuständige Jagdgenossenschaft bzw. gegen die Jagdpächter.

2. Auch eine Entschädigung wegen Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriffs stehe dem Grundstückseigentümer nicht zu. Dabei könne dahinstehen, ob die vom Land bzw. von der Nationalparkverwaltung angeordneten Maßnahmen (Bejagungsverbot, Kirr- und Fütterungsverbot) überhaupt eigentumsbeeinträchtigend gewesen seien; denn ein Anspruch auf Entschädigung scheitere bereits daran, dass dem Eigentümer damit kein Sonderopfer zugunsten der Allgemeinheit auferlegt worden sei.

Eine Entschädigung aus Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriffs komme nämlich nur in Betracht, wenn dem Betroffenen unter Überschreitung der Sozialpflichtigkeit seines Eigentums ein besonderes, anderen Eigentümern nicht zugemutetes Opfer zugunsten der Allgemeinheit auferlegt werde. Das sei bei Wildschäden nur der Fall, wenn sie nicht mit geeigneten und zumutbaren Mitteln hätten verhindert werden können.

Hieran aber fehle es im vorliegenden Verfahren; denn der Eigentümer habe es unterlassen, die nach § 32 Abs. 2 BJG erforderlichen üblichen Schutzvorrichtungen zu errichten. Der von ihm erstellte Zaun sei unzureichend und gegen ein Anheben durch Schwarzwild nicht gesichert gewesen.

3. Ein Schadensersatzanspruch aus Amtspflichtverletzung sei ebenfalls nicht gegeben. Dabei könne offen bleiben, ob durch die Maßnahmen des Landes überhaupt eine Amtspflicht gerade dem Grundstückseigentümer gegenüber verletzt worden sei.
Denn jedenfalls sei ein Anspruch schon wegen des überwiegenden Mitverschuldens des Geschädigten ausgeschlossen, weil dieser nicht durch Errichtung der üblichen Schutzvorrichtungen das Wild von seinem Grundstück abgehalten habe.

Das gelte auch dann, wenn in der Vergangenheit keine Wildschäden entstanden seien, da auf Grund der Lage des Grundstücks die Gefahr des Eintritts von Wildschäden jedenfalls latent bestanden habe.
Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 5. 11. 1998 – 6 L 85/98 –

IV. Anmerkungen

Vorab sei klar gestellt: Hier ging es nicht um den üblichen Wildschadensersatz -für diesen haftet bekanntlich nicht der Staat, sondern die Jagdgenossenschaft, bei Übernahme der Pächter; hier ging es um Staatshaftung. Genauer gesagt um die Frage, ob das jeweilige Land wegen Enteignung oder Amtspflichtverletzung haftet, wenn durch jagdliche Maßnahmen/Einschränkungen im Zusammenhang mit der Errichtung/Unterhaltung eines naturschutzrechtlichen Schutzgebietes Wildschäden entstehen.

Eine entschädigungspflichtige Enteignung liegt vor, wenn einem Bürger durch Gesetz ein Recht zugunsten der Allgemeinheit entzogen wird (Art. 14 Abs. 3 GG; z. B. Grundstücksenteignungen im Straßenbau); bloße Beschränkungen des Eigentums ohne Entziehung stellen zumeist keine Enteignung dar, sondern zulässige inhaltliche Einschränkungen des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG), die in der Regel entschädigungslos hinzunehmen sind (z.B. naturschutzrechtliche Nutzungsverbote).

Wenn notwendige jagdliche Anordnungen zu Wildschäden führen, so dürfte darin schon mangels Entziehung des Grundstücks keine Enteignung liegen. Dass außerdem kein die Sozialbindung des Eigentums überschreitender unzumutbarer Eingriff in das Grundstück vorliegt, da er durch Errichtung der üblichen Schutzvorrichtungen hätte verhindert werden können (so das Gericht), kommt noch hinzu.

Verletzt ein Beamter schuldhaft eine einem Bürger gegenüber obliegende Amtspflicht, so ist er diesem zum Schadensersatz verpflichtet
(§ 839 BGB). Geschieht dies durch hoheitliches Handeln, dann haftet an seiner Stelle der Staat mit der Möglichkeit des Regresses gegen den Beamten (Art. 34 GG).

Ob im obigen Falle durch die Anordnung jagdlicher Maßnahmen eine Amtspflicht gegenüber dem Grundstückseigentümer verletzt wurde, ist sehr zweifelhaft; das Gericht hat diese Frage nicht entschieden und auch nicht entscheiden müssen, weil ein Anspruch jedenfalls wegen überwiegenden Mitverschuldens des Eigentümers nicht gegeben war.

Entscheidend dafür, ob eine zum Schadensersatz verpflichtende Amtspflichtverletzung gegenüber einem Dritten vorliegt, ist insbesondere, ob gegen Bestimmungen verstoßen wurde, die auch den Zweck haben, den Interessen gerade des Geschädigten zu dienen.

Eine solche „Drittbezogenheit“ wird bei Maßnahmen im Zusammenhang mit der Bildung und Unterhaltung von naturschutzrechtlichen Schutzgebieten in der Regel nicht gegeben sein, weil diese Maßnahmen regelmäßig ausschließlich öffentlichen Interessen dienen.

Auf einem ganz anderen Gebiet, nämlich der Festsetzung der Abschusshöhe, wurde bereits entschieden, dass in der fehlerhaften Festsetzung von Abschussplänen die Verletzung einer dem Waldeigentümer gegenüber bestehenden Amtspflicht zum Schutze des Waldes vor Wildschäden und ein enteignungsgleicher Eingriff in das Eigentum am Wald liegen kann. Hier bestimmt aber auch § 21 Abs. 1 BJG ausdrücklich zugunsten der Grundeigentümer, dass die berechtigten Ansprüche der Land- und Forstwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben müssen.

V. Ergebnis

Eine Haftung des Landes für Wildschäden, die durch jagdrechtliche Anordnungen im Zusammenhang mit der Bildung/Unterhaltung eines Nationalparkes verursacht wurden, besteht jedenfalls dann nicht, wenn der Geschädigte die zur Vermeidung von Wildschäden notwendigen Schutzvorrichtungen nicht ordnungsgemäß erstellt und unterhalten hat.

 

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