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Wo steht die SPD?

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Ist die SPD von Jägern wählbar?:
Seit dem Rücktritt des SPD-Ministers Karl-Heinz Funke ist es um die Positionen der SPD zu Jagd, Landwirtschaft und Naturschutz in Deutschland still geworden. Heiko Hornung hat den agrarpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Matthias Weisheit aus dem schwäbischen Biberach getroffen und mit ihm vor der Wahl über die für Jäger wichtigen Themen gesprochen.

WuH-Redakteur Heiko Hornung (rechts) traf den agrarpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Matthias weisheit, in seinem Wahlkreis-Büro im schwäbischen Biberach

WuH: Nach dem Rücktritt von SPD-Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke ging das Ministerium an die Grünen. Hat die SPD eigentlich noch ein eigenes agrarpolitisches Profil?

Herr Weisheit: Das hat man sehr wohl. Wir stimmen mit der Agrarpolitik der vergangenen Jahre durchaus mit dem Koalitionspartner überein. Wir haben es sicherlich nicht so überzogen dargestellt, wie das Frau Künast macht, die den ökologischen Landbau in den Vordergrund ihrer Arbeit stellt. Aber es stand bereits in den Koalitionsvereinbarungen, dass wir die Entwicklung zu einer immer arbeitsteiligeren und damit auch immer anfälliger werdenden Landwirtschaft für Betrug und Beschiss halten und so nicht fortsetzen wollen. Uns kam es darauf an, in Richtung Nachhaltigkeit der Landbewirtschaftung zu gehen. Das kann man nicht bloß in der Bundesrepublik machen. Da unterscheiden wir uns von Frau Künast, die immer so tut, als könnte man das alles bei uns in Deutschland erreichen.

WuH: Stichwort Nachhaltigkeit. Sehr viele Grundeigentümer oder Bauern beklagen

Matthias Weisheit: Nun, das muss man vernünftig austarieren. Ich meine, niemand hat uneingeschränkte Nutzungsrechte über seinen Grund und Boden. Also wenn ich in der Stadt Grund und Boden besitze, dann habe ich doch auch alle möglichen Umweltgesetze zu beachten; beispielsweise die Stadtplanung und all die Dinge, die mich in meiner Nutzung einschränken. Das gleiche gilt natürlich auch für Grund und Boden in der Natur. Da hängt eben mehr dran als nur ein landwirtschaftlicher Betrieb. Die Landnutzung beeinträchtigt das Klima und Erholungsräume für die Menschen. Insofern halte ich es durchaus für gerechtfertigt, hier auch Einschränkungen zu machen. Wenn diese Einschränkungen dazu führen, dass nicht mehr wirtschaftlich gearbeitet werden kann, dann muss man Ausgleich bezahlen, das funktioniert ja auch.

WuH: Aber ein Ausgleich dafür

Matthias Weisheit: Also das Wild sitzt ja nicht nur in Naturschutzgebieten, in denen die Jagd unter Umständen eingeschränkt ist.

WuH: Wobei die Jagdgenossenschaften immer nur die gesamte Genossenschaftsfläche verpachten können. Es gibt Forderungen

Matthias Weisheit: Eigentlich nicht. Wir wollen da an den Strukturen, wie sie jetzt sind, nichts ändern. Da ist keine Novellierung in den Jagdgesetzen vorgesehen.

WuH: Es gab von Seiten des Verbraucherschutzministeriums im letzten Jahr ja einiges an Workshops

Matthias Weisheit: Wenn es nach mir ginge, würde am Bundesjagdgesetz überhaupt nichts geändert. Wenn sie dieses Gesetz aufmachen, öffnen sie die Büchse der Pandora. Wir haben in der letzten Legislaturperiode im Agrarausschuss über die Fraktionen hinweg den Versuch unternommen, das Bejagen von Rabenvögeln über das Bundesjagdgesetz zu erleichtern. Wir hatten auch schon eine wunderschöne Formulierung. Aber dann haben wir das schnell wieder verschwinden lassen.

WuH: Warum?

Matthias Weisheit: Weil aus allen Bundesländern auf einmal Wünsche kamen. Das wäre plötzlich eine Novellierung geworden, bei der man den Überblick verloren hätte. Und da haben wir gesagt, wir wollten eigentlich nur den einen Punkt ändern. Aber den bekommst du alleine nicht geändert. Die Erfahrung von damals wirkt bei mir und bei allen, die damit beteiligt waren, nach, so dass wir eine Änderung tunlichst unterlassen sollten. Es gab in dieser Legislaturperiode Reform-Anstrengungen. Aber wir und die Grünen haben gesagt, das schieben wir auf jeden Fall auf die nächste Legislaturperiode, denn so eine Reform muss sehr gut vorbereitet und vor allem mit den Ländern abgestimmt sein.

WuH: Die Reform-Vorstellungen der Grünen gingen recht weit. Kann die SPD den grünen Bündnispartner bremsen?

Matthias Weisheit: Mit Sicherheit.

WuH: Wie sieht die SPD die Rolle der Jagd in einer modernen

Matthias Weisheit: Es gibt Menschen, die meinen, man müsse, oder man dürfe nicht jagen. So denkt jedenfalls irgendeine komische Initiative….. wie heißt diese…?

WuH: Initiative zur Abschaffung der Jagd.

Matthias Weisheit: Ja, genau. Das ist „Schmarrn“, auf deutsch gesagt. Mit denen kann ich nichts anfangen. Ich halte die Jagd für eine notwendige Sache, weil wir ganz einfach keine natürliche unberührte Natur haben, die sich selbst regelt. Wenn wir Wölfe und Wildkatzen und ähnliches hätten, dann könnten wir sagen, man kann möglicherweise auf die Jagd verzichten. Ob man deshalb nicht trotzdem weiterjagen würde, ist eine andere Frage. Aber wir sind sogar darauf angewiesen, dass gejagt wird. Eine Überpopulation wildlebender Arten zwingt uns dazu, regulierend durch die Jagd einzugreifen. Daran darf auch nicht gerüttelt werden.

WuH: Im Zuge der ganzen Reformdiskussion schlug das Bundesamt für Naturschutz vor

Matthias Weisheit: Diese Listen bedürfen sicherlich einer Überarbeitung. Nach der Aussage von Kollegen stehen im Jagdgesetz Tiere, die es gar nicht mehr gibt. Man könnte sich überlegen, ob diese überhaupt im Jagdgesetz stehen sollen. Es gibt auch Beispiele, wo eine Wildart, die noch vor einiger Zeit bedroht war, heute schon wieder zur Plage wird. Ich kann mich erinnern, in meiner Jugend war ein Fischreiher eine ausgesprochen seltene Vogelart. In der Zwischenzeit stehen die am Stadtbach und holen dort die Forellen raus.

WuH: …oder der Biber in Bayern.

Matthias Weisheit: Deswegen meine ich, dass man sehr unflexibel wird, wenn das Gesetz eine solche Liste beinhaltet. Es wird sehr schwer, darin etwas zu ändern. Wenn ich diese Liste jedoch auf dem Verordnungsweg festlegen kann, dann wäre es sehr viel einfacher.

WuH: Die Festschreibung der Liste jagdbarer Wildarten also über die Länder?

Matthias Weisheit: Ja, das wäre eine Verordnung zwischen Bundesregierung und Bundesländern. Die öffentliche Resonanz wäre nicht so groß, der Aufwand für das Gesetz ist nicht so riesig, und es gibt den Ländern die Freiheit schnell darauf zu reagieren, wenn regional irgendwelche Tiere zur Plage werden.

WuH: Damit lässt sich aber auch die Jagd auf Landesebene je nach politischer Führung einschränken.

Matthias Weisheit: Wenn sie die bundeseinheitliche Rechtslage auflösen, haben sie je nach Mehrheitslage im Land möglicherweise heftige Probleme. Wobei natürlich, und das muss man hier sehen, die große Mehrheit der Bevölkerung das gar nicht interessiert.

WuH: Es gibt ein aktuelles Beispiel

Matthias Weisheit: Das kann ich jetzt wirklich nicht beurteilen, weil ich nicht weiß, wie das in Brüssel gelaufen ist. Aber wenn ich die europäische Szene gerade bei Vögeln anschaue, dann muss ich eigentlich sagen, da wäre manches zu regeln, das betrifft nicht nur uns.

WuH: Zum Beispiel?

Matthias Weisheit: Frankreich, Italien, was da noch an Singvögeln geholt wird. Aber das können sie gesetzlich regeln, es wird nicht umgesetzt. Wenn so eine Verordnung rauskommt, gibt es auch gewisse Leute, die dafür sorgen, das sie nicht eingehalten wird. Aber das Regeln überall gleich angewandt werden, lösen wir in diesem Europa vielleicht in zwei, drei Generationen. Ich bin relativ illusionslos, dass das sofort funktioniert.

WuH: Das heißt

Matthias Weisheit: Nein, nein. Das hat mit vorauseilendem Gehorsam nichts zu tun. Das hat was damit zu tun, dass es eine Regel gibt, die gilt. Bei uns ist die Verwaltung so organisiert, dass sie auch durchgesetzt wird. Andere Länder sind schlampiger organisiert, so dass sie nicht sofort durchgesetzt wird. Dieses Problem haben wir in der Landwirtschaft häufig. Deswegen kann ich aber nicht sagen, ich mache die Augen zu und lasse alles laufen.

WuH: Jetzt beklagen sich aber Bauern bei den Jägern

Matthias Weisheit: Das ist natürlich schwieriger…

WuH: Ist das der Weg

Matthias Weisheit: Jetzt haben die Jäger natürlich ein Problem, weil solche Entscheidungen mehrheitlich gefällt werden.

WuH: Also die EU-Vogelrichtlinie kam doch aus der Kommision.

Matthias Weisheit: Nein, nein, Kommission und Rat. Seit zwei Jahrzehnten bekommen wir immer schärfere Regeln in Bereichen, die man durchaus national regeln könnte. Deswegen ist es mir auch wichtig, dass jetzt dieser Verfassungskonvent endlich mal ans Arbeiten kommt, um neue Zuständigkeiten zu kriegen. Letztendlich entscheiden momentan Kommision und Ministerrat. Es ist eigentlich sehr undemokratisch, dass das Europäische Parlament bei solchen Entscheidungen nicht involviert wird. In einer EU-Verfassung wird hoffentlich geregelt, dass Kompetenzen wieder in nationale Verantwortung gelangen, die man national besser regeln kann. Das betrifft zum Teil die Agrarpolitik, also auch die Jagd.

WuH: Noch mal kurz zur Naturschutzgesetzgebung. Die Jäger haben Angst

Matthias Weisheit: Na gut, das sind zwei Rechtskreise, die einander jetzt schon überschneiden. Also wenn ich über das Naturschutzgesetz festlege, dass ein Naturschutzgebiet entsteht, dann betrifft das den anderen Rechtskreis auch. Wie will man das anders organisieren? Natürlich könnte man die Jagd über das Naturschutzrecht regeln, da wäre ich aber absolut dagegen. Wie gesagt, das machen wir nicht.

WuH: Warum sollten Jäger

Matthias Weisheit: Also unter fachbezogenen Gesichtspunkten würde ich sagen, kann man keine bestimmte Wahlempfehlung für die eine oder andere große Partei machen. Eine Wahlentscheidung muss man unter gesamtpolitischen Gesichtspunkten treffen. Ich kann nicht unter dem Gesichtspunkt „Jagd oder Naturschutz“ wählen. Was ich den Leuten sagen kann, ist, dass man an der Situation wie sie ist, im Prinzip nichts Grundlegendes ändern will. Darauf können sie sich verlassen. Wir haben beispielsweise auch mit dem Waffengesetz letztendlich gezeigt, dass man durchaus auf die Interessen der Betroffenen eingehen kann. Wenn auch hinterher Erfurt kam, und die Innenminister aller Länder danach Vorschläge erarbeitet hatten, bei denen einem die Haare zu Berge standen.

WuH: Die SPD-Innenminister unter der Führung von Behrens haben angekündigt

Matthias Weisheit: Das ist die Überzeugung des Herrn Behrens. Dazu braucht er eine Mehrheit im Bundestag. Man muss nicht jedes Gesetz in jeder Legislaturperiode neu anpacken. Es gibt wichtigere Dinge.

WuH: Ja

Matthias Weisheit: Das ist ja kein Problem der Landbevölkerung. Wenn ich sehe, an wen die Jagden verpachtet sind, dann sind das hauptsächlich Personen aus der Stadt, die ein Schweine-Geld dafür ausgeben.

WuH: Die Jagd ist in großen Teilen bodenständig verwurzelt.

Matthias Weisheit: Das wird aber immer weniger. Selbst hier, in einer so schönen ländlichen Region wie bei uns, ist die Jagd zwar noch an Gemeindemitglieder verpachtet. Aber in anderen Gemeinden, die das Jagdrecht meistbietend vergeben haben, kommt der Pächter aus der nächsten großen Stadt. Dort kommt es auch meistens zu Problemen. Ein Thema, das uns Politikern immer wieder begegnet, ist das Schwarzwild. Wir haben ständig Ärger mit irgendwelchen Schweinepestausbrüchen und das schlichtweg weil zu wenig Wildschweine geschossen werden.

WuH: Vor kurzem ist der Tierschutz ins Grundgesetz aufgenommen worden. Hat das nach Ihrer Auffassung Auswirkungen auf die Jagd?

Matthias Weisheit: Wer seine Tierhaltung nach den bisherigen Vorschriften augerichtet hat, braucht sich keine Sorgen zu machen. Das gleiche gilt für die Jagd.

WuH: Naja

Matthias Weisheit: Das ist dann schon ein Unterschied. Also wie gesagt, wie will ich die Baujagd auf Füchse ohne Hund ausüben? Ich glaube nicht, dass sich das auswirkt. Erstmal gibt es hunderttausend Befürchtungen, was sich alles verschlechtern und verübeln könnte.

WuH: Also ist der Tierschutz kein Hebel zur Abschaffung der Jagd.

Matthias Weisheit: Ach was. Da geht es wirklich zum größten Teil um Haustierhaltung, wo der Tierschutz meiner Überzeugung nach längst nicht in dem Umfang realisiert worden ist wie es sein sollte. Wenn beispielsweise in einer Berliner Zwei-Zimmer-Stadtwohnung zwei Riesenköter gehalten werden, dann hört für mich der Spaß irgendwo auf. Wir brauchen eine klare, natürliche Beziehungen zu Tieren. Beispiel: Wir haben einen sehr jagdfreudigen Kater, deswegen habe ich auch keine Probleme mit Tauben. Aber meine Frau schimpft immer ganz groß, wenn er einen Vogel bringt. Ich sage, das ist Natur.

WuH: In diesem Atemzug wird immer diskutiert

Matthias Weisheit: Das ist auch so eine zweischneidige Geschichte, das muss ich ehrlich sagen. Also dass ein wildernder Hund im Revier nichts verloren hat, ist klar. Den muss man auch abschießen dürfen, das habe ich auch erst in meiner Gemeinde kürzlich miterlebt. Einige Abschüsse sind oft wirklich nicht notwendig. Ich weiß, dass Hundehalter ihren Fiffi gerne laufen lassen, sobald sie ein Stück von den letzten bewohnten Häusern entfernt sind. Den Jagdschutz muss man aber sensibel handhaben. Meiner Überzeugung nach kann man mit der bestehenden Regelung zurecht kommen.

WuH: Staatssekretär Martin Wille aus dem Verbraucherschutzministerium sagte auf dem Bundesjägertag in Wernigerode

Matthias Weisheit: Ob man das regeln muss, weiß ich nicht. Manche Dinge könnte man ja vielleicht auch auf dem Wege der Vernunft hinkriegen. Aber wir haben natürlich massive Wild-Schäden. Und manches an der Fütterung ist natürlich auch aus einer Zeit, wo man wirklich noch harte und strenge Winter hatte. Wild wanderte von den höheren Lagen ins Tal und wurde dort gefüttert. Bestimmte Fütterungsgewohnheiten sind traditionell gewachsen. Ob die nun noch notwendig sind, das kann man dann schon in Frage stellen. Aber ob man das dann wieder gesetzlich regeln muss, da sind wir Deutschen natürlich schon so Spezialisten.

WuH: Apropos Wildwanderung. Für viele Wildtiere ist die Wanderung wegen der vielen Autobahnen nicht mehr möglich. Wie wichtig ist in der Verkehrspolitik die Vernetzung von Lebensräumen?

Matthias Weisheit: Das ist sicherlich eine wichtige Geschichte. Naturschützer sind dabei sehr hilfreich, weil sie bei der Planung von Autobahnen auf die Einrichtung von Wildbrücken bestehen.

WuH: Sind die Jäger bei ihren Forderungen zu still?

Matthias Weisheit: Meiner Überzeugung nach schon. Man hört bei Straßenplanungen immer nur von den Naturschutzverbänden, die verschiedene Einwände haben, oder auch Grünbrücken oder Untertunnelungen fordern. Es wäre sicherlich hilfreich, wenn sich ein Jagdverband dazu äußern würde. Das Recht und die Kompetenz hätten sie dazu.

WuH: Jäger verteidigen also ihre Nutzungsinteressen nicht eifrig genug?

Matthias Weisheit: Ja. Sie sind etwas einseitig fixiert.

WuH: In welche Richtung?

Matthias Weisheit: Da geht es immer nur um Eigentumsrechte und um Einschränkungen von Jagd und Jagdausübung. Bei den Grundsatzentscheidungen, ob beispielsweise hier eine Straße gebaut werden kann, und wie dabei Wildlebensräume und somit auch Jagdräume erhalten werden könnten, da hört man von den Jägern relativ wenig.

WuH: Herzlichen Dank für das Gespräch.

„Niemand hat uneingeschränkte Nutzungsrechte über seinen Grund und Boden“


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