I. Der Fall
Ein Jäger besaß einen Deutsch-Kurzhaar, der sowohl die Herbstzuchtprüfung als auch die Brauchbarkeitsprüfung bestanden hat. Er hielt ihn auf seinem eingefriedeten Gelände seines landwirtschaftlichen Betriebes. Dort hat sein Hund eines Tages die Katze der Nachbarin gebissen und im weiteren Verlauf verfolgt und getötet. Eine Überprüfung durch das Veterinäramt ergab, dass der Hund zwar einen ausgeprägten Jagdinstinkt hat, aber keine Anzeichen einer gesteigerten Aggressivität. Gleichwohl hat die zuständige Behörde den Hund als gefährlich eingestuft, weil er die Katze getötet hatte.
Der Jäger ging vor Gericht. Er machte geltend, dass praktisch jeder Jagdhund – zumal innerhalb seiner umfriedeten Fläche – einer Katze nachstellen würde. Entscheidend sei doch, dass er sich gegenüber Menschen nicht aggressiv verhalten werde. Dieser Auffassung folgte das Gericht nicht.
II. Das Urteil
Das Gericht wies die Klage des Jägers kostenpflichtig ab. Nach § 7 Abs. 1 des Niedersächsischen Hundegesetzes ist die Behörde verpflichtet, die Gefährlichkeit eines Hundes festzustellen, wenn Tatsachen vorliegen, die auf eine gesteigerte Aggressivität oder Angriffslust des Tieres hinweisen und dadurch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht. Hierbei genügt in Niedersachsen bereits der begründete Verdacht einer Gefahr. Es ist nicht erforderlich, dass der Hund einen Menschen oder ein Tier bereits verletzt hat. Dies will das Gesetz vorbeugend verhindern. Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, Urteil vom 18.1.2012 – 11 ME 423/11 –
Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil der Hund bereits ein anderes Tier nicht nur ganz geringfügig verletzt, sondern sogar getötet hat. Hierbei habe es sich weder um eine artgerechte Verteidigung gegenüber dem Angriff eines anderen Tieres gehandelt noch um einen bestimmungsgemäßen Einsatz im Rahmen der Jagdausübung. Verwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 23.10.2014 – 6 A2/14 –
III. Anmerkungen
1. Zweck der Hundegesetze
Die Hundegesetze verfolgen das Ziel, Gefahren durch frei laufende Hunde vorbeugend zu verhindern. In Niedersachsen genügt deshalb bereits ein auf Tatsachen beruhender Verdacht, dass der Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt, um als gefährlich eingestuft zu werden. Davon ist in Niedersachsen schon auszugehen, wenn der Hund bereits einen Menschen oder ein Tier aggressiv bedroht oder angesprungen hat. Hat er schon ein Tier oder einen Menschen mehr als nur „ganz geringfügig“ gebissen, ist er in allen Bundesländern als gefährlich einzustufen, außer es handelt sich um eine artgerechte Verteidigung gegen einen Angriff.
Das mag für normale Hunde angemessen sein, bei Jagdhunden sollte jedoch zusätzlich berücksichtigt werden, dass ihnen in der Regel eine gewisse Schärfe gegenüber anderen Tieren angewölft oder anerzogen ist, um in der rauen Jagdpraxis zu bestehen. Da dies bedauerlicher Weise im Gesetz nicht vorgesehen ist, empfiehlt es sich, einen Jagdhund, der unterwegs nicht sicher bei Fuß bleibt, wenn er einer Katze oder einem kläffenden Hund begegnet, in der Öffentlichkeit sicherheitshalber an der Leine zu führen. Denn wird er als gefährlich eingestuft, hat dies für ihn und seinen Halter weitreichende Folgen. Je nach Landesrecht bedarf die Haltung eines gefährlichen Hundes unter anderem einer speziellen Erlaubnis, die die Zuverlässigkeit und persönliche Eignung des Halters voraussetzt, sowie das Bestehen einer praktischen Sachkundeprüfung. Außerdem wird eine erheblich höhere Hundesteuer erhoben und eine besondere Haftpflichtversicherung verlangt. Außerhalb ausbruchsicherer Flächen besteht grundsätzlich Leinen- und Beißkorbzwang, ausgenommen während der Jagdausübung.
In Niedersachsen muss ein Hund nicht tatsächlich Mensch oder Tier angegriffen haben, um als gefährlich zu gelten. Der „begründete Verdacht“ reicht aus.
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In den meisten Bundesländern gilt ein Vierläufer als gefährlich, wenn er einen Menschen oder ein Tier gebissen oder Wild, Weidevieh oder ein sonstiges Tier gehetzt, gebissen oder gerissen hat. In einigen Ländern muss noch hinzukommen, dass das Hetzen „unkontrolliert“ erfolgte. Das bedeutet, dass der Hundeführer nicht in der Lage war, den Hund am Hetzen oder Beißen zu hindern (so z. B. in NRW).
2. Abwehr wildernder Hunde
Die Möglichkeit, einen Hund als „gefährlich“ einzustufen, gibt dem Jäger die Chance, einen fremden wildernden Vierläufer an die Leine zu legen. Hierzu muss er nur durch Zeugen und Fotos beweisen, dass der Hund Wild gehetzt, gebissen oder gerissen hat, und dies der zuständigen Behörde mitteilen. Diese hat dann von Amts wegen anhand der Beweislage zu entscheiden, ob diese Voraussetzungen tatsächlich vorliegen. Ist das der Fall, muss sie grundsätzlich einen Beißkorb- und Leinenzwang anordnen und die weiteren Maßnahmen auferlegen.
3. Anzeige wegen einer Ordnungswidrigkeit
Unabhängig hiervon kann der Hundeführer wegen „unbeaufsichtigten Laufenlassens eines Hundes“ in einem fremden Jagdbezirk mit einem Bußgeld belastet werden. Denn „unbeaufsichtigt“ ist ein Hund bereits dann, wenn er sich außer Sicht- und Rufweite befindet, sodass er wegen fehlender Überwachungs- oder Einwirkungsmöglichkeit nicht mehr kontrolliert werden kann.
Ebenso ist es, wenn sich der Hund der Kontrolle der Aufsichtsperson entzogen hat und eigenmächtig stöbert, ohne die Rückrufe zu befolgen. Entscheidend ist hierbei weniger die Entfernung zum Vierläufer, obgleich auch sie eine Rolle spielt, sondern vor allem der Verlust der Herrschaft über den Hund. Dieser macht, was er will. Nicht erforderlich ist, dass der Hund bereits Wild aufgestöbert oder gehetzt hat, das Verbot setzt schon früher mit dem Suchen ein, um eine akute Gefährdung des Wildes zu verhindern.
IV. Ergebnis
1. Hunde, die ein anderes Tier gebissen haben, werden grundsätzlich als „gefährlich“ eingestuft. Gleiches gilt in den meisten Ländern auch, wenn er Wild, Vieh oder andere Tiere gehetzt, verletzt oder gerissen hat. Die Folgen: Außerhalb ausbruchsicherer Räume und Flächen besteht Leinen- und Beißkorbpflicht. Außerdem besteht in der Regel eine erhöhte Hundesteuer und Haftpflichtversicherung.
2. Das gilt unabhängig von der Rasse. Ausnahme: Der Hund hat sich artgemäß eines Angriffs erwehrt, oder es handelt sich nur um eine „ganz geringfügige“ Verletzung.
3. Das gilt im Grundsatz auch für Jagdhunde, außer während der Jagdausübung im Revier. Hier darf er also Wild aufsuchen, verfolgen, hetzen und abwürgen.
4. Es empfiehlt sich daher, den Hund außerhalb des Revieres anzuleinen, wenn er nicht ruhig an einer Katze oder einem anderen Tier vorbeilaufen kann.