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Wildschadensersatzpauschale unwirksam (4):Pächter verlangte Rückzahlung – mit Erfolg

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von Mark G. von Pückler

I. Die Rechtsgrundlage

„Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.“ § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB

„In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist unwirksam die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz, wenn dem anderen Vertragsteil der Nachweis abgeschnitten wird, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale.“ § 11 Nr. 5 b des Gesetzes über Allgemeine Geschäftsbedingungen.

II. Der Sachverhalt

Pächter P. pachtete im Jahr 1983 in Rheinland-Pfalz einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk. In dem damals häufig verwendeten Pachtvertragsformular war u. a. bestimmt, daß der Pächter „zur Verhütung und Abgeltung von Wildschaden an forstlich genutzten staatlichen Grundstücken jährlich einen Pauschalbetrag von … DM zahlt.“

Um diese Verpflichtung zu erfüllen, zahlte der Pächter in den Jahren von 1983 bis 1997 insgesamt 14 593 DM. Diesen Betrag verlangte er jetzt nebst Zinsen zurück mit der Begründung, dass die Vereinbarung einer Pauschale für Wildschadensersatz rechtlich unwirksam sei.

Da die Pauschale einheitlich sowohl den Wildschadensersatz als auch die Aufwendungen für Wildschadensverhütungsmaßnahmen abgelte, ohne dass die jeweiligen Anteile exakt von einander abgegrenzt seien, sei die Pauschale insgesamt unwirksam.

Das beklagte Land lehnte die Rückzahlung ab, so daß das Gericht entscheiden musste.

III. Das Urteil

Das Gericht gab dem Pächter recht; es verurteilte das Land zur Rückzahlung der gesamten Pauschale, die in den Jahren von 1983 bis 1997 gezahlt wurde, weil sie aufgrund einer unwirksamen Vereinbarung geleistet worden sei.

Nach § 812 Abs.1 Satz 1 BGB sei eine Leistung, die ohne wirksamen Rechtsgrund erfolgt sei, zurückzugewähren, so das Gericht in seiner Begründung. In diesem Fall sei die Pauschale ohne Rechtsgrund geleistet worden, weil die entsprechende Bestimmung im Pachtvertrag wegen Verstoßes gegen § 11 Nr. 5 b AGBG unwirksam sei.

Die Vereinbarung sei nämlich in einem Formularvertrag enthalten und gewähre dem Pächter nicht die Möglichkeit zu beweisen, dass in Wirklichkeit überhaupt kein Schaden oder nur ein wesentlich geringerer als die Pauschale entstanden sei.

Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass mit der Pauschale zugleich auch Aufwendungen für Wildschadensverhütungsmaßnahmen abgegolten würden. Denn es sei unklar, in welchem Umfange die Pauschale für Wildschäden und für Verhütungsmaßnahmen gelte.

Für das Herausrechnen eines bestimmten Anteils fehlten plausible Anhaltspunkte. Diese Unklarheiten gingen zu Lasten des Landes, da es das Formular verwendet habe.

Das Gericht habe „erwogen“, dem Land zwecks sachgerechten Interessensausgleichs das Recht zuzubilligen, dem Anspruch des Pächters auf Rückzahlung der Pauschale die tatsächlich entstandenen Wildschäden der Jahre 1983 bis 1997 entgegenzuhalten, „trotz Verfristung“ der Ansprüche gemäß § 34 BJG. Einen solchen Schaden habe das Land jedoch nicht im einzelnen dargelegt. Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 10.2.1999- 1 U 341/97

IV. Anmerkungen

1. Pauschale insgesamt unwirksam
Das Urteil ist die logische Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung. Den Anfang machte das Oberlandesgericht Hamm (WuH 19/1995, S. 47), es folgte das Oberlandesgericht Celle (WuH 26/1998, S. 56), beide Gerichte kamen zu dem Ergebnis, dass

  • eine Pauschale für die Abgeltung des Wildschadens unwirksam ist, – wenn sie in einem Formularvertrag enthalten ist
  • der Pächter nicht die Möglichkeit hat zu beweisen, dass tatsächlich überhaupt kein Wildschaden oder nur ein wesentlich geringerer als die Pauschale entstanden ist.

Der vom Bundesgerichtshof gegenteilig entschiedene Fall (WuH 1/1999, S. 42) betraf einen anderen Sachverhalt, der mit dem vorliegenden nicht vergleichbar ist, nämlich die Vereinbarung einer hohen Geldsumme für eine entgeltliche Jagderlaubsnis, mit dem zugleich der Wildschaden abgegolten wurde.

Eine Pauschale für Wildschadensverhütungsmaßnahmen ist jedoch grundsätzlich wirksam, weil sie keinen Schadensersatz betrifft; aber sie darf mit einer Pauschale für Schadensersatz nicht so vermischt sein, dass eine gegenseitige Abgrenzung unmöglich ist.

Wird also ein einheitlicher Betrag für beide Pauschalen erhoben, ohne dass bestimmt ist, welcher Anteil auf Schadensersatz und welcher auf Verhütungsmaßnahmen entfällt, so ist die Pauschale im ganzen unwirksam.

2. Rückforderung der Pauschale
Eine Leistung, die ohne Grund, also z. B. ohne gültige Vereinbarung, erbracht wurde, kann grundsätzlich nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückverlangt werden.

Dementsprechend hat das Oberlandesgericht Hamm (s. o.) entschieden, dass die Pauschale dem Pächter zurückerstattet werden muss. Gleichzeitig hat es einen Ersatz der tatsächlich in der Vergangenheit entstandenen Wildschäden anstelle der Pauschale abgelehnt, weil die Anmeldefrist abgelaufen sei und es sich hierbei um eine gesetzliche Ausschlussfrist handle, die den Ersatzanspruch zum Erlöschen bringe (§ 34 BJG).

Die Verjährungsfrist des Rückzahlungsanspruchs betrage nach § 195 BGB 30 Jahre, da die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB nur für die Pachtpreisforderung gelte.

Die Rückforderung der Pauschale verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben, weil der Grund für den Verlust des Wildschadensersatzanspruchs ausschließlich im eigenen Verhalten des Verpächters liege; die Grundsätze von Treu und Glauben gebieten es nicht, die Folgen des Fehlers auf den Vertragspartner abzuwälzen.

Demgegenüber wurde im obigen Urteil vom Gericht „erwogen“, dass in diesen Fällen im Wege einer „ergänzenden Vertragsauslegung“ die tatsächlich entstandenen Wildschäden zu ersetzen seien.

Ergänzende Vertragsauslegung bedeutet in etwa, dass an die Stelle der unwirksamen Regelung eine neue Regelung tritt, die die Parteien bei Kenntnis der Unwirksamkeit voraussichtlich vereinbart hätten.

Hier also: Hätten Verpächter und Pächter die Unkenntnis der Pauschale für Wildschadensersatz gekannt, so hätten sie aller Voraussicht nach eine Übernahme der tatsächlichen Wildschäden vereinbart. Eine solche Regelung könnte für künftige Wildschäden gelten, die fristgerecht angemeldet werden; für vergangene Schäden ist das allerdings sehr zweifelhaft, weil die Anmeldefrist abgelaufen ist und dies kraft Gesetzes zum Erlöschen des Anspruchs führt (s. o. OLG Hamm). Jedenfalls wären die Schäden auf die Höhe der Pauschale zu begrenzen.

V. Ergebnis

1. Die Vereinbarung eines Pauschalbetrages zur Abgeltung der Wildschäden ist unwirksam, wenn sie in einem Formularvertrag enthalten ist und der Pächter nicht die Möglichkeit hat zu beweisen, dass überhaupt kein Schaden entstanden ist oder nur ein wesentlich geringerer als die Pauschale.

2. Wird in einer solchen Vereinbarung ein einheitlicher Betrag zur Abgeltung von Wildschadensersatz und Wildschadensverhütungsmaßnahmen festgelegt, so ist die Pauschale insgesamt unwirksam, weil nicht erkennbar ist, in welcher Höhe sie für Wildschadensersatz und in welcher Höhe sie für Verhütungsmaßnahmen gilt.

3. Eine Pauschale für Wildschadensverhütungsmaßnahmen ist grundsätzlich wirksam.

4. Bei Unwirksamkeit der Vereinbarung können gezahlte Pauschalbeträge rückwirkend bis zu 30 Jahren (Verjährungsfrist) zurückverlangt werden; eine Verrechnung mit den tatsächlich in dieser Zeit entstandenen Wildschäden dürfte wegen Versäumung der Anmeldefrist nicht zulässig sein.


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