Raus aus dem Auto,rein ins Revier
Die Drückjagdsaison neigt sich dem Ende. Nach der ersten Bilanz und dem Lecken der Wunden strotzen die Stöberhunde bald wieder vor Kraft und wollen auch in der jagdruhigen Zeit beschäftigt werden. Hartmut Roth fasst zusammen, was er mit seinen Bracken bis zum Herbst unternimmt
Hahn in Ruh’, der Hörnerschall verklingt allmählich. Nach der oft harten Jagdsaison steht für viele Führer und ihre Hunde erst einmal Regeneration auf dem Programm. Doch aus der jagdlosen Zeit für Stöberhunde darf keine ausgedehnte Langeweile werden. Denn ohne weitere Übungen bleibt vom Erarbeiteten nicht viel hängen, und im Bedarfsfall ist in der Zukunft keine zuverlässige Leistung abrufbar. Dabei sollte es zum jagdlichen Allgemeinwissen gehören, dass man den Hund nach der letzten Jagd nicht wie eine Büchse wegstellen und im kommenden Herbst wieder mit hohen Leistungserwartungen einsetzen kann. Auch haben sich bei den Jagden manchmal Fehler eingeschlichen, die es außerhalb der Saison zu korrigieren gilt. Wie kann man sich nun den Jahresablauf mit seinem Hund im laufenden Jagdjahr vorstellen?
Egal ob Wild in Anblick kommt, der Führer das Gewehr anbackt oder schießt – der Hund hat ruhig sitzen zu bleiben und keinen Laut von sich zu geben.
Fotos: Burkhard Fischer, Markus Wöhrmann
Wenn uns selbst keine Spielchen mit unserem „Waldmann“ einfallen wollen, nehmen wir einfach die Prüfungsordnung (PO) der jeweiligen Stöberhundrasse vor und überlegen,
was wir wie im Jahresablauf vielleicht noch mal mit ihm üben sollten. Dabei ist sie kein
Regelwerk für sportliche Veranstaltungen, sondern bildet im Grunde einen Ablaufplan
für die kommenden Jahre. Ziel dieser Ausbildung muss sein, einen nachgewiesen
brauchbaren Hund, in unserem Falle für den überwiegenden Einsatz im Waldrevier,
vorzuhalten. Gerade bei den Bracken ist die PO so praxisbezogen, dass der junge
Hund während des Jahresablaufes im Revier auf seine späteren Aufgaben optimal
vorbereitet werden kann. Zur Anlagenprüfung (AP) war beispielsweise
die sichere Arbeit auf der Hasen- oder Fuchsfährte (Brackenführer nennen die Fuchs- oder Hasenspur ebenfalls Fährte) angesagt sowie eine flüssige Suche mit dem klar erkennbaren Willen, auch Wild zu suchen und zu finden. Das Herumstreunen auf Wegen und Plätzen, wie öfter bei Gesellschaftsjagden zu beobachten, wirft ein schlechtes Bild auf den Hund. Der so „arbeitende“ Hund zeigt klar, dass er über das Jahr regelrecht verlernt hat, im Revier interessantere Wittrung zu suchen und seine Passion nicht gefördert beziehungsweise
erhalten worden ist.
Eine bestandene Schweißprüfung berechtigt beispielsweise, den Hund „legal“ auf der Wundfährte einzusetzen. Aber nur weitere Übungsfährten erhalten die Leistungsfähigkeit und ermöglichen zusätzlich das „Wir-machen-Beute-Verständnis“ des jagenden Hundes. Bei den Apportierern ist eine vergleichbare Übung über das Verlorenbringen möglich. Für Stöberhunde bietet eben oft nur die Schweißarbeit ausreichend positive Erfahrungen
während der jagdruhigen Zeit. Die Gebrauchsprüfung (GP) als „Meisterprüfung“
beinhaltet zum Beispiel alle bei der Waldjagd benötigten Arbeitsteile, hier als Kernstück die Laute Jagd, sowie die Haarwildschleppe, die Schweißarbeit und die zu fordernden Fächer der Revierführigkeit. Bei der Lauten Jagd hat der Hund den Raum zielstrebig weiträumig nach Wild abzusuchen. Wie sagte ein alter Brackenjäger?
„Hasen gibt es überall. Sie sitzen bloß manchmal sehr weit auseinander.“ Dabei
ist die Laute Jagd weder ein Hetzen, noch ein langanhaltendes Brackieren, also keine
Brackenjagd im Sinne des Pragrafen 19 BJG, sondern ein qualifiziertes Stöbern. Dabei gefundenes Wild, insbesondere Hase und Fuchs, muss die Bracke anhaltend und mit großer Passion verfolgen. Diese angesprochene Zielstrebigkeit gilt es auch über den Sommer zu erhalten.
Um die Standruhe zu üben, bieten sich in der jagdruhigen Zeit viele Gelegenheiten:
Zum Beipiel im März und April während der Wildzählungen, oder im Mai, wenn die ersten Böcke erlegt werden. Aber auch das Ablegen am Rucksack während des Reviergangs fördert den Gehorsam
Eine enge Bindung ist Grundvoraussetzung für eine gute Zusammenarbeit. Deshalb ist der Platz des Hundes bei seinem Meuteführer. Dadurch bekommt der Hund auch die nötige Sicherheit und Gelassenheit, um sich beispielsweise vor und nach einem Schuss, während der Pirsch oder anderer Gelegenheit gesittet zu verhalten. Selbst das Ablegen unter dem Hochsitz gestaltet sich erfahrungsgemäß weniger schwierig. Es sei denn der Vierläufer hätte gelernt, dass Herrchen immer von der Kanzel heruntersteigt, um den winselnden
Jagdkameraden durch Kraulen zu beruhigen. Gerade während der Sommermonate ist
häufig zu beobachten, dass der Hund mitgenommen wird, aber draußen nur kurz Revier
(Gassi) gehen darf, um dann wieder im Fond der jagdgrünen, allradgetriebenen Limousine
dekorativ Platz zu nehmen. Was hat er gelernt? Nicht viel! Der Hund hat dann zwar ein wenig Auslauf – aber kein Training.
Es ist klar, dass „Waldmann“ nach dem freien Leben im Winter nun zunächst an der Leine bewegt wird, um wieder führiger und folgewilliger zu werden. Eine hierzu geeignete Übung ist mit locker durchhängender Leine durch einen Stangenwald zu gehen, inklusive Richtungs- und Tempowechseln sowie Stehenbleiben und Verweilen. Ist eine Schussabgabe angesagt, wird der Hund zum Sitzen neben dem Führer angehalten und hat sich auch nach dem Knall ruhig zu verhalten. Ein Revier verträgt notfalls auch mal einen Schuss auf einen
Baumstumpf, um diese Übung zu wiederholen und zu festigen.
Nach der Jagdsaison fällt es den Hunden schwer, sich wieder an Leine und Halsung zu gewöhnen. Eine Übung im Stangenwald hilft, dass sich der Vierläufer voll und ganz auf den Führer konzentriert. Macht der Hund dabei einen Fehler, wird er korrigiert.
Ein Stöberhund ist notfalls anzuleinen, um seinem großen Bewegungsdrang gezielt und kontrolliert begegnen zu können. Die alten Brackenjäger pflegten zu sagen:
„Soll die Bracke nicht jagen, wird sie an der Leine geführt. Die freie Bracke soll suchen und jagen“. Wir sollten uns grundsätzlich merken, dass jede Form von Ungehorsam des Hundes unverzüglich eine Korrektur durch den Führer zur Folge hat. Ist dies nicht möglich, unterbleibt alles Reagieren. Das heißt im Einzelfall: Kann ich meinen Willen nicht durchsetzen, weil der Hund sich außerhalb meines Einwirkungskreises befindet, kann ich mir auch jedes Kommando sparen. Gerade bei den Bracken gilt, dass man sie durch Dressur im herkömmlichen Sinne verderben kann. Die Bracke ist zu „verführen“, statt zu dressieren. Sie ist in ihrem Wesen naturbelassener, und bei der Zuchtauslese wurde die Führigkeit nicht als Zuchtkriterium besonders beachtet, um ihr Eigenleben nicht unnötig einzuengen oder gar zu unterdrücken. Die dressierte Bracke wird nicht die von ihr zu fordernde selbstständige Arbeit in der sonst selbstverständlichen Qualität zeigen.
Die Tage werden im zeitigen Frühjahr wieder länger, und der Hund wittert oder sieht durch die noch nicht geschlossene Vegetation verschiedenes Wild, das er selbstverständlich anzeigen darf, aber ansonsten ruhig bleiben muss. Alles ist eine Sache der Gewöhnung und Übung. Im März wird die Distanz zum Hund weiter verlängert, indem nun verstärkt der lange Riemen, zweckmäßig ein breiteres farbiges Gurtband, zur Hilfe genommen wird.
Zu den Übungen an der Führerleine tritt das Festigen der Führigkeit am langen Riemen
bei Nackenwind durch Vorhinsuchen und Verweisen, um so mit dem Hund „ins Gespräch“ zu kommen. Daneben wird die eine oder andere Hasenfährte gearbeitet.
Lassen die Luft – Nackenwind – und das Gelände es zu, suchen wir so lange, bis der Hund auf der frischen Hasenfährte laut wird. Nach weiteren 30 bis 40 Metern kann er auch schon mal geschnallt werden, um seinen Fährtenlaut zu festigen. Hunde mit sehr lockerem Hals neigen nach einer „heißen“ Drückjagdsaison manchmal bereits bei der geringsten Wittrung dazu, laut zu werden. Dies sollte man unterbinden, da er sonst auf der Pirsch im Frühsommer das Wild vergrämt. Es ist also immer darauf wert zu legen, dass der Laut auf der Fährte und die Ruhe an der Führerleine gefördert werden. Freies Stöbern im Wald ist während der nächsten Monate strikt abzustellen, da nun die Zeit des Setzens und Frischens beginnt und jegliches Greifen insbesondere von jungem Wild vermieden werden muss.
In dieser Zeit sollte man den Hund gezielt am langen Riemen an das eine oder andere Stück Fallwild, Abwurfstangen oder sonstige markante Wittrungen bringen, um ihn verweisen zu lassen.
Die Kommunikation zwischen Hund und Führer muss intakt sein, damit sich auch der jagdliche Erfolg einstellt. Wird der Hund von März bis August in den Zwinger gesperrt, darf man im Herbst keine Wunder erwarten.
Ab April beginnt die Vorbereitung auf die Fährtenarbeit durch Ausarbeiten von mindestens zwei Kunstfährten pro Monat. Dabei setzt sich das Treten der Fährte mit Fährtenschuh immer mehr durch, da es weniger aufwändig ist. Die Länge sollte zwischen 800 und 1 000 Meter betragen und die Fährte mindestens über Nacht gestanden haben. Es ist klar, dass der Hund während des Fährtenlegens im Revier kontrolliert, also angeleint, abgelegt wird. Für ihn wird so das Verweilen und Warten auf den Führter am ausgelegten Gegenstand
wie etwa dem Rucksack zur Selbstverständlichkeit. Das hat beispielsweise bei den Stöberjagden den Vorteil, dass der Hund lernt, dass der Chef immer wieder zum Rucksack beziehungsweise Gegenstand zurückkehrt. Hat er sich selbst dann mal verjagt, wird er
in aller Regel ebenfalls hierher zurückfinden und dort auf seinen Herrn warten.
Dazwischen kommen immer mal wieder Gehorsamsübungen vor und aufgefundene
Wild-Verkehrsopfer werden zur Schleppenarbeit verwendet. Sind diese nicht zu stark verdorben, erhält der Hund am Ende der Schleppe Gelegenheit zum ordentlichen
Verhalten am Stück, das heißt er darf es bewinden und auch einmal „anfassen“ aber nicht beuteln oder gar anschneiden. Zu den Übungsfährten kommt die eine oder andere Nach- oder Kontrollsuche, da der Hund ja nicht als reiner Stöberer gehalten wird. Er hat zwar nach den natürlichen Fährten und Wildkontaktan an den Übungsfährten meist keinen besonderen Spaß, lernt aber dabei, dass er diese trotzdem zu arbeiten hat. Nicht der Hund, sondern der Führer entscheidet, was zu arbeiten ist. Es liegt am Zweibeiner, seinen Gesellen zu motivieren. Die Kondition darf nicht vernachlässigt werden, da unser Kamerad
sich mit zunehmender Wärme ohnehin bei der Arbeit mehr verausgabt. Es ist klar, dass der Hund eines mehr beschäftigten Nachsuchenführers nicht mehr so oft auf der künstlichen Fährte geführt werden muss. Die beiden haben ausreichend Gelegenheit, sich zu „unterhalten“. Neben allem Arbeiten darf der Spaß nicht zu kurz kommen. Es finden sich immer wieder Gelegenheiten, mit dem Hund zu toben und zu spielen. Das entspricht durchaus dem natürlichen Verhalten in der Meute. Ist der Hund zu Hause viel allein
und hat keinen Artgenossen zum Toben und „Unterhalten“, lebt also viel in Einzelhaft,
muss er unbedingt zum Laufen angehalten werden, um ihn körperlich in Kondition zu halten. Bis Mai sollten die Untugenden aus den Stöberjagden wie Schusshitze und mangelnde Standruhe schließlich ausgebügelt sein, wenn der Stöberhund seinen Führer auf die Pirsch und zum Ansitz begleitet. Der Juni bringt neben der allgemeinen Beschäftigung einige Einsätze beim Kitze-Suchen sowie nach Verkehrsunfällen mit Wild. Hier zeigt sich der Vorteil der Einarbeitung mit dem Fährtenschuh, da häufig neben der Individual- und etwas später einzusetzenden Krankwittrung meist keine Pirschzeichen zu finden sind. Häufig tritt auch keine Körperflüssigkeit aus. Besonders im Straßenbereich ist der Hund zu genauer Einhaltung von Befehlen anzuhalten, um Unfälle zu vermeiden. Er lernt auch, sich selbst durch Verkehrsgeräusche nicht ablenken zu lassen. Sollte zu wenig Arbeit anfallen, darf das kein Grund sein, den Hund unbeschäftigt herumliegen zu lassen. Dann sind dem Ideenreichtum des verantwortungsbewussten Führers kaum Grenzen gesetzt. Vom Züchter haben wir den stärksten und zukünftig besten aller Hunde für uns reservieren lassen. Dann sollten wir aber auch bereit sein, das Niveau zu halten. Denn das
Schlimmste für unseren Kameraden ist die Unterforderung durch uns und die Langeweile
ohne soziale Kontakte, ohne Ansprache und Beschäftigung.
Hat der Hund noch einen Prüfungsabschluss vor sich, wird er bei den davor liegenden
Jagden möglicherweise noch nicht so frei eingesetzt. Grundsätzlich gilt aber, dass der sauber abgeführte und durchgearbeitete (durchbeschäftigte) Hund jederzeit auch eine Gebrauchsprüfung bestehen kann. Die Brackenvereine tragen dem Rechnung, indem sie die Prüfungen häufiger im Zusammenhang mit einer Stöberjagd veranstalten. Dabei werden die außerhalb der Lauten Jagd liegenden Prüfungsfächer Schweiß, Schleppen und Revierführigkeit zeitlich unmittelbar vor oder nach der eigentlichen Stöberjagd durchgeprüft. Diese praxisnahe und -bezogene Bewertung ist sicherlich ein Beweis dafür,
dass Prüfungen kein Trockentraining für revierlose Hundeführer mit ihren Vierbeinern
sind. Bei alledem vergessen wir oft, dass unsere Hunde wesentlich feiner auf unsere
Stimmungen (Launen) reagieren, als wir uns träumen lassen. Im Umkehrschluss:
Wir selbst müssen uns mit der zu stellenden Aufgabe erst auseinandersetzen. Hierzu
gehört eigentlich selbstverständlich, dass der Führer sich selbst in die Lage versetzen
muss, die Anforderungen zu definieren und auf den Hund möglicherweise in mehreren kleinen Schritten zu transportieren.