Zur Zeit gibt es in Deutschland 420 nachgewiesene Vogelgrippe-Fälle bei Wildvögeln (Stand 2.12.2016). Hauptsächlich sind Wasservögel wie Tauchentenarten, Taucher, Säger, Blesshühner und Meeresenten betroffen. In Gebieten mit gehäuften Wasservogel-Totfunden mehren sich ebenfalls die Infektionen bei Möwen und Greifern.
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Inzwischen sind 14 Bundesländer betroffen (Stand 13.12.2016): Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Niedersachsen, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Berlin, Sachsen-Anhalt, Hamburg, Bremen sowie Brandenburg und zuletzt Thüringen.
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Was ein Jäger wissen muss:
Tobias Thimm hat in WILD UND HUND Heft 24 zwei Fachleute für Sie befragt.
Dr. med. vet. Stegmanns, Dienststellenleiter für Lebensmittelüberwachung, Verbraucherschutz und Veterinärwesen, und Prof. Dr. Albert Osterhaus, Leiter des Research Center for Emerging Infections and Zoonoses der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, haben für Sie geantwortet.
Ein Jäger findet eingegangenes Federwild im Revier. Wie hat er weiter zu verfahren?
Stegmanns: Bei einem Totfund von Wildvögeln, insbesondere Wasservögeln, sollte das zuständige Veterinäramt des entsprechenden Landkreises informiert werden. In Absprache mit dem Veterinäramt kann der Vogel zum nächsten Untersuchungsamt transportiert werden. Als Schutzmaßnahme sind dazu Einmalhandschuhe und eine flüssigkeitsdichte Verpackung für den Tierkörper erforderlich, beispielsweise ein Plastikmüllsack. Wird eine größere Menge von Vögeln tot aufgefunden, sollte zum Schutz der Kleidung ein Einmalschutz-Overall getragen werden und Einmalüberschuhe, die unschädlich beseitigt werden können.
Wie sind Jagdkleidung, Messer und Ausrüstung zu behandeln, die in Kontakt mit infizierten Stücken waren?
Stegmanns: Die Gegenstände und auch das Messer müssen dann gereinigt und desinfiziert werden. Die Desinfektion erfolgt am besten mit einem von der DVG (Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft) zugelassenen Desinfektionsmittel. Dabei ist insbesondere im Hinblick auf die Umgebungstemperatur zu beachten, dass viele Desinfektionsmittel nicht bei Temperaturen unter 10 °C wirken. Steht ein solches Desinfektionsmittel nicht zur Verfügung, können das Messer und die Ausrüstungsgegenstände auch mit kochendem Wasser desinfiziert werden. Die Kleidung sollte möglichst heiß, bei mindestens 60 °C, gewaschen werden.
Welche behördlichen Einrichtungen müssen Jäger über Totfunde informieren?
Stegmanns: Grundsätzlich ist das Veterinäramt des Landkreises oder aber der kreisfreien Stadt zu informieren. Die Jäger können bei der Seuchenbekämpfung helfen, indem sie tot aufgefundene Tiere, speziell Wassergeflügel, melden und bei der Flugwildjagd entsprechende Tupferproben an erlegten Enten nehmen und zur Untersuchung einsenden.
Welche Symptome zeigt infiziertes Federwild? Gibt es auffällige Merkmale?
Prof. Dr. Albert Osterhaus: Die Infektion kann sich auf verschiedene Arten äußern. Es könnten sich neuro- logische Auffälligkeiten zeigen. Normalerweise werden die Vögel aber bereits tot aufgefunden, da die Infektion sehr schnell zum Tod führt.
Was sollte ein Jäger, der auch Geflügelhalter ist, nach dem Kontakt mit infiziertem Federwild beachten?
Stegmanns: Idealerweise sollte ein Jäger, der mit infiziertem Wassergeflügel in Kontakt gekommen ist, die Betreuung seines Geflügelbestandes vorübergehend einer anderen Person übertragen. Ist dies nicht möglich, sind entsprechende Biosicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. Das bedeutet, dass der Tierhalter sich vor Betreten des Stalles komplett umzieht, duscht und die bestandseigene Schutzkleidung anlegt. Dazu gehört ebenfalls eine Desinfektionswanne, die benutzt wird, bevor man den Stall betritt, und natürlich die Handhygiene. Ein Jäger, der auch Geflügelhalter ist, sollte nach Möglichkeit während des aktuellen Seuchengeschehens auf die Federwildjagd verzichten.
Der Jagdhund hat infiziertes Federwild apportiert – was nun?
Stegmanns: Zurzeit ist davon auszugehen, dass ein Jagdhund, der eine infizierte Ente apportiert hat, nicht erkranken wird. Es sollte aber bei der Bergung von tot aufgefundenem Wassergeflügel darauf verzichtet werden, den Hund es apportieren zu lassen, und stattdessen mit einem Kescher gearbeitet werden.
Ist der Erreger für Menschen gefährlich?
Osterhaus: Ein Infektionsrisiko durch den Erreger H5N8 wurde für Säugetiere oder Menschen noch nicht nach- gewiesen. Dennoch sollten Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden, da es für den Menschen infektiöse aviäre Influenzaviren gibt.
Wie wird das Virus von Stück zu Stück übertragen?
Osterhaus: Dies geschieht durch Kontakt mit infiziertem Kot oder bei Greifvögeln durch Prädation.
Wie lange bleibt das Virus an einem toten infizierten Stück infektiös?
Osterhaus: Bei den aktuell niedrigen Temperaturen könnte es einige Wochen infektiös bleiben.
Welche Gegenmittel stehen zur Bekämpfung der Viren aktuell zur Verfügung?
Stegmanns: Eine Impfung gegen die Geflügelpest bei Hausgeflügel ist zurzeit verboten. Lediglich in zoologischen Gärten und anderen besonderen Geflügel- haltungen ist nach einem Ausnahmeverfahren eine Impfung denkbar. Eine Impfung von Wildvögeln, vergleichbar der Tollwutimpfung der Füchse, ist nicht möglich. Sollte sich das Virus genetisch verändern und für Haustiere und Menschen gefährlich werden, muss ein aktueller Impfstoff entwickelt werden. Eine vorsorgliche Impfstoffentwicklung ist nicht möglich, da niemand weiß wie sich das Virus genetisch verändern wird.
Ist bei der Bejagung von Wasservögeln etwas zu beachten? Sollten diese nun verstärkt durchgeführt werden?
Stegmanns: Bei Jagden auf Wassergeflügel sollte natürlich darauf geachtet werden, ob Tiere, die Krankheitssymptome zeigen, angesprochen werden können. Diese sind umgehend zu erlegen, auch wenn sie noch auf dem Wasser sitzen oder sich an Land befinden. Erlegtes Flugwild sollte stichprobenweise mittels Tupfer untersucht werden, um festzustellen, ob das Virus nachweisbar ist oder nicht. In Bereichen, in denen es bereits Virusnachweise gibt und tote Tiere aufgefunden werden, sollte die Wasserwildjagd eingeschränkt werden, um durch das Vergrämen der Tiere nicht eine weitere und schnellere Verbreitung des Virus zu provozieren.
Sind infizierte Tiere für den Verzehr geeignet?
Stegmanns: Infizierte Tiere, die bereits Symptome aufweisen, sind aufgrund der feststellbaren bedenklichen Merkmale nicht für den Verzehr geeignet. Bei Tieren, die sich noch in der Inkubationszeit befinden, d.h. noch keine Krankheitssymptome aufweisen, ist es nicht möglich, die Erkrankung ohne Laboruntersuchung zu erkennen. Da das Virus jedoch durch Hitze deaktiviert wird, geht von einer durchgebratenen Ente sicherlich keine Infektionsgefahr aus.
Influenzaviren gelten als genetisch sehr variabel und mutationsfreudig – welche Gefahren und Risiken entstehen daraus?
Stegmanns: Durch die Mutation des aktuellen Virus H5N8 kann die Möglichkeit bestehen, dass dieses Virus auch für andere Tierarten und den Menschen infektiös wird. Dieses ist jedoch zurzeit nicht vorhersagbar. Grundsätzlich sind die Influenzaviren sehr variabel, leider ist eine Prognose, in welche Richtung sich diese Viren entwickeln, nicht möglich.
Stimmte es, dass die H5N8-Erreger von Zugvögeln aus Russland nach Mitteleuropa eingebracht wurden?
Stegmanns: In Sibirien wurden vor kurzer Zeit Virenstämme festgestellt, die mit den aktuellen H5N8-Fällen, die bei unseren Tieren für Erkrankungen und Todesfälle sorgt, sehr eng verwandt sind. Da der größte Teil der zurzeit betroffenen Totfunde von Wildvögeln stammen, ist es schon als wahrscheinlich anzusehen, dass das Virus mit dem Vogelflug zu uns gekommen ist.
Welche (gemeinsamen) Maßnahmen schlagen Sie innerhalb der EU vor?
Stegmanns: Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, dass durch Monitoring-Untersuchungen und genetische Untersuchungen der dabei gefundenen Viren das Tierseuchengeschehen weltweit intensiv beobachtet wird, um gegebenenfalls prophylaktisch die Hausgeflügelbestände schützen zu können.
Wissenswertes:
Ausgelöst wird die Vogelgrippe durch hochpathogene (HP) aviäre Influenzaviren (AIV) der Subtypen H5 und H7. Die stark krankmachenden AIV entstehen durch Mutation aus geringpathogenen Influenzaviren. Erst bei Infektion mit der HP-AIV Variante kommt es zu dramatischen Krankheitsverläufen mit einer Sterblichkeit von bis zu 100 Prozent, die sich schnell ausbreiten kann und daher als Geflügelpest bezeichnet werden.
Das „H“ (Hämagglutinin) und das „N“ (Neuraminidase) bezeichnen die zwei funktionellen Eiweiße auf der Hülle des Virus. Die Ziffern definieren den jeweiligen Subtyp des Erregers. Beide Oberflächenproteine unterliegen fortdauernden Veränderungen. Dabei entstehende neue Varianten, die die Wirtsabwehr unterlaufen können, gelegentlich auch neue Wirte infizieren und damit ihre Verbreitung sichern. Natürlicherweise können nur aus den Subtypen H5 und H7 durch spontane Mutationen aus wenig krankmachenden Formen stark krankmachende Varianten entstehen.